Die österreichische Tradition wird im "Schubers" gepflegt, dies aber keineswegs zwanghaft. Walter Schuber lässt sich gerne auch von anderen Einflüssen inspirieren und setzt diese in seinem Haus nach ganz eigenen Vorstellungen um.
Lilly ist die heimliche Herrscherin im "Schubers". Sie begrüßt die Gäste gleich im halbrunden Entrée. Insbesondere den Frauen ist sie zugetan, schmust sich an ihre Beine heran. Kaum ein Gast, der sich nicht spätestens dann herunterbeugt, um die französische Bulldoggen-Dame zu kraulen. Lilly ist nicht irgendein Hund, nein, sie hat eine eigene Aufgabe: Sie ist "Guest Relations Manager", Gästebetreuerin, die auf einem Papierkärtchen E-Mail- und Post-Adressen fürs Zusenden der regelmäßigen Info-"Brieferl" erbittet.
Österreichisch ist gewissermaßen Landessprache in dem geräumigen Eckrestaurant in Schmargendorf. Seit Juli 2016 prägt das Heimatland von Patron Walter Schuber ebenfalls die Küche. Schuber "gebürtig aus Wien, 13. Bezirk" lebt seit 1967 in Berlin und ist seit 48 Jahren Gastronom. Lilly begleitet den 78-Jährigen auf seinen täglichen Wegen und ins Restaurant. Allerdings erst seit acht Jahren, sie ist noch eine junge Lady.
Den charmanten Empfang komplettiert ein Glas Schlumberger, serviert vom zweibeinigen Service in Gestalt von Matthias Hahn, dem stellvertretenden Oberkellner. Auf unserem Tisch findet sich sogleich ein Tablett mit Kräuterquark, Olivenöl und einer Salzmischung aus ungebleichtem Meersalz und dreierlei schwarzem Pfeffer ein. Der Kräuterquark ist intensiv mit Zitronenabrieb akzentuiert und schön erfrischend zum österreichischen Sekt vom Grünen Veltliner. Die Salz-Pfeffer-Mischung macht zusammen mit dem grünen, intensiven Olivenöl Spaß auf der Zunge. Die Pfefferaromen ergänzen sich bestens mit dem prizzelnden Kaltgetränk.
Dieses Geschehen auf dem Tisch interessiert Lilly weniger. Sie ruht zu unseren Füßen, erhebt sich zu den Vorspeisen kurzzeitig, um den ordnungsgemäßen Ablauf des Servierens zu kontrollieren. Einen winterlichen Einstieg bieten die gebratenen Blutwurstscheibchen mit Äpfeln, Röstzwiebeln und einer Kartoffel-Schnittlauch-Creme. Wirkt berlinerisch, ist aber eher von der aromatischen, französischen "Boudin Noir" inspiriert. Wir wandeln auch beim Gurkensalat abseits der zu erwartenden Pfade. Die Fotografin erhält den Salat mit Chili, Ingwer, Knoblauch und Koriander asiatisch angemacht. Das Rezept ist ein Mitbringsel seiner London-Reisen Anfang der 80er-Jahre. Heute ist diese Kombination geläufig, vor 35 Jahren war Schuber damit seiner Zeit weit voraus. Im "Schubers" wird zwar die österreichische Tradition gepflegt, aber keineswegs zwanghaft.
Die Fotografin hat den leichteren Einstieg in die Vorspeisen gewählt als ich, die ich mich auf die "Trilogie" mit Tafelspitzsülze, Gänsestopflebercreme und Beef Tatar gefreut habe. Zu Recht, denn die mit Madeira abgeschmeckte Foie Gras ist cremig und leicht aufgeschlagen. Das Süßwein-Gelee auf der Oberfläche passt perfekt dazu. Das Tafelspitzsülzchen wiederum ist der sehr feine Vertreter im Trio. Gewürfelte Wurzeln, Rinderfleisch und gelierte Brühe; selbst ich, die ich ordinärer grober Sülze gar nichts abgewinnen kann, bin begeistert von der bonsaifeinen Textur und dem sanft-fleischigen Geschmack. Zwei, drei Bissen vom präzise gewürzten Beef Tatar zum vollmundigen Sonnenblumenbrot und vom Rauke-Tomaten-Salat dazu ein gelungener Dreier. Was wir in der "Trilogie" in kleinen Tropfenschälchen erhalten, gibts ebenso als einzelne Vorspeisen das Dreierlei für 18,50 Euro ist dann für 8,50 bis 19 Euro zu haben.
"Ich bin zu alt,
um schlechten
Wein zu trinken"
"Ich bin zu alt, um schlechten Wein zu trinken", lautet die Devise von Walter Schuber. Als Gründer der Berliner "Wein Compagny" ist er einfach viel zu kundig und genussfreudig, um es anders zu handhaben: "Meine Liebe gehört schon immer dem guten Wein." So erklärt sich die "Weinstufe", eine gläsern abgedeckte und mit ausgetrunkenen Flaschen und Korken gefüllte Treppenstufe, die zu einer kleinen Empore hinaufführt, von selbst. 200 Positionen aus Deutschland, Österreich, Frankreich, Italien, Südafrika und Neuseeland stehen auf der Karte. Der Patron hat für uns einen 2015er Grünen Veltliner vom Weingut Bründlmayer Terrassen ausgewählt, der Aromen von Aprikose und Rhabarber mit sich führt. Wir durchstreifen mit unserer Nase das Kamptal im Glas und lassen uns auf einen duftigen, fruchtigen Weißen ein, der uns durch den weiteren Abend zu den leichteren und deftigeren Gerichten gleichermaßen passend begleiten wird. Eine gute Wahl für 36 Euro pro Flasche. Welche Weine der Patron bevorzugt? "Solche, die bekannt gut sind wie die von Bründlmayer" und, ja, Grüner Veltliner sei schon eine seiner Lieblingssorten. "Ansonsten ist man ja immer auf Entdeckungsreise."
