Trotz Trumps Droh-Tiraden: Die Gewaltenteilung im Land funktioniert
Es gab in den vergangenen Monaten viele Gründe, an Amerika zu zweifeln und zu verzweifeln. Die US-Bürger haben mit Donald Trump den vermutlich inkompetentesten Kandidaten in der Geschichte des Landes zum Präsidenten gewählt. Der neue Mann im Weißen Haus tönte, polterte, versuchte jeden einzuschüchtern, von dem er sich provoziert sah: Richter, Politiker, Journalisten, Geheimdienstleute, Schauspieler.
Das Problem ist, dass es bei Trump keine Grenze nach unten gibt. Jedes Mal, wenn die internationale Öffentlichkeit wegen eines neuen Eklats aufjault: Es dauert nicht lange, bis ein noch grauenhafterer Fauxpas die Schlagzeilen beherrscht. Der Vorwurf, dass der Präsident gegenüber dem russischen Außenminister Sergej Lawrow hochbrisante Geheimdienst-Informationen über Anschlagspläne der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) ausplauderte, ist die aktuellste, aber bestimmt nicht die letzte Entgleisung. Es handelte sich um Details, die so vertraulich waren, dass der befreundete Geheimdienst vermutlich aus Israel die Weitergabe selbst an Verbündete untersagte.
Ein Präsident als Angeber, Plaudertasche, politischer und rhetorischer Heißluftballon. Amerika hat mit seinen Staatschefs in den letzten Jahrzehnten viel erduldet: den brutalen Bombenkrieg in Vietnam unter Lyndon B. Johnson, die Ausspionierung von politischen Konkurrenten unter Richard Nixon (Watergate-Affäre), die auf dem Phantom von Massenvernichtungswaffen aufgebaute Irak-Intervention unter George W. Bush. Aber noch nie hat ein Präsident dem Ansehen und der Glaubwürdigkeit seines Landes so sehr geschadet wie Trump.
Trotz dieser Kette an Tiefpunkten und Peinlichkeiten gibt es Hoffnung. Die USA verfügen über eine funktionierende Gewaltenteilung, ein System der gegenseitig verschränkten Kontroll-Instanzen ("checks and balances"). Der Präsident ist Leiter der ausführenden Gewalt (Exekutive). Die Verfassung von 1776 gibt ihm viel, aber nicht grenzenlose Macht. Er braucht bei wichtigen Vorhaben die Zustimmung des Kongresses, der gesetzgebenden Gewalt (Legislative). Die Gerichtsbarkeit (Judikative) ist nur dem Recht unterworfen und hängt nicht am Gängelband staatlicher Behörden. Verschiedene Bundesrichter haben dies bereits bewiesen, indem sie Trumps Einreise-Stopp für Bürger von muslimisch geprägten Ländern wie Syrien oder dem Iran als nicht mit der Verfassung vereinbar abgeschmettert haben. Und schließlich ist da noch das Recht auf freie Meinungsäußerung ("freedom of speech"), das zur demokratischen DNA des Landes gehört.
Die unabhängigen Medien in Amerika die sogenannte "vierte Gewalt" halten trotz eines nie dagewesenen Drucks stand. Trump hat einen regelrechten Krieg gegen die freie Presse losgetreten. Im Stile eines ruchlosen Autokraten ganz im Sinne seiner Amtskollegen und Brüder im Geiste aus Russland und der Türkei, Wladimir Putin und Recep Tayyip Erdogan hat er unbeugsame Zeitungen, Fernsehanstalten und Online-Portale verunglimpft, verhöhnt und bekämpft. "Fake News" ("Falschmeldungen") lautet sein Schlachtruf für alle, die den Auftrag einer kritischen Berichterstattung für eine aufgeklärte Öffentlichkeit ernst nehmen.
Vergeblich. Sie kuschen nicht. Sie recherchieren, graben, durchleuchten Trumps politisches und wirtschaftliches Imperium. Zeitungen wie "New York Times" oder "Washington Post", TV-Sender wie CNN oder MSNBC bleiben dem Präsidenten auf den Fersen. Sie enthüllen Skandale wie die Weitergabe von sensiblen Geheimdienst-Infos an die Russen oder die merkwürdigen Verbindungen zwischen Trumps Vertrauten und Spitzen-Diplomaten aus Moskau.
Die Selbstheilungskräfte der US-Demokratie sind intakt. Der stellvertretende Justizminister Rod Rosenstein ernannte den früheren FBI-Chef Robert Mueller zum Sonderermittler. Der renommierte Anwalt soll prüfen, ob es bei der russischen Einflussnahme in den amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf 2016 zu Absprachen mit Trumps Wahlkampf-Team gekommen ist. Das wird Monate dauern. Doch wenn sich die Indizien häufen, könnte dies zu einem Amtsenthebungsverfahren führen.
Trump wird versuchen, den Prozess mit geringschätzenden Bemerkungen zu torpedieren. Zu erwarten ist ein Bombardement an Arroganz, Häme und Spott. Doch das System der amerikanischen Demokratie ist stark.
Von Michael Backfisch
Michael Backfisch war Vize-Chefredakteur der Saarbrücker Zeitung, arbeitete als Washingtoner Bürochef des Handelsblatts, später als Nahost-Korrespondent für die Financial Times Deutschland in Dubai. Heute ist er Leitender Redakteur Politik in der Berliner Zentralredaktion der Funke-Mediengruppe.
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Amerikas Selbstheilungskräfte
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