Welche Stadt hat die weltweit höchste Lebensqualität? Glaubt man der Intelligence Unit des Magazins Economist, ist das Ergebnis eindeutig und das schon seit mehreren Jahren. Es ist Melbourne.
Im Sommer 2016 kürte die renommierte EIU (The Economist Intelligence Unit) die zweitgrößte Stadt Australiens zum sechsten Mal in Folge zur lebenswertesten Stadt der Welt. Die Studie bewertete 140 Großstädte nach Kriterien wie Stabilität, Infrastruktur, Gesundheitswesen, Bildung sowie Sport- und Kulturangebot. In der Regel landet die Vier-Millionen-Einwohner-Stadt Melbourne dabei knapp vor Wien. Natürlich ist dieser Vergleich nicht das Maß aller Dinge, beim Mercer Quality of Living City Ranking beispielsweise landete Wien auf Platz eins. Normalerweise vergleicht sich Melbourne auch eher mit dem ewigen Rivalen Sydney. Doch auch Parallelen aber auch Unterschiede zu Wien gibt es en masse.
Melbourne ist eine Stadt mit spiegelnden Wolkenkratzern, viktorianischen Herrenhäusern, weitläufigen Parks und verschachtelten Laneways. Die meisten Panoramabilder der Stadt jedoch zeigen die Skyline, meist Hochhäuser, die rechts und links eines Flussufers gen Himmel ragen. Natürlich ist es nicht die Donau, sondern der ungleich kürzere Yarra River, an dessen Ufern Melbourne gegründet wurde. Immer wieder sind Ruderer auf dem Fluss unterwegs, und einmal jährlich gibt es sogar einen Wasserski-Wettbewerb. Auf einer kleinen Insel sie heißt Herring Island und ist nur wenige Kilometer vom Zentrum entfernt finden sich ein Skulpturenpark und eine Galerie. Man kann mit einer Fähre dorthin übersetzen. Mit der Donauinsel freilich ist Herring Island eher nicht zu vergleichen. Doch der Yarra-Fluss prägt die Stadt. Sightseeing-Boote tuckern darauf zu den River Gardens oder den Docklands, zudem finden sich am südlichen Flussufer angesagte Restaurants. Dennoch: In Sachen Fluss hat Wien insgesamt die Nase vorn.
Der Yarra-Fluss prägt die Stadt
Dafür kann Melbourne mit einem anderen Plus punkten: Vom Federation Square, dem modern gestalteten Zentrum der Stadt, kann man mit der Straßenbahn Nummer 16 bis ans Meer fahren. Der Stadtteil St. Kilda liegt sieben Kilometer südöstlich des Zentrums, dort findet sich ein Strand, der in den Sommermonaten bei Surfern und Sonnenhungrigen gleichermaßen beliebt ist. St. Kilda ist aber auch ein alternatives Boheme- und Backpacker-Viertel, das zum Ausgehen einlädt. In der Acland Street locken mehrere Konditoreien dort kann jeder selbst ausprobieren, ob der Wiener Apfelstrudel oder die australische Pavlova besser schmeckt. In St. Kilda stoßen wir auch auf den Luna Park, einen altmodisch-charmanten Vergnügungspark, den man durch den Mund eines überdimensionalen Gesichts betritt. Im Park finden sich Buden, moderne Fahrgeschäfte, aber auch die älteste durchgängig in Betrieb befindliche Achterbahn der Welt. Das imposanteste Riesenrad der Stadt dreht sich allerdings nicht hier, sondern in den Docklands. Das 2008 erbaute "Melbourne Star" ist 120 Meter hoch und damit nur 15 Meter niedriger als das "London Eye".
Neben dem Luna-Park als Pendant zum Wiener Wurstelprater gibt es in Melbourne natürlich auch ein Gegenstück zum legendären Zentralfriedhof: Der 43 Hektar große Melbourne General Cemetery wurde bereits 1853 eröffnet und ist damit einige Jahrzehnte älter als die Wiener Totenstätte. Gelegentlich werden dort abends auch Touren angeboten. Wer sich in Melbourne gruseln will, hat noch eine andere Möglichkeit: ein Spaziergang mit dem Henker durch das Old Melbourne Gaol. Das jetzige Museum war ehedem ein berüchtigtes Gefängnis, in dem mehr als 130 Menschen hingerichtet worden sind. Darunter auch Ned Kelly, ein australischer Robin Hood, der den Reichen nahm und die Kleinbauern verschonte, und deshalb durchaus populär war. Bevor er dann von 50 Polizisten gefangengenommen wurde, gab es ein spektakuläres Feuergefecht.
Das größte Tram-Bahnnetz der Welt
Eine Ringbahn gibt es in Melbourne übrigens auch. Die Circle Line ist zwar kürzer als ihr Wiener Pendant, dafür fährt man jedoch mit der Tram Nummer 35 auch deutlich günstiger, nämlich kostenfrei. Blickt man auf das gesamte Straßenbahnnetz Melbournes, das außerhalb der Circle Line natürlich nicht gratis verkehrt, ist dieses ohnehin eine Kategorie für sich: Mit einer Länge von 245 Kilometern und mit über 1.800 Haltestellen ist es das größte Trambahnnetz der Welt.
