Unter Donald Trump würde Amerika zu einem anderen Land
Es gibt eine eigenartige Wahrnehmung von Donald Trump. Als der Immobilien-Milliardär vor mehr als einem Jahr in die politische Arena drängte, klatschte man sich in Amerika und Europa vor Lachen auf die Schenkel. Ein derartiger Sprücheklopfer und hemmungsloser Selbstdarsteller wie der Republikaner sei allenfalls etwas für den Zirkus, dachten viele.
Doch der Mann mit den nach vorne gestriegelten Haaren ließ sich nicht beirren. Er provozierte, polterte, beleidigte. Im Vorwahlrennen seiner eigenen Partei überzeugte er nicht mit schlüssigen Ideen oder Vorschlägen. Er mähte seine Konkurrenten mit einfachen Verbalinjurien nieder.
In seiner grenzenlosen Selbstüberschätzung bescheinigte sich Trump eine Unangreifbarkeit, die ihn sogar im Falle des Falles von Straftaten schützen würde. "Ich könnte mitten auf der Fifth Avenue stehen und jemanden erschießen, und ich würde keine Wähler verlieren", schwadronierte der mittlerweile 70-Jährige.
Am Ende blieb nur noch Trump übrig. Dass es so weit gekommen ist, liegt zum einen an der Republikanischen Partei, die den maulheldenhaften Quereinsteiger lange unterschätzt hatte. Das Establishment hatte sich so sehr auf den demokratischen Präsidenten Barack Obama eingeschossen, dass ihm der Polarisierer Trump gerade recht kam. Keiner hat dies scharfsinniger erkannt als der neokonservative Denker Robert Kagan: Die Republikaner hätten den Raufbold zu lange gewähren lassen und ein "Frankenstein-Monster" herangefüttert, giftete er. Als die Parteispitze Trump verhindern wollte, war es bereits zu spät.
Aber auch die US-Medien haben als Frühwarnsystem völlig versagt. Anstatt Trumps Geschwätz als rhetorische Platzpatronen zu entlarven und seine völlige Ahnungs- und Konzeptionslosigkeit zu enthüllen, setzten sie auf krawalligen Klamauk. Vor allem die Fernsehkanäle, in denen es nur um Einschaltquoten geht, verkauften sich als billige Plattform für den Phrasendrescher vom Dienst. Kostenlose Polit-Werbung statt aufklärender Dienst an der Öffentlichkeit.
Das Land, in dem die "Washington Post" einst den Watergate-Skandal aufgedeckt und Präsident Richard Nixon de facto gestürzt hatte, wird heute von seichtem Unterhaltungs-Journalismus überspült. Hinzu kommen stramm rechte Radiosender dominiert von Moderatoren wie Glenn Beck oder Rush Limbaugh , die der untergegangenen Größe Amerikas nachtrauern und dafür die gegenwärtige Regierung mit Hassparolen überziehen. Publizistische Begleit-Kommandos des Haudraufs Trump.
Die USA haben sich mittlerweile an den Tabubrecher gewöhnt. Der Overkill an Trumps brachialen Einlassungen hat zu einer Entskandalisierung des Skandalösen geführt. Die demokratische Präsidentschaftsanwärterin Hillary Clinton mag die um Längen qualifiziertere, erfahrenere Kandidatin sein. Aber ihr mangelt es an mitreißender Frische und Charisma. Sie ist ein altes Gesicht im Washingtoner Politik-Betrieb. Und sie hat eine Patina der verdächtigen Geheimniskrämerei, die Ausstrahlung, dass für die Clintons besondere Gesetze gelten.
Die amerikanischen Medien sind nur noch Lautsprecher für Trumps Kurs des Täuschens, Tricksens, Lügens und Verleumdens. Die Präsidentschafts-Kampagne gestaltet sich als großer Showdown, als publikumswirksamer Kampf der Giganten. Eine kritische Reflexion findet kaum noch statt. Das ist gefährlich für die US-Demokratie.
So kann Trump ungestraft Propaganda-Märchen verbreiten. Kürzlich sagte er, er wolle einen sechswöchigen bezahlten Mutterschutz einführen. "Hillary Clinton hat einen solchen Plan nicht und hat auch nicht vor, jemals einen solchen zu entwerfen." Tatsache ist: Clintons Plan, zwölf Wochen Mutterschutz mit Lohnfortzahlung, wurde vor einem Jahr verkündet. Weitere Lügen-Schnipsel: Trump sprach von "30 Millionen, vielleicht 34" illegalen Einwanderern in den USA in Wirklichkeit sind es elf Millionen. Die Arbeitslosenquote gab er mit 42 Prozent statt mit 4,9 Prozent an.
Sollte es Trump ins Weiße Haus schaffen, würde Amerika ein anderes Land. Es würde sich einreihen in die auf Regierungslinie getrimmten, von populistischen Überfiguren gelenkten Staaten wie das Russland Wladimir Putins oder die Türkei Recep Tayyip Erdogans. Was das für die Welt bedeuten würde, will man sich lieber nicht ausmalen.
Von Michale Backfisch
Michael Backfisch war Vize-Chefredakteur der Saarbrücker Zeitung, arbeitete als Washingtoner Bürochef des Handelsblatts, später als Nahost-Korrespondent für die Financial Times Deutschland in Dubai. Heute ist er Leitender Redakteur Politik in der Berliner Zentralredaktion der Funke-Mediengruppe.
POLITIK
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Gefahr für die Demokratie
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