Joachim Klöckner ist Minimalist. Der 68-jährige Autor und Coach besitzt nur etwa 50 Gegenstände. Der Politik empfiehlt er "mehr parteiübergreifende Projektarbeit".
Herr Klöckner, geht unsere Welt daran zugrunde, dass wir den falschen Dingen nachjagen?
Heutzutage wird unser Selbst definiert durch Konsum. Aber das durch einen Kauf ausgelöste Glücksgefühl dauert nur ganze acht Sekunden. Mittlerweile hat der Konsum als Wirtschaftsfaktor jedoch eine enorme Wichtigkeit. Man befürchtet, dass wir nicht mehr darauf verzichten können. Mit dramatischen Folgen für unsere Ressourcen und die Umwelt. Dazu zählt der Klimawandel. Und am Ende lauert hinter all dem Überfluss doch nur die Leere. Nicht ohne Grund ist die Depression die Volkskrankheit Nummer eins. Dabei könnten wir in Fülle leben, wenn wir mehr Verzicht üben würden.
Fülle durch Verzicht. Wie geht das?
Wir sollten unser Belohnungssystem überdenken. Statt uns Glückshormone über Konsum zu beschaffen, sollten wir auf andere Kriterien achten. Ich persönlich möchte mich nicht über Besitz definieren und mit Unnötigem belasten. Je weniger tote Gegenstände ich besitze, desto mehr Zeit habe ich für Lebendiges. Es gibt ein Leben jenseits der Konsumgesellschaft. Meine Botschaft lautet: Sei Du selbst und gestalte danach Deinen Lebensstil. Nimm Dein Leben in die Hand. Mit wenig Materiellem zu leben, tut nicht nur mir persönlich gut, sondern auch der Umwelt und hilft Energie und Ressourcen zu sparen. Wenn ich Politiker wäre, würde ich fragen "Was wollen die Menschen wirklich?" und dem Raum geben.
Für ein glückliches Leben braucht der Mensch meiner Meinung nach nur folgende drei Qualitäten, über die gleichzeitig auch Wohlfühlhormone ausgeschüttet werden: 1. Selbstsein (Dopamin). 2. Verbundensein (Oxitocin). 3. Kooperieren (Serotonin).
Wichtiger als das Anhäufen materiellen Besitzes sind für die Zufriedenheit des Menschen die Wachstumsbereiche Bildung und Lernen, Kreativität und Innovation sowie Empathie und Mitmenschlichkeit.
Das klingt ja alles sehr politisch ... Haben Sie schon mal darüber nachgedacht, eine Partei zu gründen?
Ich habe das Gefühl, dass es mit unseren Parteien langsam zu Ende geht. Demokratie ist für mich nur die Diktatur der Mehrheit. Weil eine Partei nicht alle Bereiche abdecken kann, wünsche ich mir mehr parteiübergreifende Projektarbeit, welche meiner Meinung nach zu einem optimaleren Ergebnis führen würde.
Interview: Daniela Noack
POLITIK
Michael Brunner
Drei Fragen: Was wollen die Menschen wirklich?
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