Über die Rolle der "dritten Kandidaten" bei der US-Präsidentschaftswahl
Die Duelle von Donald Trump und Hillary Clinton sind Zuschauermagnete, die Äußerungen des Immobilienmagnaten werden in den sozialen Medien verfolgt wie die kaum eines anderen Politikers. Die Polarisierung des Wahlkampfes ist so stark wie selten zuvor, und die Emotionen kochen hoch. Für manche scheint die kommende Präsidentschaftswahl in den USA die Wahl zwischen einem großen oder einem kleinen Übel, für andere eine ideologische Frage von schicksalhafter Bedeutung zu sein.
Dabei wird in der ganzen Diskussion gerne übersehen, dass neben Trump und Clinton weitere Kandidaten zur Wahl stehen und die "dritten Kandidaten" in vergangenen Wahlkämpfen oft genug das Zünglein an der Waage gespielt haben. Auf der konservativen Seite war es einst Ross Perot, der 1992 mit fast 19 Prozent der Stimmen auf sich aufmerksam machte, die er vor allem unter traditionell republikanischen Wählern fand, und auf der progressiven Ralph Nader, der im Jahr 2000 zwar nur rund drei Prozent der Stimmen auf sich vereinen konnte, dem aber nachgesagt wurde, damit Al Gore von den Demokraten den Sieg gegen George W. Bush verhagelt zu haben.
Die Tatsache, dass sowohl Trump als auch Clinton bei ihren eigenen Parteien zumindest teilweise auf Ablehnung stoßen, hat die Aufmerksamkeit auf die Rolle dritter Kandidaten gelenkt. Nur zwei davon dürften einen wesentlichen Einfluss auf das Wahlergebnis haben: Der ehemalige republikanische Gouverneur des Bundesstaates New Mexico Gary Johnson tritt zum dritten Mal für die anarcho-kapitalistische "Libertarian Party" als Präsidentschaftskandidat an und versucht sich an jene Wähler zu wenden, denen Clinton zu staatsgläubig und Trump zu verrückt ist.
Die Plattform der "Libertarian Party", deren radikalliberaler Ansatz in manchen Punkten Rechts und Links gleichermaßen anspricht, ist dabei ganz auf die Ausnutzung des Kampfes zwischen den beiden größten Kandidaten zugeschnitten. Trotz guter Umfragewerte schaffte es Johnson aber noch nicht, so gut abzuschneiden, dass man ihn zu den präsidialen Talkshows eingeladen hätte.
Eine andere Zielgruppe hat die Kandidatin der Grünen, Jill Stein. Ihr Wahlkampf ist nicht nur auf die traditionelle Wählerklientel ihrer eigenen Partei, sondern besonders auf enttäuschte Unterstützer von Bernie Sanders ausgerichtet, die Hillary Clinton für nicht wählbar halten und den Aufrufen ihres Idols zur Unterstützung der demokratischen Kandidatin nicht zu folgen bereit sind.
In ihren öffentlichen Auftritten vergleicht sie ihre eigenen Forderungen immer wieder mit öffentlichen Äußerungen von Sanders und schürt die Theorie, dass dieser vom Establishment seiner Partei um die Kandidatur betrogen wurde, um sich so für enttäuschte Anhänger des Senators attraktiv zu machen. Klar ist, dass der Wahlkampf der Grünen diesmal deutlich mehr Aufmerksamkeit bekommt als vor vier Jahren.
In einer Situation, in der die beiden großen Parteien es nicht immer einfach haben, all ihre Anhänger hinter sich und ihre Kandidaten zu scharen, sind Loyalitäten sehr im Fluss. Hinzu kommt, dass die Zahl der neu registrierten Wähler bereits jetzt beachtlich ist und daher eine unkalkulierbare Menge an Stimmen hinzukommt, über die die Meinungsforscher oft keine verlässlichen Vergleichsdaten haben.
In dieser Atmosphäre der Unsicherheit und schwankenden Gefolgschaft kommt den dritten Kandidaten vor allem in sogenannten Swing States, also jenen Bundesstaaten, die traditionell mal für die eine, mal für die andere Partei gestimmt haben und keine "feste Burg" sind, eine durchaus große Bedeutung zu.
Ob einer von ihnen nachher für Trump oder Clinton ein "Spoiler" sein wird, wie es einst Nader vorgeworfen wurde, bleibt noch offen. Es lohnt sich aber auf jeden Fall, am Wahlabend auch die Ergebnisse jener zu beobachten, die sonst nur unter "ferner liefen" auftauchen.
Von Dirk van den Boom
Dirk van den Boom, geboren 1966 in Fürstenau, studierte Politikwissenschaft in Münster und arbeitet als Consultant in den Bereichen Entwicklungszusammenarbeit, Migrationspolitik und Sozialpolitik. Er ist selbstständig, schreibt Romane und lebt in Saarbrücken.
POLITIK
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