"Lets Rethink" lautet das Motto von Aarhus, neben Paphos die europäische Kulturhauptstadt 2017. Umdenken, Gewohntes hinterfragen und Neues wagen ist das Ziel. Zudem wurde ein großes Paket an tollen Events geschnürt.
Im 500-seitigen Katalog zum Kulturhauptstadtjahr, das im Januar feierlich eröffnet wurde, finden sich mehr als 400 Einzelprojekte in Aarhus und in 18 beteiligten Gemeinden der Region Mitteljütland. Aufführungen, Ausstellungen, Festivals, Performances und Debatten werden geboten, Internationale Stars haben sich bereits angesagt.
"Lets Rethink" ist ohnehin die passende Devise für die von den unternehmungslustigen Wikingern um 770 n. Chr. gegründete Stadt, inzwischen die zweitgrößte Dänemarks. 315.000 Menschen leben dort, davon 60.000 Studierende. Sie machen Aarhus zu einer lebendigen Stadt, und ihre Zahl steigt ständig. 12.000 neue Studenten haben sich fürs Wintersemester angemeldet. Auch die sollen mitdenken.
"Aarhus möchte 2017 ein kulturelles Laboratorium schaffen, das neue, nachhaltige Lösungen für gesellschaftliche Herausforderungen hervorbringt", verkündet die Stadt. Das mutige Denken hat in Aarhus jedoch schon vor Jahren begonnen, und Taten folgten. Das zeigt der neue Stadtteil Aarhus Ø auf dem früheren Hafengelände, wo die Bauten wie Pilze aus dem Boden schießen und bereits 5.000 Menschen wohnen. Die Kräne drehen sich weiter, denn bis 2018 sollen dort 10.000 Bürger ihr Zuhause haben.
Aarhus Ø erweist sich damit auch als Labor für moderne Stadtplanung, und der Komplex "Isbjerget" (Eisberg) gilt schon jetzt als Architektur-Ikone. Die willkürlich erscheinende Platzierung der weißen Häuser mit ihren Spitzdächern erinnert tatsächlich an schwimmende Eisberge. Und macht Sinn. Die wie hingewürfelt wirkenden Bauten mit den leuchtend blauen Balkonen haben den Vorteil, den meisten Bewohnern Meeresblick zu bieten. Witzig sind jedoch die schlichten Holzkisten zwischen all der Moderne, Minigärten, in denen die dort Wohnenden typisch dänisch Blumen und Gemüse anpflanzen.
Die neueste Architekturperle ist das zentrumsnahe Dokk1-Gebäude, das das Bürgeramt und die größte Bibliothek Skandinaviens beherbergt. Eine breite Freitreppe führt hinauf zu einer Terrasse, bestückt mit Abenteuermobiliar für Kinder. Hier oben ist auch der Eingang, einen Fahrstuhl vom Parterre gibts ebenfalls. Drinnen arbeiten die Organisatoren des Kulturhauptstadtjahres Aarhus 2017. Über ihren Köpfen hängt ein güldener Gong, ein Kunstwerk von Kristine Roepstorff.
"Immer, wenn im Universitätskrankenhaus ein Kind geboren ist, wird er angeschlagen", erklärt Kommunikationschef Bent Sørensen in bestem Deutsch und erwähnt auch, wie sehr Dokk1 die Studierenden anlockt. Die Plätze vor den großen Fenstern mit Blick auf die Stadt sind besonders begehrt. Nach- und Neudenken mit Aussicht das hat was.
Zu ebener Erde wurde im Herbst noch an der Trasse für die neue elektrische Straßenbahn und an der künftigen Promenade am Wasser entlang gewerkelt. Beides soll 2017 fertig sein. Hinter dem modernen Dokk1-Gebäude schunkeln jedoch wie dereinst beflaggte Oldtimer-Jachten, aber mit Blick auf die weiße neue Ingenieurschule Navitas. Ein für Aarhus typischer Kontrast, genau wie die Designerläden in den Altstadtgassen.
