Immer mehr Menschen wollen einen vierbeinigen Freund, obwohl sie arbeiten müssen und nicht viel Zeit haben. Dieser Umstand lässt seit einigen Jahren eine tierisch gute Geschäftsidee blühen: die Hundetagesstätte. Ein Besuch in einer "Huta" in Berlin.
Keine Spur von Morgenmuffeligkeit. Die vierbeinigen Kunden der Hundetagesstätte Amicanis in Berlin-Wilmersdorf wuseln förmlich um die Beine ihrer Besitzer an diesem Montagmorgen um kurz vor acht Uhr. Ihre Frauchen und Herrchen sind unterschiedlich munter, häufig aber in Eile. Die Annahmestelle nennt sich Rezeption und erinnert auch an die erste Anlaufstelle für Hotelgäste: Neben dem Empfangstresen, dem Hunde-Check-in, teilt ein Klapptor den Raum in zwei Bereiche. Die Eingangstür öffnet sich nur auf Knopfdruck, schließlich soll kein Hund flüchten können. Hinter dem Klapptor schaffen weinrot-beige Wände und dunkle Fußböden eine warme Atmosphäre. Hundebetten sowie kleine und große Sofas fallen hier auf. Mischlingshund Ferdinand hat eines davon schon in Beschlag genommen, wegen einer Operation muss er zurzeit einen Kunststofftrichter um den Kopf tragen.
Anne Acker betreut an diesem Tag die Rezeption und wacht mit Kollegin Katja Kapitzke und zwei Praktikanten darüber, dass sich alle tierischen Gäste wohlfühlen. Dazu ist sie Ansprechpartnerin für deren Besitzer. Doch die meisten Besitzer bleiben vor der Eingangstür stehen, während der Hund, so wie Jack-Russell-Terrier Molly, wie selbstverständlich hereinläuft. "Genau richtig", bestätigt Nadja Kopp, Gründerin und Inhaberin von Amicanis. "Wir empfehlen den Haltern auch, sich schnell zu verabschieden. Umso besser kann der Hund zur Ruhe kommen und den Anschluss an die anderen Hunde in der Gruppe finden." Fast wie bei Kindern. Und auch sonst bestehen Ähnlichkeiten: "Wenn ein Hund zwei Wochen nicht bei uns war, wird er von den anderen euphorisch begrüßt", schmunzelt Anne Acker.
Täglich 20 bis 30 Hunde als Tagesgäste
Nacheinander treffen die Hunde ein und warten hier auf die Weiterfahrt zum Friederikenhof nahe Großbeeren in Brandenburg, wo sie den Tag verbringen. Vor der Abfahrt wird an jedem Halsband eine Hundemarke befestigt, anschließend überprüfen Anne Acker und ihre Kollegen, ob alle Hunde Geschirr und Leine haben. Dann gehts in den Shuttlebus. Einige Hunde sind nur halbtags auf dem Friederikenhof und fahren erst mittags hin. "Ideal für Menschen, die ihren Hund in guten Händen wissen wollen, wenn sie einen Arzttermin haben oder einkaufen wollen", sagt Nadja Kopp. Abends werden die Hunde wieder nach Wilmersdorf in die Filiale zurückgefahren, wo Herrchen oder Frauchen sie zum vereinbarten Zeitpunkt abholen können.
Nadja Kopp kann sich über mangelnden Zulauf bei Amicanis nicht beklagen. "Wir haben täglich 20 bis 30 Hunde als Tagesgäste", erklärt sie. Nicht jeder passt allerdings zum "Rudel". Damit es zwischen den Schützlingen allzeit harmonisch bleibt, lernen Mitarbeiter den Hund vor dem ersten Aufenthalt kennen.
Der Nachweis über eine Hundehaftpflichtversicherung sowie der Impfpass müssen bei der Anmeldung vorgelegt werden. Die Gebühr für die Unterbringung richtet sich nach dem Gewicht des Hundes und liegt zwischen 20 und 31 Euro täglich. Etwa zehn Hunde im Monat sind Übernachtungsgäste in der angeschlossenen Hundepension und werden rund um die Uhr von drei Mitarbeitern auf dem Gelände betreut. In der Urlaubszeit können es aber auch mal doppelt so viele sein.