"Vorsicht, heiß!", ruft uns Matthias Hahn zu und schwenkt mit einer Kupferkasserolle in Richtung Wärmeplatte an unseren Tisch ein. Im Kupfertopf hat ein Tafelspitz vom Jungbullen gezogen. Die Beinscheiben, aus denen die Brühe gekocht wurde, liegen noch darin. Nach der Art eines ländlichen Eintopfs löffeln wir zunächst die kräftige Rindsuppe, die mir über einen Leberknödel und der Fotografin über Frittaten, also Pfannkuchenstreifen, als Einlage gegossen wird. Der Zwischengang mit der Suppe ergibt sich dadurch von selbst.
Im Hauptgang erhalten wir den Tafelspitz vom Jungbullen aus dem Topf. Röst-Erdäpfel und Rahmspinat als Beilagen finden aus Extra-Schalen ihren Weg auf unsere Teller. Wie es sich gehört, tunken wir den Tafelspitz in einen fruchtig-säuerlichen Apfelkren, einen milden Semmelkren und eine Schnittlauchsauce mit schön durchgedrücktem, hartgekochtem Eigelb. Suppe und Tafelspitz sind eine in schöner Brühe gekochte, leicht anmutende Angelegenheit. Sie täuschen elegant über die Tatsache hinweg, dass Spinat und die fein gehobelten österreichischen Verwandten der Bratkartoffel von Haus aus eine gewisse Erdenschwere mitbringen. Der Kupferkessel verlangt im Übrigen nach Kombinations- und Entscheidungsfreude wie amerikanische Kaffeeketten bei der Bestellung: Frittaten, Suppennudeln oder Leberknödel als Suppeneinlage? Tafelspitz, die etwas durchzogenere Jungbullenbrust, Rinderscherzel oder gar von allem etwas? Je nach der Wahl des Fleisches ist der "Kupferkessel" für 19,50 bis 23,50 Euro eine runde Sache in fest und flüssig und mit ganz eigener Anmutung.
Die Klassiker wie Wiener Schnitzel, Backhendl vom Stubenküken, Kalbsrahmgulasch und geschmorte Ochsenbacke sind auf der Karte ebenfalls vertreten und werden für 14,50 bis 19,50 Euro serviert. "Einen schönen Teller, den man an jedem Abend einzeln oder im Menü essen kann", wollte Walter Schuber haben. Er schloss seine einst vom Kudamm herübergezogene "Austeria Brasserie" nach drei Jahren in denselben Räumen, rückte von Hummer und Austern ab. "Wir waren nur noch ein Ort für Feiern und den ganz besonderen Anlass", sagt Schuber. "Ich wollte aber ein Restaurant, das man jeden Abend aufsuchen kann." Für nur sehr gelegentliche Besuche wäre das "Schubers" gerade in der warmen Jahreszeit viel zu schade. Die weitläufige, zweiflügelige Terrasse wirkt selbst im tiefsten Winter einladend und macht Lust auf den noch fernen Sommer. Dann fließt der doppelte Espresso bei vielen Gästen über eine Kugel Vanilleeis und erfreut als "Vanillashot"-Klassiker. Wir bleiben an diesem kalten Abend lieber im rot akzentuierten, großzügig eingerichteten Gastraum auf unseren vier der insgesamt 90 Plätze und vor einer Kaminleiste beim heißen, einfachen Espresso. Dazu lassen wir es uns mit einem Kaiserschmarrn mit Zwetschgenröster zum Dessert gut gehen, den wir gevierteilt zu uns nehmen.
Lilly bekommt beim Abschied selbstredend nicht nur ausgiebige Streicheleinheiten, sondern ebenfalls unsere E-Mail-Adressen. Wo es so elegant-österreichisch mundet und die Gäste so aufmerksam oberhalb wie unterhalb der Tischkante betreut werden, möchten wir unbedingt wieder einkehren. Und regelmäßig erfahren, was uns demnächst erwartet etwa das "Morgenpost-Menü", bei dem sich die Gäste im Februar für 69 Euro durch die feine österreichische Küche in fünf Gängen und fünf Weinen hindurchprobieren können.
Ute Schirmack ist Journalistin, Autorin und Erforscherin großstädtischer Lebensräume. Diese Lebensräume sind unter anderem die Restaurants, Cafés und Bars in Berlin, die sie nun auch mit Stift und Papier genüsslich erkundet.
INFO: Schubers
Hundekehlestraße 33
14199 Berlin-Schmargendorf
Telefon 030-49308818461
www.schubers-restaurant.com
Öffnungszeiten: Mo. bis Fr. 17 bis
1 Uhr, Sa. und So. 12 bis 1 Uhr