François Fillon macht das Rennen bei den Republikanern: ein erzkonservativer, neoliberaler Abtreibungsgegner. Experten erwarten bei den Präsidentschaftswahlen in Frankreich am 7. Mai ein enges Rennen zwischen Front-National-Chefin Marine Le Pen und Fillon.
Der ehemalige "Mitarbeiter" hat das Rennen um die Präsidentschaftskandidatur bei den französischen Konservativen klar für sich entschieden: Der 62-jährige François Fillon hat die entscheidende Stichwahl Ende November gegen den lange Zeit favorisierten und als moderat geltenden Alain Juppé mit 66,5 Prozent deutlich gewonnen. Bereits in der ersten Wahlrunde eine Woche zuvor hatte der wie Phönix aus der Asche auftauchende Fillon, der schon von der politischen Bildfläche verschwunden war, seine Rivalen Alain Juppé und Nicolas Sarkozy in die Schranken gewiesen. Der einstige Premierminister unter Sarkozy, der diesen einmal despektierlich als Mitarbeiter bezeichnete, hat seinen ehemaligen Chef damit wohl für immer ins politische Abseits manövriert. Damit sind die Fronten auf der bürgerlich-konservativen Seite für den Präsidentschaftswahlkampf im April/Mai 2017 geklärt.
Und die Experten und Meinungsforscher sind sich sicher, dass es im nächsten Jahr zum Showdown in der alles entscheidenden Runde um das höchste Amt Frankreichs zwischen der rechtsextremen Marine Le Pen und dem konservativen neoliberalen Fillon kommt. Das linke Lager gilt als zerstritten. Die ehemaligen Wirtschaftsminister Arnaud Montebourg und Emmanuel Macron haben ihren Hut bereits in den Ring geworfen, der derzeitige Premier Manuel Valls gab seine Kandidatur nun bekannt. Der unbeliebte amtierende Präsident Hollande bewahrt sich einen Rest Würde und tritt nicht mehr an. Andere Kandidaten von den Grünen über die Kommunisten bis hin zu diversen Splitterparteien und Organisationen gelten in der ersten Runde allenfalls als bessere Zählkandidaten.
Die große Frage, die sich nun stellt: Schafft es François Fillon in der Stichwahl, genügend Wählerstimmen aus dem linken Lager auf sich zu vereinen, um den für Deutschland und Europa größten anzunehmenden Supergau zu verhindern? Denn sollte der Front National (FN) um Marine Le Pen die Präsidentschaftswahlen in Frankreich gewinnen, wäre das Schicksal der EU besiegelt. Der FN plädiert glasklar für den Austritt aus dem Euro, aus dem Schengen-Raum sowie aus der EU. Zwar haben die unterlegenen Rivalen Juppé und Sarkozy bereits ihre Unterstützung für Fillon angekündigt, aber die Stimmen aus dem bürgerlich-konservativen Lager zu bekommen, dürfte nicht das größte Problem sein.
Die von Hollandes Politik enttäuschten Wählerstimmen einzufangen, könnte dem neoliberalen Fillon schwerfallen. Der aus Le Mans stammende Politiker ist erzkatholisch, ein Verehrer Charles de Gaulles und tritt für republikanische Werte ein. In der Wirtschaftspolitik wird er in den französischen Medien gerne mit der ehemaligen britischen Premierministerin Margaret Thatcher verglichen. Er will Frankreich eine Rosskur sondergleichen verordnen, um das Land nach fünf verlorenen Jahren, wie er sagt, wieder wettbewerbsfähig zu machen. Er scheut nicht davor zurück, "heilige Kühe" zu schlachten, schlägt vor, die 35-Stunden-Woche ohne Lohnausgleich abzuschaffen, das Rentenalter auf 65 Jahre hochzusetzen und den öffentlichen Dienst um eine halbe Million Stellen zu verschlanken. Außerdem möchte er die Umstrukturierung als Entlassungsgrund im Sinne der Arbeitgeber akzeptieren. Gleichzeitig verspricht er eine 30-prozentige Steuer auf alle Kapitaleinnahmen, die Förderung von Start-up-Unternehmen und Steuersenkungen für Privathaushalte und Unternehmen.
Die französische Verwaltung gilt als aufgebläht
Er packt Themen an, an denen sich schon mancher Präsident in Frankreich die Finger verbrannt hat, selbst wenn die Maßnahmen noch nicht einmal so radikal klangen. Mit diesem wirtschaftlichen Hardliner-Programm muss er linke Wähler überzeugen und diese das zeigt die Vergangenheit sind aus Unzufriedenheit zum FN übergelaufen. Nüchtern betrachtet würden viele Deutsche wahrscheinlich sagen, dass diese Wirtschaftsreformen in Frankreich längst überfällig sind und die einzige Möglichkeit bieten, Frankreich wieder flottzukriegen. Schließlich gilt der französische Verwaltungsapparat mit vier Millionen Mitarbeitern im Vergleich zu den europäischen Nachbarn als aufgebläht, das französische Arbeitsrecht in puncto Schaffung neuer Arbeitsstellen als größtes Hemmnis und die 35-Stunden-Woche als nicht mehr zeitgemäß.
Ob unsere französischen Nachbarn das auch so sehen, mag man angesichts der vielen Proteste und Streiks der letzten Jahre nicht so recht glauben. Sollte es zu einem Duell Le Pen gegen Fillon kommen, darf man sehr gespannt sein, ob die unterlegenen Kandidaten aus dem ersten Wahlgang im April nächsten Jahres eine Wahlempfehlung abgeben, nach dem Motto lieber das kleinere Übel zähneknirschend wählen, um das noch Schlimmere zu verhindern. In der Sicherheitspolitik steht Fillon für einen strengen Kurs. Er spricht sich für ein Superministerium des Inneren aus, um die Kräfte im Kampf gegen Terrorismus besser zu bündeln. Rückkehrer aus Syrien und dem Irak will er nicht einreisen lassen, straffällig gewordene Ausländer, die die nationale Sicherheit bedrohen, sofort ausweisen, Aufnahmequoten von Immigranten jedes Jahr durch das Parlament neu verhandeln, die europäischen Außengrenzen durch Verdreifachung des Frontex-Budgets stärker schützen und das Schengen-Abkommen neu verhandeln. Damit könnte er auch bei den Anhängern des FN punkten und den einen oder anderen dazu bewegen, Fillon eine Chance zu geben.
Etwas irritierend kommen für einige Franzosen allerdings die Aussagen zu Putin daher. Er will sich für bessere Beziehungen mit Russland einsetzen und mit dem russischen Präsidenten und der syrischen Regierung kooperieren.
Innenpolitisch gilt Fillon als wertkonservativ. Der aus dem Département Sarthe stammende Fillon ist seit über 30 Jahren verheiratet und hat fünf Kinder. Er besuchte unter anderem eine von Jesuiten geführte Schule und hat die katholische Bewegung gegen Abtreibung und Homoehe unterstützt. In seiner Freizeit ist Fillon Motorsportfan. Wohl mag er deshalb auch gewagte politische Überholmanöver, sollte aber beachten, was sein Vorbild de Gaulle mal über seine Landsleute sagte: Wie soll man ein Land regieren, dass mehr als 350 verschiedene Käsesorten hat? Die sind immer für Überraschungen gut.
Armin Neidhardt