Warum Rechtspopulisten auch in Europa erfolgreich sein können
Auch anderthalb Wochen nach der US-Wahl reibt sich Europa noch immer verwundert die Augen. Mit Donald Trump habe ein grenzenloser Dummbeutel, Sprücheklopfer und Ignorant den Sprung ins Weiße Haus geschafft so die stillschweigende Einschätzung zwischen Brüssel, Paris, Madrid und Berlin. Die offiziellen Reaktionen waren zwar mit diplomatischem Puderzucker versehen, doch gedacht haben es viele.
Diese Empörungswolke ist ein gefährlicher Irrtum. Hinter Trumps Sieg steht nicht eine kollektive Fehlentscheidung amerikanischer Wähler, sozusagen ein Betriebsunfall der Geschichte. Dahinter steckt vielmehr eine Erfolgsformel, die sich auf verschiedene Komponenten stützt.
Erstens: Der Quereinsteiger Trump griff den Frust vieler US-Bürger auf, die von der politischen Klasse die Nase voll hatten. Für sie war die Demokratin Hillary Clinton die Galionsfigur eines verkommenen elitären Systems. Der Generalvorwurf: Washington ist eine Blase des Polit-Blablas, die von der wirklichen Lage im Land nichts mitbekommt.
Zweitens: Die Globalisierung wird zwar von Großbanken und Konzernen als Gewinn für alle gefeiert. Dabei wird aber übersehen, dass viele auf der Strecke blieben. Vor allem im "Rostgürtel", den Bundesstaaten zwischen Michigan und Pennsylvania, machten in den letzten Jahren etliche Kohle- und Stahlunternehmen dicht. Folge: Viele gut bezahlte Jobs verschwanden. Weitere Stellen fielen der Abwanderung von Firmen in Niedriglohnländer zum Opfer. Wieder andere wurden durch die digitale Revolution oder durch Roboter ersetzt. Betroffen waren in erster Linie weiße Männer oft ohne höhere Schulbildung , die in ihrem Zorn Trump einen gewaltigen Schub verliehen.
Drittens: Der republikanische Präsidentschaftskandidat bot mit seinem Slogan "Make America Great Again" ("Amerika wieder groß machen") eine riesige Projektionsfläche für alle diejenigen, die Angst vor dem sozialen Abstieg hatten.
Viertens: Trump verband die Furcht vor dem gesellschaftlichen Absturz mit dem Hass auf Einwanderer, Minderheiten und Menschen mit anderen Lebensformen: Muslime, Schwarze oder Schwule.
Diese vier Faktoren, die den Trump-Effekt ausmachen, lassen sich auch in Europa beobachten. Sie sind der Nährboden für den Aufstieg der rechtspopulistischen Parteien.
Erstens: Auch auf dem Alten Kontinent herrscht ein weit verbreitetes Unbehagen gegen die politische Elite.
Zweitens: Auch in Europa gibt es viele, die von der Globalisierung keineswegs profitieren. Der hierzulande häufig geäußerte Politikersatz "Deutschland geht es gut" illustriert dies. Zwar ist es richtig, dass die Makro-Daten der heimischen Wirtschaft Exportvolumen, billionenschwere Geldvermögen oder Wachtumsraten auf dem Papier beeindruckend aussehen. Aber dies sind allgemeine Werte, die nicht notwendigerweise auf das Leben des Einzelnen durchschlagen. Ein Viertel der Beschäftigten in Deutschland verdient 9,50 Euro oder weniger pro Stunde, kommt also auf maximal 1.500 Euro brutto pro Monat. Der sogenannte Eckrentner ein Durchschnittsverdiener, der 45 Jahre lang in die staatliche Rentenversicherung eingezahlt hat streicht im Westen gerade mal 1.200 Euro im Monat ein. Miete und Lebensunterhalt werden zunehmend zu einem Problem. Das ist der Stoff, aus dem die AfD Kapital schlägt.
Drittens: Die Rückbesinnung auf nationale Größe hat bei den Rechtspopulisten in Europa ebenfalls Konjunktur.
Viertens: Auch in den rechten Parteien vieler EU-Länder machen sich deutliche Abschottungs-Tendenzen breit. Darunter fallen der Überdruss an zu vielen Flüchtlingen, das Nein zu Multikulturalismus und zur Vielfalt sexueller Lebensformen sowie die Hinwendung zu nationaler Identität.
Trump ist keineswegs ein isoliertes Phänomen, sondern das Resultat gesellschaftlicher Fehlentwicklungen und politischer Defizite. In diesem und im nächsten Jahr stehen in Europa wichtige Präsidentschafts- und Parlamtswahlen an. In Österreich, den Niederlanden und Frankreich führen rechtspopulistische Kandidaten beziehungsweise Parteien bereits die Umfragen an. Die AfD befindet sich in Lauerstellung.
Die US-Wahl sollte von allen etablierten Kräften als Warnschuss begriffen werden. Das Politiker-Mantra "Wir müssen die Sorgen der Menschen ernst nehmen" wird künftig nicht mehr ausreichen.
Michael Backfisch
Michael Backfisch war Vize-Chefredakteur der Saarbrücker Zeitung, arbeitete als Washingtoner Bürochef des Handelsblatts, später als Nahost-Korrespondent für die Financial Times Deutschland in Dubai. Heute ist er Leitender Redakteur Politik in der Berliner Zentralredaktion der Funke-Mediengruppe.
BILDER DER WOCHE
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Nahaufnahme: Der Trump-Effekt