Benannt ist Melbourne nach Lord Melbourne, er war zur Zeit der Gründung der Stadt britischer Premierminister. Von 1901 bis 1927 war Melbourne Hauptstadt beziehungsweise Regierungssitz Australiens. Dann zog die Bundesregierung nach Canberra eine aus dem Boden gestampfte künstliche Stadt, die gebaut wurde, um weder Sydney noch Melbourne zu bevorzugen.
Eine Sisi-ähnliche historische Herrschaftsikone gibt es in der rauen australischen Männerwelt nicht. Melbournes wohl berühmteste Frau heißt Chloé, doch eigentlich ist sie keine Australierin, sondern eine Französin. Ihr Aktporträt kam 1880 nach Melbourne und sollte auf der Melbourne International Exhibition ausgestellt werden, wogegen sich jedoch religiöse Organisationen entschieden wandten. Nachdem auch eine dauerhafte Ausstellung in der Nationalgalerie aufgrund von Protesten nicht möglich war, kaufte ein Hotel- und Barbetreiber das Gemälde und hängte es im Jahr 1909 in seinem Gastraum auf. Der Erfolg war immens, und Soldaten, die in den Ersten Weltkrieg ziehen mussten, schrieben Chloé zum Teil sogar Liebesbriefe. "Ein Drink mit Chloé" war für viele Matrosen und Soldaten Pflichtprogramm, bevor ihr Schiff auslief. Im Jahr 2004, nach fast 100 Jahren im Pub des Young and Jacksons, wurde das Gemälde beschädigt, mittlerweile ist es jedoch wieder rekonstruiert und durch schusssicheres Glas geschützt.
Im Jahr 1956 waren in Melbourne Olympische Spiele, und auch heute ist die Stadt in Sachen Sport ganz vorne mit dabei insbesondere was Tennis, Pferderennen, Automobilrennen und Cricket betrifft. Zu den Höhepunkten des Jahres zählen die Australian Open (Tennis), der Melbourne Cup (Pferderennen) und der Australian Formel-1-Grand Prix. Viele der Sportgelände sind vom wichtigsten Platz des Stadtzentrums, dem Federation Square, zu Fuß zu erreichen. Beispielsweise der Melbourne Cricket Ground (MCG), ein Stadion, das mehr als 100.000 Besuchern Platz bietet und zu den größten der Welt gehört. Melbournes Grand-Prix-Strecke freilich ist etwas außerhalb, der Albert Park Circuit befindet sich im Stadtviertel Port Phillip. Die etwas über fünf Kilometer lange Strecke führt um einen See und zählt zu den schönsten Grand-Prix-Strecken der Welt und sie fungiert außerhalb der Rennsaison als ganz normale Straße.
Von Rainer Heubeck
Allgemeine Infos:
Einreise: Für die Einreise nach Australien braucht man ein kostenloses E-Visitor-Visum. Antrag online unter www.border.gov.au/Trav/Visa-1/651-.Das Visum ist zwölf Monate gültig und berechtigt zu einem Aufenthalt von maximal drei Monaten.
Anreise: Thai Airways bietet täglich Umsteigeflüge von Frankfurt und München über Bangkok nach Melbourne, Reservierung unter Telefon 069-92874444 oder www.thaiairways.de. Zwischen dem gut 25 Kilometer nordwestlich der City gelegenen Tullamarine Airport (melbourneairport.com.au) und dem Zentrum pendelt rund um die Uhr ein Flughafenbus (www.skybus.com.au).
Touren: Lanewaytouren, Kaffee-kultur-Touren und kulinarische Kleingruppen-Touren durch Melbourne.
Organisator: Hidden Secrets-Tours,The Nicholas Building, Suite 13, Level 8, 37 Swanston Street, Telefon +61-3-96633358
tours@hiddensecretstours.com, www.hiddensecretstours.com
Dreistündige Street-Art-Touren mit Künstlern und Fotografen durch den Central Business District (inklusive Blender Studios) beziehungsweise zweieinhalbstündige Street Art Touren in Fitzroy und Collingwood, die auch einen Besuch des Rose Street Artist Market beinhalten (Kosten: jeweils 69 AUD). Veranstalter: Melbourne Street Tours, c/o HQ-Blender Studios, 110 Franklin St
Telefon +61-3-93285556 beziehungsweise +61-416971708
booking@melbournestreettours.com
www.melbournestreettours.com
Geld: Die Landeswährung Australiens ist der australische Dollar. Ein AUD entspricht etwa 0,7 Euro.
Herumkommen: Die City Circle Tram ist kostenlos, für das Sightseeing empfehlenswert ist außerdem der City Tourist Shuttle, ein Bus, der zehn AUD kostet und 13 verschiedene Haltestellen bedient. Eine gute Möglichkeit, zu Sehenswürdigkeiten wie dem Queen Victoria Market, Chinatown, dem Zoo und verschiedenen Parks und Museen zu gelangen, zumal das Busticket zwei Tage lang gültig ist.
Unter www.thatsmelbourne.com.au geben Sie Visitor Shuttle im Suchbereich ein, und schon wird Ihnen eine Auswahl gezeigt. Für sonstige Bus- und Tram-Fahrten benötigt man eine sogenannte myki-Karte (Kosten: sechs AUD plus gewünschtes Guthaben), die beim Ein- und Aussteigen eingescannt werden muss.
Beste Reisezeit: Melbourne hat den Ruf, dass man dort innerhalb eines Tages alle vier Jahreszeiten erleben kann. Im australischen Winter, von Juni bis August, kann es recht kühl werden, besonders gut für eine Reise geeignet sind die Monate von September bis Mai.