Kurze Nasen, große Augen, runder Kopf Hunderassen, die dem Kindchenschema besonders entsprechen, wurden in den vergangenen Jahren immer beliebter. Leider hat sich aus diesem Umstand eine regelrechte Qualzucht entwickelt.
Tiere sind die Stars der Werbe- und Fernsehbranche. Oftmals glänzen sie an der Seite werbender Personen, manchmal genießen sie aber auch ihren Soloauftritt und werden in anderen Fällen sogar das Gesicht ganzer PR-Strecken. Unter den Lieblingen finden sich in der letzten Zeit immer häufiger Hunde wie der Mops oder die Englische oder die Französische Bulldogge. Die sehen aber auch putzig aus, wird man sich möglicherweise denken, und wenn sie dann noch so lustig röcheln, haben sie das Herz der Konsumenten bereits für sich ergattert.
Leider ist die Realität solcher Hunderassen aber alles andere als herzerwärmend, denn Mops, Englische Bulldogge und Französische Bulldogge sind Hunde, die vom sogenannten brachycephalen Syndrom betroffen sind. Das brachycephale Syndrom ist ein Merkmal der Qualzucht, die laut Paragraph 11b des Tierschutzgesetzes in Deutschland sogar verboten ist. Damit die genannten Hunderassen noch niedlicher werden und äußerlich noch mehr dem Kindchenschema entsprechen, wurde jahrzehntelang die Schnauze dieser Tiere immer kürzer gezüchtet.
"Nach unseren langjährigen fundierten tierärztlichen Erfahrungen entwickeln diese Tiere aufgrund ihrer extremen Kurzschädeligkeit in aller Regel über kurz oder lang einen erheblichen Leidensdruck und nicht selten auch ausgeprägte Schmerzen", erklärt Dr. Friedrich Röcken, Fachtierarzt aus Schleswig und Leiter der AG "Qualzuchten" der Bundestierärztekammer (BTK). "Die züchterische Entwicklung der brachycephalen Rassen, und momentan in besonderem Maße die des Mopses, sehen wir mit allergrößter Sorge", sagt der Vetrinärmediziner.
Chronische Hautentzündungen
Die Probleme, die auftreten können, sind vielseitig. So kommt es laut BTK zu Atembeschwerden oder sogar Atemnot, die Tiere röcheln und schnarchen unter anderem aufgrund der zu engen Nasenlöcher oder eines zu langen weichen Gaumens. Es kommt zu starkem Hecheln bei kleinster Belastung durch Störung der Temperaturregulation, zum Hervorquellen der Augäpfel, zu eingerollten Augenlidern und zu weiten Lidspalten infolge von zu flacher Augenhöhlen. Letzteres kann zu einer schmerzhaften Reizung und Austrocknung der Hornhaut und Dunkelfärbung mit nachfolgender Blindheit führen. Aber auch Fehlbildungen des Gebisses, durch die der Hund nicht mehr gut abbeißen kann oder Zahnschmerzen erleidet, kommen vor. Genauso wie Missbildungen der Schädeldecke, die einen Gehirnschaden bewirken. Extreme Hautfalten auf dem Nasenrücken führen wiederum zu chronischen Hautentzündungen, und das Verletzen der Augen durch das ständige Reiben der behaarten Falten auf der Hornhaut müssen diese Tiere ebenfalls ertragen.
All das sind Auswirkungen, über die sich viele Halter, aber auch Züchter oder Vereine nicht bewusst sind, weiß Claudia Pfister, Pressesprecherin der Bundestierärztekammer. "Etwa jeder dritte Hund dieser Rassen dürfte mittlerweile Qualzuchtmerkmale aufweisen", schätzt sie. Selbst auf Ausstellungen werden diese Tiere prämiert, und Halter vertrauen wiederum den Erfahrungen der Züchter. Ein kleiner Teufelskreis also.
Diesem Unwissen versucht die im Sommer gegründete AG "Qualzucht" der Bundestierärztekammer nun entgegenzuwirken. Eine Vielzahl ehrenamtlicher Mitglieder, allesamt erfahrene Tierärzte, haben es sich zur Aufgabe gemacht, nicht weiter zuzusehen. Die Strategie zielt unter anderem auf Firmen ab, die diese Hunde als Werbeträger verwenden. "Erst wenn es gelingt, dass keine Nachfrage mehr da ist, wird sich vielleicht auch das Angebot ändern", erklärt Röcken. Die hohe Nachfrage, die die Tiere aufgrund ihrer Werbepräsenz erfahren, führt nämlich auch dazu, dass Tiere aus unseriösen Zuchten auf dem deutschen Markt auftauchen. "Uns geht es nicht darum, eine Rasse komplett zu verbieten, aber es muss umgedacht werden", erklärt Röcken weiter.
Als Alternative gibt es beispielsweise den Retromops, das heißt, also auch über Einkreuzungen anderer Rassen müsse nachgedacht werden. Der Retromops ist eine Einkreuzung des Mopses mit dem Parson Russell Terrier. Die AG hat vor einigen Wochen einen offenen Brief herumgeschickt, mit der Bitte, keine Tiere mit Qualzuchtmerkmalen mehr als Werbeträger abzubilden mit ersten Erfolgen: "Die global agierenden Firmen der Tierarzneihersteller haben alle positiv reagiert. Man kann keine Wunder über Nacht erwarten, aber wir bleiben am Ball."
Nadine Bröcker
Weitere Infos unter:
www.bundestieraerztekammer.de