"Zahlreiche Dänen kommen speziell zum Shoppen nach Aarhus, denn hier gibt es viel individuelle Mode und hochwertiges Kunsthandwerk", betont Marketingkoordinatorin Mette Bygebjerg Petersen. Die Besucher werden sich das nicht entgehen lassen, aber wohl ebenso gerne durchs Viertel Møllestien streifen, wo sich kleine bunte Häuschen, erbaut um 1750, malerisch aneinander reihen. Ein bewohntes Bilderbuch-Idyll. In Aarhus ergänzen sich Alt und Neu, still und lebhaft optimal.
Im Kulturhauptstadtjahr wird es vielerorts quirliger werden, umfasst das Programm doch vier Großevents und zwölf Vollmond-Veranstaltungen. Als ein Mega-Ereignis bezeichnet Bent Sørensen das Epos "Röde Orm" (Rote Schlange), ein Open-Air-Theaterstück über einen der größten Helden der Wikingerzeit. Tatort leicht außerhalb der Stadt ist vom 24. Mai bis 1. Juli das mit Gras bewachsene Dach des Moesgaard Museums, auf das dann 3.500 Sitze gestellt werden.
Ohnehin ist dieses Museum, das das urzeitliche Leben der Menschen veranschaulicht, stets ein Ziel von Schulklassen und Besuchern aus aller Welt. Die Tickets für "Röde Orm" gibts jedoch im Königlichen Theater im Stadtzentrum, einem aparten Säulenbau von 1900 mit bebildertem Giebel gegenüber der mächtigen St. Clemens-Kathedrale. Der größte Schatz dieser im 12. Jahrhundert gegründeten "Domkirke", die von 1449 bis 1500 im gotischen Stil umgebaut wurde, ist der güldene Altar von 1479, gefertigt von Bernt Notke aus Lübeck.
In diesem nun protestantischen Dom denkt man ebenfalls neu, wird doch 2017 auch das 500-jährige Reformationsjubiläum gefeiert. "Wir kombinieren beides", sagt Dompropst Poul Henning Bartholin und lächelt. In Teamarbeit zusammen mit dem Bischof, Theologen und sechs Partnergemeinden werden sogar Luthers 95 Thesen zeitgemäß umformuliert und am 29. Oktober im Gottesdienst als Denkanstöße vorgestellt. Abgeschafft werden sie jedoch nicht.
Der gewaltige Dom ist jedoch nicht Aarhus ältestes Gotteshaus. Diese Ehre gebührt der erst 1950 entdeckten Krypta von 1060 in der nahe gelegenen Frauenkirche (Vor Frue Kirke), einst die Klosterkirche einer Dominikaner-Abtei. Ein Ort der Ruhe und Besinnung zwischen den Kulturhauptstadt-Highlights.
Dazu gehören das aus Manchester importierte moderne Ballett "Tree of Codes" vom 27. bis 29. April im Musikhuset, dem Konzerthaus mit der auffälligen Glasfassade. Ohnehin ein Hit ist das traditionelle Aarhus Festival (vom 26. August bis 4. September) mit Shows, Musik und Bierbuden vor dem Musikhuset und dem Kunstmuseum Aros. Letzteres kennen alle Aarhuser, schon wegen des Regenbogen-Rundgangs, geschaffen von Olafur Eliasson. Dieser farbige Dachreifen ist zu Aarhus Wahrzeichen geworden.
Das Aros wird zudem der Ausgangspunkt für das mehr als vier Kilometer lange Kunstprojekt "The Garden", das am Strand von Moesgard endet und dort vermutlich zu einer Ostsee-Badepause verlockt. Interessant sind auch die Neuinterpretationen von Werken der Oscar-Preisträgerin Susanne Bier, die dieses Jahr gezeigt werden. Biers berühmte Filmtrilogie "Brothers zwischen Brüdern", "Open Hearts" und "Nach der Hochzeit" wird in drei verschiedenen Genres umgesetzt, als Oper, Tanz und Musical.
Die Bewohner von Aarhus und ihre Gäste werden sich also im Kulturhauptstadtjahr 2017 garantiert nicht langweilen, zumal sie neben den Events auch die Ostsee und Mitteljütlands friedliche Landschaft genießen können. Ein gemütliches Sommerhaus in Stadtnähe zu mieten, könnte Kultur und Natur ideal kombinieren.
Ursula Wiegand
FREIZEIT
picture alliance / dpa
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