Rotterdam zeigt Besuchern sowohl sein faszinierend modernes als auch sein romantisch-nostalgisches Gesicht. Witziges Highlight: um 45 Grad gekippte Häuser.
Mit elegantem Schwung überspannt die 1996 fertig gestellte Erasmusbrücke die Nieuwe Maas, einen Flussarm der Maas. Sie ist Rotterdams Wahrzeichen geworden, eine Stadt, die 1940 von der deutschen Luftwaffe beim "Rotterdam-Blitz" zerstört wurde. In der zerbombten Altstadt trotzte nur die spätgotische Laurenskirche dem Inferno. Weit höher als ihr Turm ragen nun die Wolkenkratzer himmelwärts und stehen am Flussufer Spalier.
Nicht nur dort. Am kürzlich bestens modernisierten Hauptbahnhof Rotterdam Centraal setzt schon seit 1992 der 151 Meter hohe, zweiteilige "Delftse Poort", ein Ausrufezeichen. Wie Phönix aus der Asche ist Rotterdam wieder auferstanden. Internationale Stararchitekten haben der Stadt ein neues, modernes Gesicht gegeben.
Viel zu sehen bei der Hafenrundfahrt
Am Nordufer der Nieuwe Maas ragen links neben der Erasmusbrücke die beiden Hochhäuser "Hoge Heren" empor, zwei hohe Herren in standesgemäßem Dunkelgrau. An ihrer Seite der gelbliche "Hoge Erasmus". Erasmus von Rotterdam (14691536), das Genie des Mittelalters, bleibt präsent. Auch die Universität trägt seinen Namen, ebenso das internationale Austauschprogramm für Studenten.
Am Maas-Südufer, auf der Halbinsel Kop van Zuid, wurde Rem Koolhaas, ein weltweit renommierter Starplaner, aus den Niederlanden eindrucksvoll tätig. 150 Meter misst der 2013 fertig gestellte Dreiteiler "De Rotterdam". Er trägt den Namen des Schiffes, auf dem Passagiere ab 1958 gen New York fuhren. Später wurde es für Kreuzfahrten genutzt und liegt nun als Hotelschiff vor Anker.
Die beliebten Spido-Hafenrundfahrten führen daran vorbei. Beim Anblick des auffällig gestalteten "College Rotterdam" recken sich die Hälse, ebenso angesichts einer Kranparade und Bergen von bunten Containern. Seit 2015 ist Rotterdam Europas größter Containerhafen.
Der Hafen ist ein Open-Air-Museum
Im Koolhaas-Bau befindet sich auch das schicke "nhow-Hotel". Das bietet besten Service und Zimmer mit Superaussicht auf die Erasmusbrücke und die Hochhaus-Phalanx gegenüber. Gäbe es in der Stadt nicht so viel zu entdecken, würden manche Gäste vermutlich von morgens bis spätabends dieses Panorama genießen.
Vom nördlichen Ufer gesehen wirkt der Koolhaas-Dreiteiler besonders mächtig und der KPN-Tower von Renzo Piano fast filigran. Rechterhand schließen sich die Wolkenkratzer "New Orleans" von Alvaro Siza und "Montevideo" von Francine Houben an. Ein Whos who großer Namen. "Manhattan an der Maas" lautet daher der neue Slogan.
Am Zipfel der Halbinsel nimmt Norman Fosters halbrundes World Port Center das ehemalige Terminal der Holland-Amerika-Linie, unter seine Fittiche. Der nostalgische Bau mit den Kupfertürmchen wurde 1993 in ein Hotel umgewandelt, und das dazugehörige Restaurant ist (nicht nur) für Fischliebhaber ein oft angesteuertes Ziel.
All das ermöglichte der Entwicklungsplan Kop-van-Zuid für das zuvor vernachlässigte Maas-Südufer. Noch mehr kam er dem Viertel Katendrecht zugute. Statt Seemannsspelunken und Bordellen stehen dort Wohnhäuser. Die Gegend ist jetzt angesagt. Ganz "in" ist die in einer ehemaligen Werfthalle eröffnete "Fenix Food Factory", ein erfolgreiches Start-up-Unternehmen von Studentinnen und Studenten. Bei schönem Wetter holen sich die Gäste Bier und Kaffee, Käse und Wurst nach draußen. Essen, Trinken, Sonne tanken mit farbigen Hochhäusern im Hintergrund.
"Schaun Sie sich auch die Kunsthal im Museumspark an, eines der frühen Werke von Rem Koolhaas," rät Stadtführer Eric Dekker, selbst Architekt. Diese grüne Oase im Zentrum ist ohnehin richtig zum Relaxen und um vieles über Rotterdam zu lernen, vor allem im "Nieuwe Instituut", spezialisiert auf Architektur, Design und Mode. Nach wenigen Schritten sind Interessierte auch bei Brueghel, Rembrandt, Jan Steen und van Gogh angekommen, zu sehen im Museum Boijmans van Beuningen.
Wie witzig die Moderne sein kann, zeigt sich im zentralen Stadtviertel Blaak. Die gleichnamige Metrostation ist eine fliegende Untertasse mit Sitzgelegenheit. Lange bleiben die meisten nicht, denn die im Oktober 2014 eröffnete Markthalle lockt. Drinnen erst mal das große Staunen angesichts der fröhlich bunten, Füllhorn genannten Deckendekoration. Blumen und Gemüse wie auch viel Leckeres gibt es an den Ständen und über den Köpfen ganzjähriges Sommer-Feeling.
Die Umgebung der Markthalle setzt noch eins drauf, angefangen bei der quittengelben Zentralen Bibliothek (von 1977), einem "Bücher-Dampfer", mittig mit Wasserfall-Ambiente plus Café. Daneben Piet Bloms Bleistiftturm (Het Potlood) von 1984. Auf den Rasenflächen davor tummeln sich Groß und Klein.
Noch lustiger wirken Bloms ineinander geschachtelte, sonnenfarbene Kubushäuser, um 45 Grad gekippte Wohnwürfel, die weltweit berühmt wurden. Die schrägen Wände drinnen verlangen geschickte Möblierung. Drei von ihnen werden vom "Hostel Stayokay" genutzt. Typischer gehts nicht.
Treppen führen von den Kubushäusern hinunter zum Alten Hafen und zu einem rappelvollen Terrassencafé am Wasser. Der Hafen selbst ist nun ein Open-Air-Museum, Stege führen vorbei an ausgedienten Schiffen. Einige dürfen betreten werden, ein Clou für Kids. Ein weiterer Hit sind die Splash Tours, Bustouren, die weiter westlich am Parkhaven 9 starten. Es ist eine Stadtführung besonderer Art mit Gekreische, wenn der Bus splash auch mal in die Maas fährt.
Ruhe und Romantik gibts aber auch noch am alten Flusshafen im Stadtteil Delfshaven. Dort, im Aelbrechtskolk, reihen sich Häuschen, eine alte Kapelle, kleine Läden, lütte Restaurants, die Pilgerväter-Kirche und eine rekonstruierte Windmühle aneinander. Eine hölzerne Hubbrücke überspannt das Wasser, an den Kais liegen Oldtimer-Schiffe und kleine Motorjachten. Auch das ist Rotterdam.
Ursula Wiegand
Infos:
Infos:
www.holland.com und www.rotterdampartners.nl
Tipp: Sehr praktisch ist die ov-chipkaart für alle öffentlichen Verkehrsmittel, damit erhält man auch Rabatt in Museen und Ausstellungen.