Schöne Tore fallen auch ohne das große Geld von Investoren
Kürzlich lernten wir eine nette Familie kennen. Wir unterhielten uns über Fußball. Der 23-jährige Sohn, nennen wir ihn hier Peter, wollte gar nicht über seine vielen Tore in der Kreisliga A sprechen. Das besorgte der stolze Vater. Dabei erfuhren wir Erstaunliches: Peter trainiert mit seinen Kameraden dreimal pro Woche. Für jedes Training gibt es zwei Euro. Prämien für Siege? Fehlanzeige.
Wir erinnerten uns an unsere Zeit vor 50 Jahren in der Kreisliga A, als wir für jeden Sieg fünf Mark bekamen. Es hat sich also an der Basis des Fußballs wenig verändert. Wo der Fußball lebt? Bei den Amateuren. Natürlich eiferten wir einst auch den Stars nach, so wie Gleichaltrige in Kaiserslautern, Berlin oder Hamburg. Unsere Heimat hieß Schwarz-Weiß Essen für andere war es die Borussia oder ein FC. Noch immer lieben wir schöne Fußballspiele. Auch als Fan von Borussia Dortmund können wir uns an Toren von Lewandowski, Robben und Champions-League-Erfolgen der Bayern erfreuen. Wir gewannen aber auch leider den Eindruck, dass Mächte am Werk sind, die dieses wunderbare Fußballspiel zerstören können.
Wir wollen hier gar nicht so sehr auf die Machenschaften von Fifa, Uefa und DFB eingehen. Auch nicht auf die Tatsache, dass beim Bau der WM-Stadien in Katar viele Arbeiter ihren Hungerlohn nicht bekommen, weil sie wegen den unmenschlichen Bedingung vorher sterben. Auch das ist Fußball. Und auch dieses: Bei Werder Bremen gibt es einen Ersatzspieler, der mit seinem Ferrari in einen Verkehrsunfall verwickelt war. Der Bursche hatte keine Schuld, aber wir fragten uns: Was verdient ein Ersatzspieler eines Bundesliga-Abstiegskandidaten, dass er sich einen Ferrari leisten kann?
Wie Kraken haben Investoren und Berater nicht nur die internationalen Marktführer wie etwa Manchester United, Real Madrid oder CF Barcelona besetzt. Chinesische Geldgeber haben sich beim AC Mailand oder vor allem auf der Insel eingekauft selbst bei unteren Klubs wie Aston Villa und Wolverhampton Wanderers.
Das ganz große Geld fließt beispielsweise bei Manchester United. Paul Pogba (23) wurde für unfassbare 126 Millionen Euro von Juventus Turin in die darbende Industriestadt mit hoher Arbeitslosigkeit geholt. Finanziert wird das, weil zum Beispiel ein Sportartikel-Hersteller ManU fast eine Milliarde Euro garantiert. In England, dem Land ohne brauchbare Nationalmannschaft, gibt es zudem sieben Milliarden Euro an Fernsehgeld in drei Jahren.
Wir schauten uns kürzlich bei einem Freund ein Spiel im Bezahlfernsehen an. Gladbach gegen Frankfurt. Durchaus spannend. Aber: Jedes Fußball-Spiel ist mindestens vor dem Anpfiff spannend, auch in der untersten Liga. Nach dem müden Gekicke der Bundesligisten war der Freund drauf und dran, sein Bezahl-Abo zu kündigen. Es wird leider allzu oft eine Ware verkauft, die nicht hält, was sie verspricht.
Zerbrochen ist größtenteils die Identifikation mit dem Verein der Heimatstadt. Kein Wunder, dass Borussia Dortmund in London einen Fanklub mit 300 Mitgliedern hat. Diese Engländer können sich keine Karten für den FC Chelsea, FC Arsenal oder Tottenham Hotspur mehr leisten, fahren lieber nachts zu Spielen des BVB. Wobei: Auch in Dortmund murren etliche Fans, die Borussia manage den Verein zu international. Doch wer mithalten will an der europäischen Spitze, ist dazu gezwungen.
Der Saarbrücker Soziologie-Professor Eike Emrich sah in einem Handelsblatt-Interview trotz allem eine Chance für deutsche Spitzenklubs, dem Wahnsinn des "Big Game" zu entgehen. In den Nachwuchszentren würden immer wieder Talente gefördert. Mit diesen "eigenen" Spielern könne ein Lokalkolorit gewahrt werden. Emrich warnte aber auch wo das nicht der Fall sei, setze eine Entfremdung ein.
Deshalb: Spannung, Hackentricks, Steilpässe gibt es auch in der Kreisliga A. Nun haben wir beschlossen, bald mal zu der eingangs erwähnten netten Familie zu fahren und gemeinsam zuzuschauen, ob dem Sohnemann Peter wieder ein Tor gelingt. Für den Verein in dem Ort, in dem er geboren wurde.
Von Günther Wettlaufer
Günther Wettlaufer (71) war von 1971 bis 2005 als Journalist bei der WAZ-Gruppe, dem Axel-Springer-Verlag, Gruner & Jahr sowie der "Saarbrücker Zeitung" in verschiedenen Führungspositionen tätig, lebte dann in Berlin und seit einiger Zeit wieder im Saarland.
SPORT
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