Warum sich Elektroautos im Reich der Mitte so gut verkaufen
Folgt man der einschlägigen Automobil-Berichterstattung in den Medien, so scheinen die deutschen Autohersteller neben den angeschlossenen Interessengruppen aus Wissenschaft, Verbandslobby und Politik zurzeit nur ein Thema zu kennen: Autos, die autonom, vernetzt und vor allem elektrisch fahren. Schlimmer noch: Universitäre Automobil-Experten werfen renommierten Zulieferern aus dem Bereich Antriebstechnologie, die es wagen, die konventionellen Verbrennungsmotoren mit neuen Ideen effizienter und abgasärmer weiterzuentwickeln, sogar vor, sie sollten sich lieber mehr um den Elektroantrieb kümmern als um die Technik, die heute für eine Milliarde Fahrzeuge maßgebend ist und die der Verbesserung harren. Eine fatale Fehleinschätzung!
Kein Wunder, dass unter dem Druck der Öffentlichkeit von allen Herstellern Produkt-Offensiven angekündigt werden. Bis Anfang oder Mitte des kommenden Jahrzehnts sollen bei manchen bis zu 50 neue Fahrzeuge mit Elek-troantrieb auf die Straße kommen. Alle auf Batteriebasis, die wenigsten als reine Batteriefahrzeuge, die meisten als Hybrid- oder als Plug-in-Hybrid-Autos.
Verbandspräsident Matthias Wissmann wird nicht müde zu betonen, dass jetzt schon mehr als 30 Elektrofahrzeuge unter deutschem Markenzeichen erhältlich seien und dass Deutschland zum globalen Leitmarkt für E-Autos werden solle. Dazu braucht es allerdings die Politik, die auf Drängen der Automobil-Lobby das nicht vorhandene Kundeninteresse an Elektro-Autos dadurch hervorlocken will, dass der Kauf eines E-Autos bis Ende 2017 und unterhalb einer Preisschwelle von 60.000 Euro mit bis zu 4.000 Euro subventioniert werden soll. Das Ergebnis ist wie erwartet niederschmetternd. Nur knapp 3.000 Anträge auf Subvention sind bislang gestellt worden. Angepeilt waren 400.000. Geholfen hat die staatliche Förderung also nichts, die Kunden wollen partout keine Elektroautos. Nach wie vor sind bei einem Pkw-Bestand von etwa 45 Millionen Autos in Deutschland nur knapp 30.000 Elektro-Autos, 0,1 Prozent, auf Deutschlands Straßen unterwegs.
Angesichts dieses PR-Desasters schaut die deutsche Politik mit glänzenden Augen nach China. Auch China fördert batteriebetriebene Elektroautos mit Milliardensubventionen und das scheinbar mit großem Erfolg. Wie so oft in China sind die Zahlen gewaltig: Im Jahr 2015 wurden nach offizieller Statistik 331.092 Elektrofahrzeuge verkauft. 2016 sollen es nach staatlicher Planung bereits 700.000 sein ein massiver Kontrast zu den paar Tausend Elektroautos, die heute in Deutschland unterwegs sind. China hätte damit in zwei Jahren das geschafft, was die Bundesregierung 2004 für 2020 angepeilt hat: eine E-Auto Flotte in Deutschland von einer Million Fahrzeugen.
Was läuft also in Deutschland schief und in China richtig? Um es kurz zu machen: In Deutschland entscheidet der Kunde völlig souverän, für was er sein Geld ausgeben will. In China sorgt im Zweifel der Staat dafür, dass die Nachfrage im angestrebten Umfang in die angepeilte Richtung gelenkt wird. So gab der chinesische Staat in 2015 rund zwölf Milliarden Euro an Subventionen für den Kauf von Elektroautos aus. Bei der Automesse in Peking wurden bereits 147 Elektro- und Hybridautos ausgestellt. Damit ist China als größter Automarkt der Welt auch zum größten Produzenten von Elektroautos aufgestiegen.
Muss sich damit die deutsche Elektroauto-Fangemeinde also betrübt geschlagen geben? Mitnichten! Zum einen sind 90 Prozent der in China verkauften E-Autos an Städte, Gemeinden und staatliche Unternehmen gegangen, erfolgten also auf Veranlassung der Regierung. Zum anderen sind die chinesischen Elektroautos von so schlechter Qualität, dass sie weder weltmarkttauglich sind noch mit vergleichbaren Elektroautos von Audi, BMW oder Daimler mithalten können. Als Konsequenz lässt die chinesische Regierung von Start-ups jetzt E-Autos in USA in Silicon Valley entwickeln.
Merke: Mit staatlichen Subventionen à la China kann man weder Märkte "machen" noch Technologieführerschaft erringen!
Von Dr. Helmut Becker
"Saarlandbotschafter" Dr. Helmut Becker (72) ist Gründer und Direktor des Instituts für Wirtschaftsanalyse und Kommunikation (IWK). 1943 wurde der Diplom-Volkswirt und -Kaufmann in Türkismühle geboren. Er war unter anderem Chefvolkswirt bei BMW.
WIRTSCHAFT
picture alliance / Yonhap
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