Ihre Eheringe sind nur vergoldet. Die beiden Zimmer zur Miete sind möbliert. Fleisch können sie sich schon lange nicht mehr leisten. Nach der Geburt von Murkel gehen Pinneberg und Emma zu Fuß nach Hause. So sparen sie wenigstens das Fahrgeld. Der Haushaltsetat ist hoffnungslos überstrapaziert. Immerhin hat Pinneberg als Verkäufer eine Stelle. Wenn da nicht die nagende Angst wäre, wieder arbeitslos zu werden. So wie die vielen abgerissenen Gestalten im Tiergartenpark, denen Pinneberg auf seinem Heimweg begegnet. "Mir macht es nichts aus, wenn es uns auch mal dreckig geht!" Es klingt heroisch, wenn Emma das sagt. Die junge Frau kämpft tapfer gegen alle Mutlosigkeit an: "Es wird schon gehen", "wir schaffen das wir haben ja uns!" Dann sitzen sie wieder zusammen und rechnen, wie das knappe Gehalt reichen kann. Manchmal haben die beiden auch Glück und die Unterstützung anderer hilft ihnen weiter. Und doch endet alles unaufhaltsam im Absturz.
Mit der Originalfassung des Weltbestsellers "Kleiner Mann, was nun?" erschien ein Zeitdokument erster Güte. Das ursprüngliche Manuskript des Schriftstellers Hans Fallada wurde vor der Veröffentlichung 1932 um ein Viertel gekürzt. Die angespannte Lage nach der Weltwirtschaftskrise und die politischen Entwicklungen, ein halbes Jahr vor der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten, veranlassten den Verlag dazu, rund 100 Seiten des Romans zu streichen. Irritationen der Leser sollten vermieden werden.
Zum Opfer fielen vor allem Einblicke in die Berliner Subkulturen der 20er-Jahre: Etwa die Schilderung des Nachtlebens oder der Freikörperkultur-Szene. Politische Meinungen wurden verwischt und subtil nach rechts gedrängt. Vieles, was dem Autor auf dem Herzen lag, verschwand im Archiv des Verlags. Mit seinen "rückhaltlosen Wahrheiten" über dieses Zeitgeschehen kommt Fallada durch die Neuauflage des Romans nun doch noch zu Wort.
Christine Bartholomae