In der Handelspolitik und bei den Menschenrechten gibt es Zweifel
Donnerstag vergangener Woche in Berlin. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der chinesische Ministerpräsident Li Keqiang lächeln sich an, tauschen Höflichkeiten aus. "Wir sehen uns dabei in der Verantwortung, unsere Partnerschaft in den verschiedenen Bereichen auszubauen und uns für eine regelbasierte Ordnung der Welt einzusetzen", sagt Merkel. Sie umwirbt den Gast aus Fernost. Wenige Stunden später gibt US-Präsident Donald Trump bekannt, dass sein Land aus dem Pariser Klimavertrag aussteigen werde, um neue Verhandlungen darüber zu beginnen. Dagegen legen Merkel und Li ein glühendes Bekenntnis zu Klima-Abkommen und Freihandel ab. Viele im Westen blicken nun nach China. Taugt Peking nach den Extra-Touren von Trump wirklich zum neuen strategischen Weggefährten? Nur bedingt.
In der Klimapolitik gibt es vielleicht den größten Hoffnungsschimmer. Hier hat China durchaus Fortschritte vorzuweisen. Noch bläst das Riesenland die mit Abstand größte Menge von klimaschädlichem Kohlendioxid in die Atmosphäre. Nach einer Studie der Netherlands Environmental Assessment Agency war die Volksrepublik 2015 für rund 29 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes verantwortlich. Die USA folgten mit rund 14 Prozent auf Platz zwei, die 28 EU-Länder kamen auf zehn Prozent.
Doch China versucht gegenzusteuern. So ging der Kohleverbrauch von 2013 bis 2016 immer weiter zurück. Auch bei den erneuerbaren Energien setzt das Land auf grüne Quellen. In den vergangenen Jahren sind bereits so viele Solar- und Windkraftanlagen errichtet worden wie im Rest der Welt zusammen. Im Fünfjahresplan bis 2020 sind weitere Investitionen von rund 360 Milliarden Euro vorgesehen.
In der Handelspolitik besteht allerdings ein Missverhältnis zwischen Anspruch und Wirklichkeit. China verkauft sich plötzlich als Weltmacht des Freihandels in großen Teilen zu Unrecht. Nach dem angekündigten Ausstieg Amerikas aus dem Transpazifischen Freihandelsabkommen (TPP) ging Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping in die Offensive: Auf dem Weltwirtschaftsforum im Schweizer Davos Ende Januar präsentierte er sich als neuer Vorreiter im Kampf gegen den Protektionismus.
China ist zwar für die deutsche Exportwirtschaft einer der großen globalen Wachstumsmärkte. Doch es gibt viele Bremsklötze. In einer Umfrage der EU-Handelskammer in Peking beklagte fast jedes zweite Unternehmen, dass sich im vergangenen Jahr das Geschäftsumfeld in China verschlechtert habe. Die europäischen Firmen rügen zum Beispiel, dass sie bei Umweltvorschriften sehr viel strengere Kriterien einhalten müssten als chinesische Betriebe. Bei der Vergabe von Staatsaufträgen hätten sie oft gar keine Chance. Und in Europa häufen sich die Klagen, dass Chinas Unternehmen die Weltmärkte mit Stahl, Kohle und Solaranlagen überschwemmen. Aufgrund von Dumping-Preisen sind sie in der Lage, ausländische Konkurrenten aus dem Markt zu drängen.
Die Chinesen ärgert wiederum, dass die EU die Volksrepublik bis heute nicht offiziell als Marktwirtschaft anerkennt. Solange China dieser Status verwehrt bleibt, können EU-Länder auf chinesische Importgüter Antidumping erheben. Beim Brüsseler Gipfel am vergangenen Freitag bemühte man sich um eine diplomatische Lösung. So will die EU prüfen, ob sie sich künftig nur in Einzelfällen mit neuen Schutzmechanismen gegen Dumping-Praktiken wehren will.
Die Lage bei den Menschenrechten gehört wohl zu den dunkelsten Kapiteln in China. Von der westlichen Wertegemeinschaft vergangener Tage ist der autokratische Staatskapitalismus chinesischer Prägung Lichtjahre entfernt. Die Medien sind gleichgeschaltet, eine Opposition gibt es in dem Einparteien-Staat nicht.
Auch mit Blick auf die internationale Politik ist China kein rundum verlässlicher Partner für den Westen. Wenn sich der UN-Sicherheitsrat mit dem Syrien-Konflikt beschäftigte, enthielt sich Peking regelmäßig. Angesichts der nicht abreißenden Raketentests des nordkoreanischen Diktators Kim Jong-un tut Peking zu wenig, um den wirtschaftlich abhängigen Verbündeten an die Kandare zu nehmen. Deshalb sollte im Verhältnis zwischen Europa und China Pragmatismus Trumpf sein. Peking kann nicht die große Alternative zu Trump-Amerika sein. Doch die Verstärkung einer punktuellen Zusammenarbeit ist richtig und wichtig.
Michael Backfisch
Michael Backfisch war Vize-Chefredakteur der Saarbrücker Zeitung, arbeitete als Washingtoner Bürochef des Handelsblatts, später als Nahost-Korrespondent für die Financial Times Deutschland in Dubai. Heute ist er Leitender Redakteur Politik in der Berliner Zentralredaktion der Funke-Mediengruppe.
POLITIK
Foto: stock.adobe.com / fedorovekb
Nahaufnahme: Ist China ein Partner?
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