Die alte Brauerei Becker gibt es seit 20 Jahren nicht mehr. Doch auf dem Gelände der saarländischen Traditionsbrauerei in St. Ingbert schickt sich Oliver Muskalla an, neben der Gastronomie im "Sudhaus Genussloft" auch der alten Braukunst wieder Leben einzuhauchen.
Der Beckerturm ist das Wahrzeichen St. Ingberts. Die ehemalige Brauerei Becker braut auf diesem Gelände allerdings nun schon seit 20 Jahren kein Bier mehr. Heute heißt das Gelände Innovationspark am Beckerturm. Das alte Sudhaus und der Beckerturm wurden von 1925 bis 1928 vom Architekten Hans Herkommer errichtet. Mit viel Stahl und Beton, jedoch einem gewissen Blick auf eine bestimmte Ästhetik. Wenn man heute über das Gelände fährt, entdeckt man viel Industrie-Charme. Klinker, alte Stahleinbauten, unterschiedliche Gebäude als sei dies alles eine Filmkulisse. Inzwischen residieren ganz unterschiedliche Firmen hier von IT-Branche, Fitness, Metall, Singschule und Glasbau bis zur Schreinerei. Viele Leute kommen hier hoch, um etwa Hochzeitsfotos auf dem Gelände zu machen oder andere Erinnerungen fotografisch festzuhalten.
Das Sudhaus hat von außen schon durch die denkmalgeschütze Fensterfront sehr viel Charme. Wenn man das "Sudhaus Genussloft" betritt, sieht man diese alten Brauereihallen mit großen Stahlträgern. Am Abend wirkt der Ort durch die Kronleuchter und das Kerzenlicht noch viel schöner. In der Mitte des Restaurants, leicht erhöht, gibt es rund 50 Sitzplätze, im Nebenraum weitere 70. Draußen gibt es einen Biergarten. Ein alter Wohnwagen aus der DDR, heute umgebaut mit Zapfanlage, versorgt die Gäste draußen mit Getränken. 2013 übernahm Oliver Muskalla das Sudhaus in St. Ingbert. Das Haus gab es zwar schon länger, doch Muskalla hat allem hier seinen ganz eigenen Stempel aufgedrückt. "Als ich begann, gab es das Objekt bereits 13 Jahre, mit verschiedenen Pächtern" erzählt er. "Das Gebäude in der ehemaligen Becker-Brauerei gleicht einem Loft mit zehn Meter hohen Räumen und alten Industriebauten drin. Es ist vor allem abends wunderschön illuminiert. Mit viel Kerzen und auch künstlichem Licht. Das Ambiente ist besonders. Doch ein schöner Käfig ist nichts, wenn der Vogel darin nicht schön zwitschert. Und der Vogel bin ich", sagt er lachend.
Muskalla kocht hier gehobene Bistroküche, die mittlerweile viele Stammgäste anzieht. Er bezeichnet sich als "Volkswirt" und meint damit, dass das Essen die Menschen erreichen müsse und zwar in Qualität, Preis-Genussverhältnis und vor allem ohne Convenience. "Dienstleistung steht im Vordergrund. Es ist ein Qualitätsversprechen bei uns. Es muss schmecken. Wir diskutieren auch nicht mit den Gästen. Wenn es nicht passt, mache ich es noch mal! Das gehört bei uns nun mal dazu. Tiefkühlprodukte, außer Pommes, benutzen wir auch keine. Wir haben 0,0 Pulver weder für den Salat, noch für die Saucen. Wir ziehen unsere Saucen ganz klassisch aus Knochen und Fonds. Rindfleischsuppe machen wir aus Knochen. Auch bei den Nachspeisen benutzen wir kein Pulver. Wir machen unsere Mousse au Chocolat selber. Eine ganz ehrliche Hausmannskost, wie sie die Mutter früher zu Hause gekocht hat. Und dies verlässlich."
Ich schaue mich in der Küche um. Alle Mitarbeiter arbeiten an unterschiedlichen Aufgabenstellungen. Hier herrscht aber keine Hektik. In der Mitte des Herdes brodelt ein großer Topf. Dieser ist für seinen Fond. Herrlich! Unterstützt wird Muskalla von einem großen, sehr gut funktionierenden Team. Das braucht er auch, hier ist es immer voll. Zusätzlich macht er auch Bankette und Catering. "Der Saarländische Rundfunk etwa wollte für 400 Personen eine Hauslieferung, auch die CDU Saar für 400 Personen und die Volksbank Saarpfalz mit 500 Personen", berichtet er stolz.
