French Open ohne die schwangere Serena Williams und ohne Doping-Sünderin Maria Sharapova. Dafür mit der optimistischen Nummer eins Angelique Kerber und Sharapova-"Double" Eugenie Bouchard. Für Gesprächsstoff ist beim legendären Sandplatz-Grand-Slam (bis 11. Juni) gesorgt.
Erst im kommenden Jahr sollen zwei weitere Courts das Grand-Slam-Turnier in Frankreich vergrößern. Noch aber kämpft das kleinste der vier "Majors" im Tenniszirkus um ausreichend Aufmerksamkeit. Kein Wunder, dass die knapp vor dem Event-Start angesetzte Entscheidung, ob die Doping-Sünderin und einstige Top-Ten-Diva Maria Sharapova eine Wildcard für das Großereignis bekommt, mit Spannung erwartet wurde. Der Präsident des französischen Tennis-Verbandes FFT, Bernard Giudicelli, begründete die letztliche Ablehnung eines Freiloses für die zweimalige French-Open-Siegerin im Sinne vieler Spielerinnen: "Ihre Titel kann ihr niemand wegnehmen. Diese hat sie unter Beachtung der Regeln gewonnen. Aber wenn es Wildcards für Comebacks nach Verletzungen gibt, darf es keine Wildcards für Comebacks nach Dopingsperren geben. Sie muss ihre Titel selbst zurückgewinnen."
Der Zwist unter den Damen, ob die Attraktivität der Spielerin für die Show oder ungeschönte Leistung bei den sportlichen Wettkämpfen im Vordergrund stehen sollten, motiviert in dieser Saison manche Lady zur Wiederbelebung ihrer Höchstleistungen. Besonders, wenn es gegen die schöne Russin geht, auf die sich die Kameras trotz oder wegen ihres jahrelangen Konsums eines leistungssteigernden Medikaments, das mittlerweile auf der Dopingliste steht, richten siehe die Querelen zwischen Eugenie Bouchard und Sharapova.
Schon im Vorfeld des auch "Roland Garros" genannten Grand Slams machte Bouchard von sich reden. In Paris könnte die 23-Jährige nach ihren jüngsten Erfolgen an alte "Wunderkind"-Zeiten anknüpfen. Voraus gingen in dieser Saison ihr Halbfinale in Sydney, die dritte Runde der Australian Open, wo sie knapp gegen die spätere Halbfinalistin Coco Vandeweghe ausschied, sowie Siege der Kanadierin über Kerber und Sharapova auf Sand in Madrid. Eugenies Kommentar nach dem fast dreistündigen Match gegen die 30-jährige Russin in Spanien: "Sie spielt wirklich gut bei ihrem sogenannten Comeback
wenn man es so nennen will".
"Sie muss ihre
Titel selbst zurückgewinnen"
Schon mit knapp 20 Jahren wurde Bouchard selbst als künftige Sharapova gehandelt. 2014 war das Jahr der Kanadierin, in dem sie bei den French Open erst im Halbfinale in drei Sätzen gegen die Original-Sharapova ausschied. In Wimbledon kam sie sogar ins Finale. Bis auf Platz fünf der weltweiten Vergleichsliste arbeitete sich die unerschrockene Parallel-Diva vor, die auch perfekt Französisch spricht. Damals ihr Plan: "Ich möchte so schnell wie möglich die beste Spielerin werden, die ich sein kann. Denn eines Tages werde ich aufwachen und 30 Jahre alt sein."
Das mit dem schnellen Aufstieg klappte dann nicht so. Die Trennung von ihrem langjährigen Trainer, ein Sturz mit Folgen in der Umkleidekabine und andere Unwägbarkeiten eines Profilebens kamen dazwischen. Sie warfen Bouchard, auch "Genie" genannt, bis unter die Top 50. Jetzt will sie zurück in die Top Ten.
Das "Genie" sagte 2014 über Sharapova: "Maria war für mich ein Idol, eine Inspiration. Als ich ein Kind war, habe ich sie im Fernsehen gesehen". In Stuttgart, Ende April 2017, sagte Bouchard: "Sie ist eine Betrügerin, und ich denke, dass es keiner Betrügerin in irgendeinem Sport wieder erlaubt sein sollte, ihn auszuüben. Das ist den Spielerinnen gegenüber unfair, die es auf richtigem Wege tun."
Die Russin hatte beim Turnier in Stuttgart ihre 15-monatige Doping-Sperre wie eine bewusst genommene Erholungs- und Lebensgenuss-Pause dargestellt. Die Frage bei einer Pressekonferenz zu ihrem ersten Tennisturnier nach Ablauf der Sperre, welches Medikament sie als Ersatz fürs verbotene Meldonium einnehmen würde, beantwortete die 30-Jährige knapp: "Die Sache betrifft mich, den Tennisverband und meinen Doktor." In einer Zeit, in der tagesaktuelle Durchhänger oder kleine Infekte die Siegeschancen drastisch vermindern, interessiert Chancengleichheit auf dem Platz so einige von Sharapovas Konkurrentinnen.
