Paphos an Zyperns Südwestküste ist neben dem dänischen Aarhus Kulturhauptstadt Europas 2017. "Kontinente verbinden Kulturen überbrücken" lautet das Motto, und das passt bestens zu der drittgrößten Mittelmeerinsel am Rande Europas zwischen Asien und Afrika.
Alexander der Große zog durch Zypern, viele Völker hinterließen ihre Spuren, und so beeindruckt Paphos die Besucher auch mit den faszinierenden Relikten seiner 2.300-jährigen Geschichte.
Diese Stätten werden nun zur Bühne, laufen doch viele "Events" dank des warmen Sommerwetters gratis und draußen. Nach dem Baden ins Konzert oder zu einer Performance das ist was Besonderes. Selbst das Konzert der Berliner Philharmoniker am 1. Mai um zwölf Uhr für die Zyprioten das Highlight überhaupt erklingt unter blauem Himmel vor der mittelalterlichen Hafenfestung.Die finanzielle Unterstützung der Bundesrepublik Deutschland ermöglichte den Besuch der Musiker und die relativ niedrigen Ticketpreise. An gleicher Stelle tritt am 20. Mai die Star-Chansonette Ute Lemper auf, begleitet vom Cyprus Symphony Orchestra.
Konzert der Berliner Philharmoniker
Schon am 12. und 13. Mai läuft "Lysistrata" im nahen Archäologischen Park, Unesco-Weltkulturerbe, und dort im Haus des Aion mit seinen staunenswerten Mosaikböden aus römischer Zeit. Gespielt wird diese Aristophanes-Komödie von Schauspielerinnen aus Zypern, Brasilien und Nigeria. Weitere großartige Bodenmosaike finden sich auch in der Theseus-Villa und im Haus des Dionysos, in letzterem auch die Darstellung von Pyramus und Thisbe, die antike Version von Romeo und Julia. Mit solchen Spielorten macht Paphos aus der Not eine Tugend und setzt auch ein Beispiel für neue Bescheidenheit. "Statt der ursprünglichen 15 Millionen Euro standen nach der Finanzkrise nur noch fünf Millionen für das Kulturprogramm zur Verfügung", sagt Georgia Doetzer, die künstlerische Leiterin von "Pafos2017" in bestem Deutsch. Es ist das kleinste Budget aller bisherigen Kulturhauptstädte. Aber sie sieht es positiv: "Die vielen kostenlosen Open-Air-Veranstaltungen sind gut für die Menschen." Noch wichtiger für die Zyprioten sind die nachhaltigen Effekte, die bei der Wahl zur Kulturhauptstadt stets eine Rolle spielen. Hier ist es die Sanierung der hügelan gelegenen, lange vernachlässigten Altstadt. Dort wird nun geackert und gebaggert, werden Plätze, Straßen und Häuser instand gesetzt. Der geräumige Rathausplatz ist schon fertig, ein japanisches Trommel-Ensemble wird dort am 30. Juni gratis auftreten. Das rekonstruierte Markideion-Theater, ein 400-Sitze-Haus, soll im Sommer bespielbar sein. Das nicht mehr genutzte Kino verwandelt sich in ein Multimedia-Center mit 250 bis 300 Plätzen. Ein Projekt-Austausch mit Aarhus findet ebenfalls statt.
Trotz der seit 1974 bestehenden Spaltung Zyperns gestalten Künstler aus dem griechischen und türkischen Inselteil das Programm und bauen so Kulturbrücken. An einem Baum hängt ein landestypisches Häkelkunstwerk, versehen mit der Friedenstaube. Frauen von hüben und drüben haben es gefertigt und damit ein schlichtes Zeichen gesetzt. Ein weiteres setzt ab 27. April die Dokumentation über das Leben von Kindern diesseits und jenseits der Grenze, zu sehen in der zu neuem Leben erweckten Karawanserei Ibrahims Khan. Selbstverständlich wollen die Zyprioten das Kulturhauptstadtjahr gemeinsam feiern, ohnehin pendeln sie ständig hin und her. Zyperns Grenze ist durchlässig, dort wird nicht geschossen. Und die Wiedervereinigung? "Wir müssen optimistisch sein", antwortet Georgia Doetzer, die in Göttingen studiert und das geteilte Deutschland kennengelernt hat.