Das Geheimnis liegt im Hopfen
Die Portionen sind mehr als reichhaltig, alle Gerichte schmeckten mir sehr gut. "Männerfantasie" heißt ein zartes Rumpsteak vom argentinischen Angusrind mit Röstzwiebeln auf dunklem Fleischsaft. Tolles Fleisch, für mich persönlich eine zu große Portion und eine herausragende Sauce. Dazu gab es "Dibbelabbes". Hat mir auch sehr gut geschmeckt. Und eine Currywurst auf spanische Art. Mit Chorizowurst und einer pikanten Sauce. Esse ich das nächste Mal dort nochmals. Auch die hausgemachte Dessertvariation überzeugte. Alles war frisch und handgemacht. Eine tolle Visitenkarte des Hauses. Hier ist einer am Start, der seine Aufgabenstellung verstanden hat. Muskalla weiß, worauf es ankommt. Ein wirklich gutes Haus. Eigentlich hat Oliver Muskalla so schon genug zu tun. Dennoch braut er auch sein eigenes Bier. Neben den Gas-troräumen hat er eine kleine Brauerei installiert. "Seit zwei Jahren bin ich an diesem Thema dran. Ein Leben lang habe ich industrielle Biere getrunken. Irgendwann hab ich dann mal quer getrunken und beschäftige mich seither mit Craftbeer. Das hat mich so emotionalisiert, dass es da noch andere Dinge gibt. Eine viel größere Geschmacksvielfalt. Am Ende dieses Prozesses steht nun der Gedanke, eigenes Bier zu brauen. Gott sei Dank hilft mir Edmund Guckert, ein Brauer mit 50-jähriger Erfahrung. Und natürlich hat mich auch dieser traditionelle Ort beflügelt. Nachdem die Brau-tradition an diesem Ort nun 20 Jahre stillgelegt ist, hat es doch was, wenn ich jetzt, genau 20 Jahre später, wieder an dieser Stelle Bier braue."
Muskalla geht es vor allem um den Geschmack, und die Reaktionen der Gäste motivieren ihn, das nun in größeren Chargen zu machen. Für das letzte Stadtfest hat er 300 Liter gebraut. Freitagabends war es schon alle. Samstag und Sonntag blieb sein Stand zu. Verkalkuliert! Sein Stammbier ist ein Helles, bei dem man den herben Geschmack nur etwas spürt. Er will es auch nicht mit Limo vermischen, das ist ihm dann doch zu viel. Seine besondere Note bekommt sein Bier durch außergewöhnlichen Hopfen. Eine Zitrusnote hat es, eine Honig-Karamell-Note und eine blumig erfrischende Note. Es heißt "Weisgerber". Geplant ist auch ein Bernsteinweizen mit Namen "Ludwig". Später dann auch noch ein Pale Ale. Mit vielen Fruchtaromen. Das Bier kann im "Braustübl" verkostet werden. Mit einem uralten Tresen einer Kölner Gastwirtschaft. Ansonsten gibt es Stehtische und viele Brauerutensilien. Es gibt Tage, an dem das "Braustübl" schon für alle Gäste geöffnet ist, nämlich donnerstags und freitags. Auch Gruppen können sich hier einmieten. Dazu kann man auch das Essen absprechen. Zu trinken gibt es hier allerdings nur Bier und Wasser. Oliver Muskalla betont: "Es gibt kein Mischbier!" Kleine Mengen werden auch schon in Flaschen abgefüllt, die die Gäste hier oben direkt bei ihm kaufen können. Oliver Muskalla wird seinen Weg gehen, auch als Brauer. Davon bin ich felsenfest überzeugt Und ich wünsche ihm viel Erfolg dabei.
Rolf Klöckner
Rolf Klöckner ist Ehrenmitglied des Europäischen Instituts für Lebensmittel- und Ernährungswissenschaften. Entscheidend für die Ernennung waren seine langjährigen und erfolgreichen Bemühungen, Kindern das Kochen als grundlegende Kulturtechnik zu vermitteln.
Info
Sudhaus Genussloft
Kaiserstraße 170, 66386 St. Ingbert
Telefon 06894-103333, www.sudhaus-genussloft.de
Öffnungszeiten: Mo. bis Fr. 11.30 bis 0 Uhr, Sa. 18 bis 0 Uhr
Küchenzeiten: 12 bis 14 und 18 bis 22 Uhr