Die Münchner Sicherheitskonferenz erhofft sich Aufschluss über die US-Politik.
An diesem Wochenende ist München die Haupstadt der Weltpolitik. Auf der Sicherheitskonferenz in der Isar-Metropole geben sich die Großen und Mächtigen die Klinke in die Hand. Das Nobel-Hotel "Bayerischer Hof" wird zum kosmopolitischen Regierungspalais.
Die Bundesregierung schickt ihre wichtigsten Kabinettsmitglieder: Bundeskanzlerin Angela Merkel, Außenminister Sigmar Gabriel, Verteidigungsministerin Urusla von der Leyen, Innenminister Thomas de Maizière und Finanzminister Wolfgang Schäuble. Die Amerikaner kommen mit ihrem bislang größten Auslandsaufgebot. Vizepräsident Mike Pence führt die Delegation an, die von Verteidigungsminister James Mattis und Heimatschutzminister John Kelly komplettiert wird. Russland ist mit dem ausgebufften Chef-Diplomaten Sergej Lawrow vertreten. Dutzende Spitzenpolitiker aus Frankreich, Saudi-Arabien oder China runden den hochkarätigen Kreis ab.
"Krise" und "Unsicherheit" sind die Schlüsselwörter, die in diesem Jahr durch die Gänge und Hinterzimmer des Tagungshotels wabern dürften. Die zentrale Frage der Sicherheitskonferenz: Was will US-Präsident Donald Trump wirklich?
Der neue Chef im Weißen Haus hat sich mit seiner polternden Art auf der Hitliste der weltweit unpopulärsten Politiker einen Spitzenplatz erobert. Trump hat Foltermethoden befürwortet, die Nato als "obsolet" abqualifiziert, den Brexit als Anfang vom Zerfall der EU gepriesen. Er hat die Presse seines Landes ebenso beleidigt wie die Justiz. Mit seinen "Amerika-zuerst"-Parolen predigte er einen ungestümen Nationalismus. Trump will Mauern bauen und den Freihandel beerdigen. "Bilaterale Deals" heißt das neue Zauberwort der Egoismus wird zur Staatsräson. Trump hat auf dem Sündenregister der politischen Unkorrektheit keinen Fehler ausgelassen.
So verwundert es nicht, dass er vielerorts als Gottseibeiuns der internationalen Politik gilt. Bundestagspräsident Norbert Lammert brandmarkte den 70-Jährigen erst am Montag wieder als "wandelndes Gegenmodell" zur westlichen Werteordnung.
Und dennoch ist der US-Präsident keineswegs der verbissene Dogmenpolitiker, als der er landauf, landab dargestellt wird. Immer häufiger sucht er bei seinen knallharten Positionen nach Hintertürchen, die ihm zumindest die Aussicht auf einen pragmatischen Ausweg ermöglichen.
Beispiel eins: Im Wahlkampf kanzelte er das exportstarke Japan als unfairen Handelspartner ab. Das Land solle für seine Sicherheit in der Nachbarschaft von Nordkoreas nuklearverrücktem Diktator Kim Jong-un gefälligst selbst bezahlen und sich notfalls bitteschön die Atombombe beschaffen. Beim Staatsbesuch von Japans Premierminister Shinzo Abe am Wochenende legte Trump eine 180-Grad-Wende hin. Er lobte den Mann aus Tokio über den grünen Klee und unterstrich Amerikas Sicherheitsgaratie für den treuen Bündnispartner.
Beispiel zwei: Zu Beginn von Trumps Amtszeit konnte Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sein Glück kaum fassen. Die ersten Signale aus Washington verhießen Unterstützung für einen weiteren Ausbau der Siedlungen und sogar die Möglichkeit einer Verlegung der amerikanischen Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem. Beides eine Provokation für die Palästinenser. Doch kürzlich bremste Trump die Euphorie ausgerechnet in einem Interview mit der israelischen Tageszeitung "Israel Hayom": Siedlungen seien nicht hilfreich für den Friedensprozess.
Wie viel Geschmeidigkeit liegt in Trump? Und wie pragmatisch ist die amerikanische Politik? Sowohl Außenminister Gabriel als auch Verteidigungsministerin von der Leyen hatten bereits im Februar Blitz-Trips in die US-Hauptstadt unternommen und sehen Hoffnung. Gabriel traf Vizepräsident Pence und Außenminister Rex Tillerson, von der Leyen ihren Amtskollegen Mattis. Der Tenor der Deutschen: Die amerikanischen Gesprächspartner hätten starkes Interesse an einem Weiterbestand von EU und der Nato.
Die zentrale Frage ist, inwieweit sich Pence und Co. gegenüber Hardlinern wie Trumps Chefberater Stephen Bannon durchsetzen können. Der am Dienstag erfolgte Rücktritt von Sicherheitsberater Michael Flynn ein Iran-Hasser und Russland-Freund könnte ein Indiz dafür sein, dass die gemäßigten Kräfte ein leichtes Übergewicht bekommen. Die Münchner Konferenz soll erste Aufschlüsse hierüber bringen.
Von Michael Backfisch
Michael Backfisch war Vize-Chefredakteur der Saarbrücker Zeitung, arbeitete als Washingtoner Bürochef des Handelsblatts, später als Nahost-Korrespondent für die Financial Times Deutschland in Dubai. Heute ist er Leitender Redakteur Politik in der Berliner Zentralredaktion der Funke-Mediengruppe.
POLITIK
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NAHAUFNAHME: Was will Trump wirklich?
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