Auch Caroline Wozniacki, Agnieszka Radwanzka, Dominika Cibulkova und Angelique Kerber kritisierten die Vergabe von Wildcards an eine Spielerin, die wegen Dopings gesperrt worden war. Opfer von Sharapovas Wildcard in Stuttgart war die einstige Gewinnerin des Porsche-Cups, Julia Görges. Die Neu-Regensburgerin war nicht zur Qualifikation angetreten, weil sie zur gleichen Zeit für Deutschland den Erhalt der Weltklasse im Fed Cup mit zwei gewonnenen Einzeln sicherte. Für sie war kein Freilos mehr übrig.
Bei Roland Garros darf Görges zeigen, was sie kann. Bonne Chance gilt hier auch für Angelique Kerber. Durch Serena Williams Babypause wieder zur Nummer eins nach Punkten im weltweiten Ranking geworden, darf die beste Deutsche seit Steffi Graf unbeschwert aufschlagen. Nach ihrem Ausscheiden in der ersten Runde gegen Kiki Bertens im Vorjahr hat Kerber nicht viele Punkte zu verteidigen. Sorgenfrei. Eigentlich. In Madrid musste Angie in der zweiten Runde gegen Bouchard aufgeben, geplagt von einer frischen Oberschenkelverletzung. In Rom angekommen, beeilte sich die 29-Jährige, Bedenken hinsichtlich der French Open zunächst zu zerstreuen: "Ich bin so glücklich, dass es nicht so schlimm war. Eher wie eine Muskelzerrung." Beim italienischen Sandplatz-Turnier erklärte die Kielerin, warum sie in dieser Saison bislang nicht so aggressiv und selbstbewusst wie in ihrem Erfolgsjahr 2016 wirkte. Weit kommen zu wollen, stand ihr ständig vor Augen. Mittlerweile ist Angie zu ihrer Vorjahresstrategie zurückgekehrt: "Ohne Druck, ohne Erwartungen rausgehen, Match für Match spielen und Spaß auf dem Court zu haben." Soweit der Körper mitspielt.
In Madrid musste Angie aufgeben
Comeback auf der Sonnenseite: Bei Laura Siegemund, als WTA-32 die deutsche Nummer zwei, und Julia Görges, Letztere zurück in den Top 50, weisen die Schicksalszeiger wie bei der wieder gesunden Mona Barthel, Tendenz Top 50, im Moment eher nach oben. Siegemund freute sich jüngst über sechs Erfolge nacheinander, inklusive ihres Turniersiegs beim Porsche-Cup in Stuttgart. Ein Riesenerfolg auf Sand für die Metzingerin, die in ihrer zweiten Karriere sehr locker an Turniere herangeht. Zwei WTA-Titel hat die 29-Jährige, die zugunsten eines Psychologie-Studiums ihre Spieler-Laufbahn bereits beendet hatte, nunmehr vorzuweisen. Die Schwäbin spielt frisch und frei, hat vor keiner Gegnerin Angst. Selbst bei Roland Garros.
Auf und Ab: Annika Beck (WTA-66), Carina Witthöft (WTA-80), Tatjana Maria, wieder aus den Top 100 gefallen, und Andrea Petkovic haben aktuell mehr zu kämpfen. "Petko" wurde in Madrid zum Auftakt von einer jungen Französin abserviert, Océane Dodin, und rutschte auf Weltranglistenplatz 78 hinunter. Die 20-jährige Dodin schied erst gegen ihre Landsfrau Kristina Mladenovic im Achtelfinale aus, nachdem sie auch noch die WTA-Fünfte, Dominika Cibulkova, besiegt hatte. Lohn für Dodin: Rang 55 in der weltweiten Zählung und Selbstbewusstsein für den Heimat-Grand-Slam.
Sabine Lisicki arbeitet an ihrem Comeback
An ihrem Comeback nach einer langwierigen Schulterverletzung arbeitet Sabine Lisicki, Nummer 120 im WTA-Ranking. Nach ihrer Blamage bei den French Open im vergangenen Jahr braucht sie einige Aufbauarbeit, bis sie hier wieder selbstbewusst antreten kann.
Simona Halep, 2014 im French-Open-Finale Maria Sharapova unterlegen, holt nach einem schwachen Saisonstart immer weiter auf. Durch ihren Turniersieg in Madrid hat sich die Rumänin auf WTA-Position vier verbessert. Mit ihrer Finalgegnerin, Kristina Mladenovic, einem der Neu-Stars dieser Saison, wird bei Roland Garros ebenfalls zu rechnen sein.
Die internationale Konkurrenz ist mit und ohne Sharapova weiter stark. Für die deutschen Damen sah der Tenniszirkus selten so gut aus. Bis Serena Williams tatsächlich ihr Baby mit in die Spielerbox bei Roland Garros oder einem anderen Grand Slam bringt, steht Angie die Tür weit offen, ihre Führungsposition zu verteidigen. Denn auch den anderen Spielerinnen ist das Glück nicht immer hold. War es auch einer Serena Williams keineswegs. Nur wird das bei einer so langen Karriere und ausgedehnten Erfolgsstrecke schnell vergessen. Serena ist aber die einzige, die sich jetzt nicht einmal mehr selbst Druck macht. Deshalb könnte sie als Rückkehrerin nach ihrer Babypause erneut gefährlich werden. Wenn Serena tatsächlich noch einmal kommt.
Annegret Handel-Kempf