Doch nicht nur die Ferien sind ein Grund für Hundehalter, ihren Vierbeiner in der Hundepension unterzubringen. Nadja Kopp: "Manche möchten vielleicht abends in die Oper oder sind mit Besuch mehrere Tage unterwegs, wo der Hund gestresst wäre. Wenn sie keine Betreuung für ihren Hund an der Hand haben, kommt er für ein oder zwei Nächte zu uns."
Das Motto von Amicanis lautet "Ihr Hund bei Freunden". Die Freunde sind hierbei die neun Mitarbeiter, alle fachlich versiert. Nadja Kopp ist Hundetrainerin und hat Tiermedizin studiert. Mitarbeiterin Anne Acker ist Expertin für Tierpsychologie und hat sich dazu an einer Heilpraktikerschule ausbilden lassen. Fachkompetenz, die Kunde Remo Gambacciane sehr schätzt. Seit einem Jahr ist sein Hund gelegentlicher Gast. "Mir kommt diese Möglichkeit als Freiberufler sehr entgegen. Wenn ich wegen eines anstehenden Projektes Stress habe, weiß ich den Hund hier in guten Händen", erklärt er. Wenn möglich, nimmt er ihn aber auch mit ins Büro. Die Hundetagesstätte bietet ihm jedoch eine Flexibilität, ohne die er ansonsten Schwierigkeiten hätte, einen Hund zu halten. Heidi Boes hat es einfacher, sie ist Rentnerin und hat viel Zeit für ihre Rhodesian-Ridgeback-Hündin Shani. Sie kommt einmal wöchentlich, damit "sie den Laden kennt, wenn ich vielleicht mal für länger weg muss".
Nadja Kopp startete 2011 mit einem Gassiservice: "Ich bekam aber immer mehr Anfragen, Hunde auch außerhalb von Spazierrunden zu betreuen. Zum Beispiel, wenn die Halter einkaufen." Die Rezeption in Berlin kam 2011 dazu, 2013 folgte die Hundepension für die Langzeitgäste und vor zwei Jahren dann die Hundeschule. Und die Nachfrage steigt weiter: "Hundehalter aus dem Osten Berlins fragen immer wieder nach, ob wir nicht auch eine Rezeption dort eröffnen können, um ihren Fahrweg zu verkürzen."
Entspannen im Gruppenzimmer
Draußen, auf dem Friederikenhof mit der Pension, ist für die Hunde über den Tag nicht nur Ausruhen angesagt. Denn sie brauchen Beschäftigung ein Australian Shepherd mehr als ein Mops. Dafür animieren die Mitarbeiter die Hunde in mehreren Auslaufflächen und Spielzonen. "Wir sprinten mit den Hunden durch den Agility-Parcour oder lassen sie Leckerchen hinter verschlossenen Türen suchen", sagt Nadja Kopp. Auch Tricktraining oder Gehorsamsübungen sind möglich. Im Sommer steht ein Hundepool zur Verfügung. Und: "Das gesamte Gelände ist eingezäunt, alle Hunde können sich frei und sicher bewegen", betont die Hundetrainerin.
Bei schlechtem Wetter entspannen die Vierbeiner in Gruppenzimmern oder sind im großen Spielzimmer aktiv. Braucht ein Hund besondere Ruhe, gibt es auch Einzelzimmer. Mit Körbchen und Hundesofas fast wie im Hotel. "Und abends läuft der Fernseher in den Zimmern, denn viele Hunde sind dies von zu Hause gewöhnt. Es beruhigt sie einfach", verrät Kopp. Tag und Nacht hat das Team ein Auge auf die Hunde, jedes der Zimmer ist kameraüberwacht.
Streicheleinheiten für die Hunde gibt es gratis. Schläft ein vierbeiniger Übernachtungsgast unruhig, freut er sich über den Nachtbutler-Service von Amicanis. Ein Mitarbeiter schaut alle zwei Stunden nach dem Hund und sendet auf Wunsch eine SMS an den Halter: "Alles in Ordnung." Nadja Kopp wohnt auch selbst auf dem Friederikenhof. "Ich schaue selbst nach den Hunden oder sitze mit ihnen vor dem Fernseher das ist mir einfach eine Herzensangelegenheit."
Von Frank Müller
Hundepension Amicanis Rezeption
Gasteinerstraße 3
10717 Berlin / Wilmersdorf
Telefon 030-53158292
info@amicanis.de, www.amicanis.de