Berlin, Hamburg und München kennt jeder. Nicht so Schwerin, Magdeburg, Saarbrücken und Hannover. Wir stellen die "Hidden Champions" unter den deutschen Landeshauptstädten vor.
Deutschland ist anders: Das Land hat kein alles beherrschendes Zentrum wie Großbritannien oder Frankreich mit London und Paris. Die Bundesrepublik besteht aus 16 Ländern mit 16 Hauptstädten. Hinzu kommen die Bundeshauptstadt Berlin (zugleich als Stadtstaat auch eine der Landeshauptstädte) und die Bundesstadt Bonn als ehemals provisorische Hauptstadt der alten Bundesrepublik bis 1990. Noch immer residieren dort aufgrund des Bonn-Berlin-Gesetzes einige Bundesministerien mit ihren Hauptsitzen. Alles in allem gibt es in der Bundesrepublik also 17 Hauptstädte es ist nichtganz einfach mit dem Föderalismus.
Berlin, Hamburg, München, ebenso Frankfurt am Main oder Köln kennt jeder. Aber halt Fehler! Frankfurt und Köln zählen überhaupt nicht zu den Hauptstädten und gehören trotzdem zu den wichtigsten Zentren des Landes, aufgrund ihrer Bedeutung für den Verkehr, die Wirtschaft und die Kultur.
Auf der anderen Seite gibt es Landeshauptstädte, die nicht so häufig im Blickpunkt stehen. Düsseldorf zum Beispiel ist als einstiger preußischer Verwaltungssitz der Rheinprovinz statt Köln die Hauptstadt des größten Bundeslandes Nordrhein-Westfalen. Es gehört als Verkehrsknoten und Wirtschaftsmetropole eher nicht in die Reihe der ganz unbekannten Städte. Düsseldorf sortiert sich zumindest in der Eigensicht sogar höher ein als die ihm in spöttischer Hassliebe verbundene Domstadt 50 Kilometer rheinaufwärts. Die Diskussion um die Bedeutung von Köln und Düsseldorf sollte den Rheinländern überlassen werden. Die "rheinischen Schwestern" (mit dem benachbarten Bonn) und eben Berlin, Hamburg, München oder Frankfurt sind wohl am ehesten das, was man als internationale Metropolen oder Weltstädte bezeichnen könnte. Es bleiben zwölf Landeshauptstädte, die etwas im Schatten dieser fünf wichtigsten Metropolen oder Regionen Deutschlands stehen. Das heißt jedoch nicht, dass sie nicht durchaus einen zweiten oder dritten Blick wert wären: Vier von ihnen stellen wir hier näher vor, zwei im Osten, zwei im Westen.
Schwerin, die Hauptstadt Mecklenburg-Vorpommerns, ist die kleinste Landeshauptstadt. Mit derzeit rund 98.000 Einwohnern ist sie nach gängiger Definition nicht einmal eine Großstadt. Sie ist auch die einzige Landeshauptstadt, die über keinen Anschluss an das Hochgeschwindigkeitsnetz der Deutschen Bahn verfügt der ICE Hamburg-Berlin rauscht durch das etwa 30 Kilometer weiter südlich gelegene Ludwigslust. Schwerin ist nicht einmal die größte Stadt Mecklenburg-Vorpommerns das ist die gut doppelt so bevölkerungsreiche Hafen- und Universitätsstadt Rostock. Aber Schwerin ist die älteste Stadt des Landes. Das Schweriner Schloss war bis 1918 Hauptresidenz der mecklenburgischen Herzöge. Seit 1990 ist es Sitz des Landtages von Mecklenburg-Vorpommern. Das pittoreske Aussehen des Schlosses versetzte manch westdeutschen Besucher, der 1990 einen ersten Blick hinter den Eisernen Vorhang wagte, in Erstaunen. Von der DDR hatte man anderes erwartet. Sven Bargel hat sich das imposante Gebäude, das seit jeher den Mittelpunkt Schwerins markiert, angesehen.
