Ob das weltbekannte Mädchen aus den Alpen wirklich in der Region zwischen Walensee und Bad Ragaz gelebt hat, ist fraglich, aber eigentlich auch egal. Urlauber finden hier zu jeder Jahreszeit ein perfektes Stückchen Schweiz wie aus dem Bilderbuch.
Junge Damen als Werbe-Ikonen sind ja in Mode da macht der Tourismus keine Ausnahme: R&B-Queen Rihanna wirbt offiziell für Barbados, Ski-Ass Lindsey Vonn aktuell für die US-Skihochburg Vail und Ex-Tennisprofi Anna Kurnikowa partiell für das thailändische Pattaya. Die Ostschweiz hat sich für Heidi entschieden und gleich eine ganze Region danach benannt. Zwischen Bad Ragaz und dem Walensee ist Heidiland. Nicht, dass die weltbekannte literarische Mädchenfigur von Johanna Spyri einen besonders tiefgreifenden historischen oder traditionellen Bezug zu diesem Teil des Kantons St. Gallen hätte. Eher bekommt der Gast, so die Marketinglogik, genau das, was er dank Heidi-Image erwartet: ein Stückchen Bilderbuch-Schweiz. Wie heißt es so schön im berühmten Titelsong der Kinderserie? Dunkle Tannen, grüne Wiesen im Sonnenschein brauchst du zum Glücklichsein.
Echte und zum Teil noch bewirtschaftete Almhütten
Szenerien mit atemberaubenden Bergen, grünen oder verschneiten Almen und original Ziegenpetern und Alm-Öhis findet man natürlich an mehreren Stellen in der Schweiz. Laut Markenrecht darf es Heidiland aber nur ein Mal geben, inzwischen ist es die Region rund um Bad Ragaz. Vor vielen Jahren lag Heidiland in St. Moritz, denn es war der Marketingdirektor des mondänen Skiorts, der Ende der 70er-Jahre den Begriff beim Eidgenössischen Amt für geistiges Eigentum eintragen ließ. 1977 wollte der Werbefachmann an den Ruhm der dort gedrehten Heidi-Fernsehserie anknüpfen und damit das Sommergeschäft ankurbeln. Wirklich gut harmonierte das propere Image des Ortes allerdings nicht mit dem biederen Heidi-Stoff und der Begriff verschwand wieder. Um Ende der 90er-Jahre an neuer Stelle, diesmal links des Rheins, aufzutauchen. Interessant: Die Lizenz liegt immer noch in St. Moritz.
So richtig weit ist es ja vom Engadin auch nicht nach Bad Ragaz, dem größten und schicksten Ort der Region. Das supernoble "Grand Resort Bad Ragaz" könnte durchaus auch in St. Moritz stehen es ist weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt. Wer sich die hohen Zimmerpreise, die angesichts des derzeitigen Franken-Kurses noch mal höher geklettert sind, indessen nicht leisten will und/oder kann, sollte dennoch hierher pilgern. Denn die hier untergebrachte Tamina-Therme, 2009 umfassend umgebaut, ist für jedermann zugänglich. Und hier planscht man an historischem Ort, befinden sich die heißen Becken doch an exakt jener Stelle, wo einst das erste Thermalhallenbad Europas eröffnet wurde.
Eine ganz andere, viel unkommodere und einfachere Welt erleben Touristen im nur wenige Kilometer entfernten Dorf Maienfeld. Da der Ort tatsächlich im Originalroman mittlerweile 50 Millionen mal verkauft und in über 50 Sprachen übersetzt, des Weiteren als Filmserie, Comic und Musical dutzendfach adaptiert erwähnt wird, nennt er sich ganz keck "The Original". Fakt ist: Eine Kultstätte für Fans des liebenswerten Lockenkopfs ist es allemal, vor allem für Japaner. Im Sommer pilgern sie in Scharen hierher, die sogar auf Japanisch übersetzte Website heididorf.ch lässt den Run bereits erahnen.
