Peter Altmaier ist der 21. Chef des Bundeskanzleramtes. Für einige seiner Vorgänger war der Job Sprungbrett für noch Höheres.
Karl Carstens (1. Januar 1968 bis 22. Oktober 1969)
Auch der spätere Bundespräsident Karl Carstens war einst Chef des Bundeskanzleramtes unter Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger. Ein Thema damals war die Erweiterung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG), des Vorgängers der EU. Carstens´ Amtszeit fiel in unruhige Jahre. Auf den Straßen des Landes demonstrierten die Studenten für eine demokratische Uni, führten Spruchbänder mit Slogans wie "Unter den Talaren Muff von 1.000 Jahren" mit sich. Innerhalb der Bundesregierung schickte sich die SPD an, erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik die CDU-Regentschaft abzulösen.
Carstens stand als Vertrauter von Kiesinger damals allerdings auf der anderen Seite. Große Spuren hat er als Kanzleramtschef nicht hinterlassen, möglicherweise war er dafür auch nicht lange genug im Amt. Denn als im Herbst 1969 die Große Koalition zerbrach, verließ er die Politik und ging zurück in die Wirtschaft. Dort war er ursprünglich hergekommen. 1970 wurde Carstens Leiter des Forschungsinstituts der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. 1972 ging er zurück in die Politik und wurde nach mehreren Stationen 1979 zum Bundespräsidenten gewählt. Carstens politische Laufbahn wurde von seiner Mitgliedschaft in der NSDAP überschattet, die vor und während seiner Präsidentschaft für heftige Diskussionen gesorgt hatte. Offensichtlich wirken sie noch heute nach, auf der offiziellen Seite des Bundestages werden die Vorwürfe als "Pressekampagne" bezeichnet. Bundespräsident ist Carstens übrigens auf Drängen Helmut Kohls geworden. Der war erklärter Carstens-Gegner, seit die CSU den Norddeutschen als möglichen Kanzlerkandidaten gegen ihn ins Spiel gebracht hatte. Kohl konnte Carstens so endgültig kaltstellen. Als Bundespräsident ist Carstens viel gewandert und hat dazu deutsche Volkslieder gesungen. Karl Carstens ist 1992 gestorben.
Wolfgang Schäuble (15. November 1984 bis 20. April 1989)
Der aktuelle Finanzminister war fast fünf Jahre die rechte Hand von Bundeskanzler Helmut Kohl. Schäuble war damals auch zusätzlich Minister für besondere Aufgaben. Diese Minister haben zwar keinen Geschäftsbereich, bekommen aber eine Pension. Wirklich etwas zu tun hatten die Minister für besondere Aufgaben nur einmal: 1964 wurde Heinrich Krone Bundesminister für Angelegenheiten des Bundesverteidigungsrates. Auch Altmaier ist aktuell "Minister ohne Geschäftsbereich". Vorgänger Schäuble war damals auch für die Koordination der Deutschlandpolitik verantwortlich obwohl es damals noch einen Minister für "Deutsch-Deutsche Angelegenheiten" gab. Allerdings stand dieser Kanzler Kohl nicht so nahe wie Schäuble. Dessen Aufgabe bestand zudem darin, die damals aufmüpfige Unions-Fraktion zur Ruhe zu bringen. Die vertrat in wichtigen Bereichen eine andere Deutschlandpolitik als die CDU/FDP-Bundesregierung. Wolfgang Schäuble ist seit 1972 Mitglied des Bundestages und damit der dienstälteste Abgeordnete in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Nach seiner Zeit als Chef des Bundeskanzleramtes wurde er zweimal Innenminister. Von 1991 bis 2000 war Schäuble Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und von 1998 bis 2000 Bundesvorsitzender der CDU. 2009 ist der Schwabe Finanzminister geworden. Nach der Parteispendenaffäre 1999 hatte sich sein Verhältnis zu Kohl abgekühlt.