Welch verheerende Folgen begeistert begonnene Kriege haben, thematisierte schon Euripides in seinem Stück "Trojans Frauen". Schauspieler aus Städten in den geteilten Ländern Zypern, Bosnien und Palästina zeigen es am 7. und 8. Juli im Römischen Odeon. "Musik ohne Grenzen" gibt es am 4. und 5. August vor den berühmten Aphrodite-Felsen im rund 20 Kilometer entfernten Petra tou Romiou. Der Sage nach soll dort die "Schaumgeborene" dem Meer entstiegen sein. Jahrhundertelang wurde sie, die Göttin der Schönheit und der Liebe, auf Zypern verehrt. Der Aphrodite-Kult musste dem Christentum und der Verehrung Marias weichen. In Paphos, unweit des Hafens, kündet die nur 1,20 Meter hohe St. Paulus-Säule von der Ankunft des Apostels im Jahr 45. Erst nachdem er an dieser Säule 39 Hiebe erhalten hatte, entschied sich (kurz gefasst) der Statthalter Sergius Paulus für das Christentum. So sehen es jedenfalls die Zyprioten. Die Bruchstücke der Säule galten bald als Heilmittel gegen Malaria, das erklärt wohl ihre geringe Höhe. Ein Schild in der Nähe zeigt Paulus weitere Missionsreisen Richtung Europa.
Auf diesem frühchristlichen Areal wurde Jahrhunderte nach Paulus eine siebenschiffige Basilika errichtet, die größte Zyperns. Die Reste einer späteren gotischen Kirche sind seitlich zu erkennen. Das jetzige orthodoxe Gotteshaus Agia Kyriaki Chrysopolitissa stammt aus dem 13. Jahrhundert und praktiziert die Toleranz, finden dort doch auch evangelische und katholische Gottesdienste statt. (Ab Ostern zwischen 8.30 und 19.30 Uhr geöffnet). In Zeiten der Verfolgung versteckten sich die Christen in den sogenannten Königsgräbern. Der Name trügt. "Es waren reiche Bürger, die im dritten Jahrhundert vor Christus in Nea-Paphos diese aufwendigen Grabanlagen bauen ließen", weiß der Guide Eugenios Neofytou. Ein zweiter Archäologischer Park weiter nördlich umschließt diese Nekropole. Winzig wirken die Menschen, die von oben in die gewaltigen Gräber hineinschauen. Einen Besuch wert ist auch die fünf-kuppelige byzantinische Kirche Agia Paraskevi aus dem neunten Jahrhundert im Dorf Geroskipou gleich hinter Paphos östlichem Stadtrand. Und der Ausflug zu den geschichtsträchtigen Klöstern und Kirchen im Troodos-Gebirge ist eigentlich ein Muss. Zwei von ihnen besitzen eine hoch verehrte Marien-Ikone, beide soll der Evangelist Lucas gemalt haben.
Die eine, angeblich zu Marias Lebzeiten entstanden, hütet das reiche und berühmte Kykkos-Kloster, ein Besuchermagnet. Marias Gesicht ist hinter einem bestickten schwarzen Tuch verborgen. Andere Madonnen- und Heiligenporträts, besonders im Eingangsbreich, stammen jedoch aus den 90er-Jahren und wirken ernüchternd neu. Deutlich authentischer ist das stille Chrysorrogiatissa-Kloster. Dessen Marien-Ikone soll Lucas nach Marias Tod gemalt haben. Hier verhüllt bestickter roter Samt ihr Gesicht. Nach Landessitte küssen die Gläubigen die Ikonen. Bei dieser (angeblichen) Lukas-Madonna tun sie es durch ein offenes Kläppchen in Brusthöhe. Noch mehr verblüfft und berührt die byzantinische, im Jahr 1474 ausgemalte St. Michaelskirche im Weindorf Pedoulas, außen ein einfaches Scheunendachkirchlein, drinnen jedoch voller leuchtender Fresken. "Die wurden nur gereinigt, nicht restauriert", sagt Eugenios. Kaiser Konstantin mit Gattin Helena ist abgebildet, St. Michael sowieso, hier allerdings in einer bunten Kriegsuniform. Ein Christus-Zyklus schmückt die Wände. Ein dünner nackter Jesus wird im Jordan von Johannes getauft, weißgewandet steht er später als Herrscher über den Wichtigen und Mächtigen dieser Erde. Zurück im lebhaftem Paphos, wo die Gäste derweil im Hafen beim Bier sitzen oder köstliche Fischgerichte genießen, zieht Georgia Doetzer folgendes Fazit: "Per saldo besteht die Chance, dass Paphos durch das Kulturhauptstadtjahr eine Stadt wird, die näher an Europa heranrückt." Die Zyprioten, seit 2004 EU-Mitglieder, setzen weiterhin unverdrossen auf Europa.
Ursula Wiegand
Info
In Paphos wird viel Deutsch gesprochen, auch im Hotel "Alexander the Great" direkt am Meer mit eigener üppiger Badelandschaft. Infos unter www.kanikahotels.com.
Bestes landestypisches Essen bietet das Restaurant "Two Flowers" im Weindorf Pedoulas im Troodos-Gebirge, Infos unter www.twoflowershotel.com. Fisch und Meeresfrüchte vom Feinsten serviert das Restaurant Pelican am Hafen von Paphos. Infos unter www.pafospelican.com
Kulturprogramm:
Tickets und Infos auf Englisch unter www.soldoutticketbox und www.pafos2017.eu
Infos auf Deutsch unter www.visitcyprus.com