Mit der Fähre zum Postkartendorf
Doch im Winter ist davon nichts zu spüren, da haben die rund 2.000 Einwohner und die wenigen Touristen das Dorf fast für sich allein. Dafür gibt es auch Einschränkungen. So wird das altehrwürdige Heidihaus samt seiner Ausstattung wie vor 130 Jahren dann nur für Gruppen und nach vorheriger Anmeldung geöffnet. Immer geöffnet hat hingegen der Erlebnisweg vom Heididorf zur Heidialp, bei dem an zwölf Stationen auf die Story Bezug genommen wird. Wenn dann auch noch der hier häufig einfallende Fön für milde Temperaturen und Sonne sorgt, während einem anderswo Nebelbänke die Sicht einschränken, hat die Szenerie einen besonderen Reiz.
Echte und zum Teil noch bewirtschaftete Almhütten und weniger effekthaschende Kulissen lassen sich aber in der ganzen Region finden. Zum Beispiel auf dem Pizol, dem Hausberg von Bad Ragaz. Auf den 43 Pistenkilometern kommen vor allem Genuss-Skifahrer auf ihre Kosten. Etwas anspruchsvoller sind die 65 Kilometer des benachbarten Flumserberges. Überhaupt stehen im Veranstaltungskalender vorzugsweise urwüchsige Abenteuer. Neben Schneeschuhwandern, Nachtrodeln und Huskyschlittentouren ist das zum Beispiel Outdoor-Fondue, das als "Candle light dinner in der Natur" angepriesen wird. Wenn es der Mond zulässt, sorgt die Kulisse des Walensees, der sich wie ein norwegischer Fjord zwischen die Berge zwängt, für ein tolles Panorama. Die Aussicht auf die aufragenden Zacken der Churfirsten ist ohne Übertreibung majestätisch.
Wer nicht im Hoteldorf oben am Berg wohnt, kann mit der Gondel direkt ins Tal schweben und dort nächtigen. Besonders beliebt ist das zwei Gehminuten von der Bahnstation entfernte, vor wenigen Jahren eröffnete "Resort Walensee", das komfortable Appartements direkt am See vermietet und dennoch den Komfort eines Restaurants, Wellnessbereichs und einer Kinderbetreuung bietet. Außerdem ist es nicht irgendeine Unterkunft, sondern gehört zusammen mit dem "Grand Resort Bad Ragaz" und den Bergbahnen Flumserberg zu den großen Leistungsträgern der Heidiland Tourismus AG. Dass hier mit Vorliebe Niederländer absteigen, liegt am niederländisch geprägten Ferienpark-Anbieter Landal Green Parks, der sich längst auch außerhalb der Niederlande engagiert.
Für Hotel- wie externe Gäste offen ist das nebenan ablegende Schiff. Warum das für Winterurlauber von Interesse sein soll? Da der Walensee sehr tief ist, friert er nicht zu. Und so wird der Fährverkehr selbst bei kalten Temperaturen nicht eingestellt. Eine Überfahrt ans andere fast vollständig unbebaute Steilufer sollten Heidilandurlauber unbedingt einplanen. Das kleine Postkartendorf Quinten erreichen sie ohnehin nur so. Der 60-Seelen-Ort schmiegt sich auf dem einzigen Landvorsprung zwischen See und dem aufregend-aufragenden Churfirsten-Massiv. Wer dann in eines der kleinen Cafés des komplett autofreien Dorfes einkehrt und bei zauberhafter Winterstimmung eine heiße "Schoggi" mit Sahne serviert bekommt und auf die schneebedeckten Berge der Umgebung guckt, fühlt sich dann vermutlich ein bisschen in die Zeit von Heidi zurückversetzt.
Christian Haas
Info:
Heidiland Tourismus AG
Valenserstraße 6
CH-7310 Bad Ragaz
Telefon 0041-817200820
www.heidiland.com
www.heididorf.ch
Resort Walensee
Gostenstraße 20
CH-8882 Unterterzen
Telefon 0041-817259090
www.resortwalensee.ch
www.landal.de
Grand Hotel Bad Ragaz
CH-7310 Bad Ragaz
Telefon 0041-813033030
www.resortragaz.ch