Bodo Hombach (27. Oktober 1998 bis 7. Juli 1999)
Neun Monate hat sich der ehemalige SPD-Wahlkampfmanager als Chef des Bundeskanzleramts gehalten, dann wurde er weggelobt, und viele in der SPD atmeten auf. Hombach galt Ende der neunziger Jahre als Unsicherheitsfaktor. Dabei hatte alles richtig gut begonnen: Hombach galt 1998 als einer der SPD-Strippenzieher, hatte den Machtwechsel von Helmut Kohl zu Gerhard Schröder mit vorbereitet. Doch im Amt selber musste ihm wohl seine eigene Persönlichkeit auf die Füße gefallen sein. Hombach polarisierte, weshalb Teile der SPD frühzeitig gegen ihn rebellierten. Dazu gehörte auch Oskar Lafontaine, Kurzzeitfinanzminister und einer der entschiedensten Gegner von Hombach, und Neukanzler Schröder. Die riefen die "Neue Mitte" aus, eine neoliberale Variante der Sozialdemokratie. Lafontaine hingegen wollte das umsetzen, was die SPD ihren Wählern versprochen hatte: eine soziale Politik. Als das nicht klappte, ging Lafontaine. Weite Kreise der Partei wollten Hombach gleich mitgehen lassen: "Jetzt ist der eine Streithammel weg, nun muss sein Widerpart Hombach auch gehen. Ich verstand diese Logik sogar. Wer sich auf Kämpfe einlässt, muss damit rechnen, danach als nicht mehr tragbar zu gelten", so Hombach Jahre später in der "Zeit". Allerdings schien auch er lernfähig zu sein. "Es ist ein schwerwiegender Fehler, die eigenen Reformen in der Partei nicht auszudiskutieren. Wir haben über unser Konzept der neuen Mitte gegenüber der Basis nicht ausreichend argumentiert", heißt es in dem Interview an anderer Stelle. Nach seiner Zeit im Kanzleramt ging Hombach als EU-Sonderkoordinator des Stabilitätspaktes für Südosteuropa nach Brüssel. 2002 hat er die Politik verlassen, wurde Geschäftsführer der Zeitungsgruppe WAZ in Essen. Heute ist er als Lehrbeauftragter in verschiedenen Hochschulen tätig.
Frank-Walter Steinmeier (7. Juli 1999 bis 22. November 2005)
Auch der jetzige Außenminister hat das Bundeskanzleramt als Sprungbrett für noch höhere Weihen genutzt. Dabei ist seine Amtszeit dort durchaus umstritten. Der frühere Chef des Bundesnachrichtendienstes, Ernst Uhrlau, belastet ihn ziemlich schwer. Uhrlau behauptet, Steinmeier habe von der Spionage des US-Nachrichtendienstes in Deutschland gewusst. Möglich ist das, Steinmeier war damals Leiter der fu?r Geheimdienstkoordination zuständigen Abteilung VI im Kanzleramt. Eine der Hauptaufgaben war damals allerdings, Bundeskanzler Gerhard Schröder den Rücken frei zu halten. "Lafontaine ist geflüchtet, Hombach weg", schrieb der "Spiegel" im Jahr 2002. "Seit Monaten regiert Gerhard Schröder im Wesentlichen mit drei Gehilfen. Mit Doris, der Ehefrau, mit Sigrid Krampitz, seiner Büroleiterin, und Frank-Walter Steinmeier, dem Kanzleramtschef." Erst vor kurzem hieß es im "Münchener Merkur": "Als Chef des Kanzleramts musste Frank-Walter Steinmeier Probleme im Getriebe der Regierung lösen, möglichst, noch bevor sie von der Öffentlichkeit wahrgenommen wurden". Als Kanzleramtsminister hat Steinmeier auch die Politik der SPD nach innen geprägt. Er gilt als einer der Architekten der Hartz-Gesetze, hat parteiinterne Strategiepapiere der SPD zur Reform des Renten- und Gesundheitssystems mit verfasst. Nach sechs Jahren ist Steinmeier dann Außenminister geworden, was er heute erneut ist.
Martin Busche
POLITIK
picture alliance / dpa
Die Vorgänger
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