Magdeburg, die Hauptstadt Sachsen-Anhalts, ist eigentlich ein Wende-Verlierer. Bis 1989 war Magdeburg eine Stadt der Schwerindustrie. Alleine Sket, das Schwermaschinenkombinat Ernst Thälmann, fasste 18 Betriebe als VEB zusammen. 30.000 Menschen arbeiteten bei einem der größten Arbeitgeber der DDR. Wenn man sich heute vorstellt, dass damals 80 Prozent aller Magdeburger in der Industrie beschäftigt waren und es heute nur noch 4,5 Prozent sind, zuckt man zusammen: Was für ein Wandel! Im Lauf des Umbruchs verließen auch 60.000 der ehemals knapp 300.000 Menschen die Stadt. Und fast wäre Magdeburg gar nicht Landeshauptstadt geworden. Am 28. Oktober 1990 konstituierte sich der sachsen-anhaltinische Landtag in einer Bundeswehrkaserne auf neutralem Terrain in Dessau. Erster Tagesordnungspunkt: die Abstimmung über die Hauptstadt. Magdeburg gewann nur knapp mit 57 zu 49 Stimmen gegen den ähnlich großen Konkurrenten Halle an der Saale, die Geburtsstadt des damaligen Bundesaußenministers Hans-Dietrich Genscher. Doch der Verlust der Schwerindustrie hat auch positive Seiten, wie unsere Autorin Gaby Schlegel bei ihrem Rundgang durch die Stadt feststellen konnte: Magdeburg wirkt weniger düster als zu DDR-Zeiten. Wer sich Zeit nimmt, findet manches Kleinod, nicht nur den bekannten Dom.
Jonas Grethel hat sich für uns in Saarbrücken umgesehen. Für ihn ist die ganze Stadt ein bisschen wie das dortige alternativ angehauchte Nauwieser Viertel: Alles liegt nah beieinander, und jeder kann sich sein Lieblingscafé, seinen Lieblingsladen oder sein Lieblingsrestaurant heraussuchen. Denn das Angebot ist vielfältig in der kleinen Saarmetropole. Nicht Baguettes oder Froschschenkel, wie man im Rest der Republik vielleicht denken könnte, stehen dabei im Vordergrund. Sondern eher die Lyoner-Wurst als saarländisches Nationalgericht oder auch mal italienische Pasta. Saarbrücken hat seinen eigenen Charme, ganz fernab vom nahen Frankreich oder von Oskar Lafontaine, dem berühmtesten Ex-OB der Stadt. Und wenn irgendwann der derzeitige Viertligist 1. FC Saarbrücken nochmal in der Bundesliga spielt die Hoffnung vieler Saarbrücker, wie unser Autor meint dann ist die Stadt auch ganz offiziell erstklassig.
Da kann Hannover aktuell zumindest mit Zweitklassigkeit kontern. Und mit Größe: Gut eine halbe Million Menschen leben in der Niedersachsen-Metropole. Bekannt ist sie für ihre Messen, insbesondere die Cebit und die Hannover-Messe, ihre günstige Verkehrslage an der Kreuzung der Nord-Süd-Verkehrsachse mit der von Ost nach West, für ihr ausgezeichnetes Hochdeutsch und ihren bisweilen spröden Charme. Vielleicht ist das ein Grund, warum relativ wenige Touristen den Weg in die Stadt finden, deren Geschichte unter anderem mit einem Bundeskanzler und zwei Bundespräsidenten verknüpft ist. Wer anstatt zu bleiben nur hindurch fährt, verpasst durchaus mehr als nur die Eilenriede, grüne Lunge der Stadt und doppelt so groß wie der New Yorker Central Park. Die Herrenhäuser Gärten, der Maschsee und die Altstadt Hannover ist einen Besuch wert, berichtet uns Frank M. Wagner. Dass es sogar eine Überlegung wert ist, Teile der Stadt nachzubauen, um Touristen anzulocken, hat man in China registriert: Dort wurde die Provinzstadt Changde für 370 Millionen Euro nach dem Vorbild der Hannoverschen Altstadt errichtet.
Von Frank Behrens
FREIZEIT
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Städtetour: Im Schatten und doch sehenswert
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