Seit fast 50 Jahren ist Justus Frantz ein international erfolgreicher Pianist und Dirigent. Mit der "Philharmonie der Nationen" gastiert er während der Internationalen Musikfestspiele Saar in Dillingen, um China und Deutschland musikalisch zu vereinen.
In der Welt der klassischen Musik gilt er als eine der schillerndsten und umtriebigsten Persönlichkeiten: Justus Frantz. Soeben, am 18. Mai, feierte er seinen 73. Geburtstag. Bereits vor drei Jahren, beim Interview mit der Deutschen Presseagentur, gab der Pianist, Dirigent und Kulturmanager auf die Frage, ob er manchmal ans Aufhören denke, zur Antwort: "Das wäre das Ende".
Der Anfang war nicht einfach. Die Mutter floh mit ihm und den Geschwistern Ende des Zweiten Weltkriegs von Hohensalza (heute: Inowroclaw/Polen) nach Norddeutschland ins holsteinische Tesdorf der Vater war vier Monate vor seiner Geburt an der Front gefallen. Die Musik habe ihm geholfen, über die schwere Nachkriegszeit hinwegzukommen, erinnert sich Frantz: "Wir hatten nichts zu essen, hatten kein Geld für Schuhe, aber wir hatten die Musik, ein ganz großer Besitz." Nach dem Abitur studierte Frantz zunächst Jura, der Einfluss musikbegeisterter Verwandter und die Begeisterung für das Klavierspielen als Zehnjähriger hatte er den ersten Unterricht erhalten brachten ihn zur Hamburger Hochschule für Musik und Darstellende Kunst, bald entdeckte er auch sein Interesse am Dirigieren.
"Musik, ein ganz großer Besitz"
Beim Internationalen Musikwettbewerb der ARD in München erhielt Justus Frantz einen Preis er war 23 Jahre alt. Die Aufmerksamkeit der Klassik-Fachwelt war ihm ab diesem Moment gewiss, ebenso der Karriereweg als Pianist. In die internationale Spitzenklasse beförderte ihn 1970 eine Konzert-Einladung von Dirigent Herbert von Karajan nach London und 1975 sein Debüt in New York mit den New Yorker Philharmonikern unter Leitung von Leonard Bernstein, mit dem Frantz eine lebenslange Freundschaft verband.
Popularität erlangten seine Klavier-Einspielungen von Stücken von Mozart und Bach mit dem Pianisten Christoph Eschenbach und dem damaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt als Klavierpartner. In den 90er-Jahren wurde Frantz einem breiteren Publikum durch mehrere Fernsehsendungen, darunter "Achtung, Klassik!", bekannt, für die er mit dem Bambi und der Goldenen Kamera ausgezeichnet wurde.
Zu einem Zeitpunkt, als es noch nicht gang und gäbe war, an unüblichen Orten, sei es in einer Scheune oder in einer Reithalle, vor allem aber abseits der Großstädte, nämlich in Kleinstädten oder in ländlicher Region, klassische Musik zu präsentieren, setzte Justus Frantz 1986 die Idee des Schleswig-Holstein-Musikfestivals um. Neun Jahre lang war er dessen Intendant, in dieser Zeit verantwortete er zahlreiche Konzerte, darunter mehr als 60 Uraufführungen an mehr als 30 Spielorten. Er lud junge Talente wie die Geigerin Midori, die Geiger Maxim Vengerov und Vadim Repin und den Pianisten Evgeny Kissin zum Schleswig-Holstein-Musikfestival ein und ebnete ihnen den Karriereweg. Nach Querelen um ein Millionendefizit trat er zurück. Das Schleswig-Holstein-Musikfestival, das im Juli und August stattfindet, gilt bis heute als bedeutendes Musikereignis mit Ausstrahlung.
1995 gründete Frantz mit der "Philharmonie der Nationen" ein neues von Sponsoren und einem Förderverein finanziertes Orchester mit internationalen Nachwuchskünstlern, mit dem er weltweit zahlreiche Konzerte gibt und gab, beispielsweise 2001 im Juli bei einem privaten Sommerkonzert vor Papst Johannes Paul II. in Rom. Als aufflog, dass Frantz Sozialbeiträge für seine Musiker nicht bezahlt hatte, konnte er diese, nebst einer Geldbuße, 2003 bezahlen und die Affäre damit aus der Welt schaffen.
Wegbereiter für Musikerkarrieren
Robert Leonardy, Künstlerischer Leiter und jetziger Intendant der Internationalen Musikfestspiele Saar, rief 2013, "Bonjour Deutschland!" aus. Es standen die Bundesrepublik und ihre Kultur im Mittelpunkt der Saar-Festspiele ein Höhepunkt war seinerzeit das "Carmina Burana"-Konzert mit Justus Frantz. Zwei unermüdliche Streiter für die Klassik der eine von der Elbe, der andere von der Saar beide auch Förderer von musikalischem Nachwuchs, haben sich wohl gefunden, denn sonst würde Justus Frantz sicherlich nicht noch ein weiteres Mal den Weg ins Saarland finden, wenn das Motto der diesjährigen Internationalen Musikfestspiele Saar "deutsch-chinesische Klangwelten 2017" heißt.
Michaela Auinger
Buch-Tipp:
Das Inhaltsverzeichnis ist vergnüglich, die Kapitelüberschriften als Fragen formuliert. Von eins, "Was ist Musik?", bis 50, "Weiß ich jetzt alles, was ich über klassische Musik wissen muss?" testet man sich selbst. Man kann durchfallen. Man mag manchmal das Schulwissen hervorkramen, anderes hat man nie gehört. "Was ist Monodie?" Ich passe. Aber warum soll man das wissen? Musik soll man einfach hören! Das stimmt, aber wissendes und verstehendes Hören erweitert den Musikgenuss und eröffnet Horizonte. Deshalb ist dieses Buch prima! Im besten Sinne leicht lesbar und informativ plus gewürzt mit Anekdoten: In Los Angeles mietet Bernstein ein weißes Cabrio, holt Justus Frantz vom Hotel ab und braust los. Bei voller Fahrt öffnet er plötzlich das Verdeck des Wagens. Im Rückspiegel sieht er das Verdeck wegfliegen und verkündet: "Siehst du, jetzt haben wir schön Sonne im Auto." Auch Zitate großer Musikerpersönlichkeiten sind anzutreffen, beispielsweise beginnt Kapitel acht, "Was ist Melodik?", mit einem von Wagner: "Wenn ein Musiker das Unaussprechliche sagt, ist die untrügliche Form seines laut erklingenden Schweigens die unendliche Melodie." Man lauscht einige Takte nach bis sich im Kopf eine Melodie des Verstehens eingestellt habe, wenn auch keine unendliche. Justus Frantz gibt auch Musikempfehlungen. Sowohl die "Eroica" von Beethoven als auch das d-Moll-Klavierkonzert von Mozart sind in den Listen auffindbar. Justus Frantz dirigiert und spielt diese, seine Lieblingsstücke, demnächst im Saarland!
Michaela Auinger
Justus Frantz, 50 einfache Dinge, die Sie über Musik wissen sollten, 224 Seiten, Westend Verlag,
14,95 Euro