Anderthalb Jahre vor den Winterspielen 2018 in Pyeongchang (Südkorea) kämpft die deutsche Eishockey-Nationalmannschaft Anfang September um die Rückkehr auf die olympische Bühne. Die Erwartungen sind groß: Noch nie standen so viele Spieler aus der weltbesten Liga NHL (National Hockey League) im Team.
Nach Olympia ist vor Olympia: Gerade erst sind in Rio de Janeiro (Brasilien) die Sommerspiele zu Ende gegangen, da richtet sich der Blick schon wieder auf das nächste olympische Großereignis die Winterspiele 2018 im südkoreanischen Pyeongchang. In Riga (Lettland) kämpft die deutsche Eishockey-Nationalmannschaft am ersten September-Wochenende um die Qualifikation für das Olympiaturnier in anderthalb Jahren zu einer Jahreszeit, zu der sich die meisten von uns Eis höchstens am Stiel vorstellen können.
Noch vor Beginn der Vorbereitung zwei Trainingslager
Für das Nationalteam war der Sommer kein Zuckerschlecken. Noch vor dem offiziellen Beginn der Vorbereitung in den Vereinen absolvierten die Nationalspieler zwei Trainingslager in Füssen und Mannheim. Neben Einheiten auf dem Eis standen Krafttraining und Fahrradfahren auf dem Programm, zur Abwechslung gab es einen gemeinsamen Ausflug zum Rafting. "Die Woche war sehr gut. Die Jungs haben trotz des anspruchsvollen Programms gut gearbeitet und die Einheiten diszipliniert durchgezogen", lobte anschließend Bundestrainer Marco Sturm. "Wir haben in dieser Woche nochmals an unserem System gefeilt. Insbesondere für die neuen Spieler war dieser Lehrgang wichtig. Es waren jeweils lange Tage, aber die Spieler haben alles ohne Murren über sich ergehen lassen."
Die Qualifikation für die kommenden Winterspiele ist für den Deutschen Eishockey-Bund (DEB) enorm wichtig. Ein Auftritt auf der olympischen Bühne bedeutet viel Aufmerksamkeit für die Sportart, deren Partien sonst meist auf Spartensendern laufen statt im öffentlich-rechtlichen Fernsehen und damit auch Sponsoren- und Fördergelder. Nach der erfolgreichen WM 2016, bei der Deutschland nach fünf Jahren Durststrecke mit teilweise begeisternden Auftritten endlich wieder das Viertelfinale erreicht hatte, wäre die gelungene Qualifikation zudem ein Signal, dass die Mannschaft nach zuletzt Platz sieben das Potenzial hat, sich dauerhaft im Konzert der Großen zu behaupten. Außerdem wäre ein Erfolg in Riga beste Werbung für die Weltmeisterschaft im nächsten Jahr, die im Mai 2017 in Köln und Paris ausgetragen wird. Der Einzelkartenverkauf startet wenige Wochen nach der Olympiaqualifikation ein gutes Abschneiden dort wäre das beste Marketing, das sich die Verantwortlichen wünschen könnten.
Bei den Olympischen Winterspielen 2014 in Sotschi (Russland) war Deutschland zuletzt nur Zuschauer gewesen. In der Qualifikation scheiterte die Mannschaft des damaligen Bundestrainers Pat Cortina an Österreich und das vor heimischem Publikum in Bietigheim-Bissingen. Es war eine historische Pleite: Zum ersten Mal seit 1948 war der DEB bei Olympia nicht mit einem Männerteam vertreten; lediglich die Frauen retteten in Sotschi als Siebteplatzierte die deutsche Ehre.
Österreich ist auch dieses Mal wieder dabei und am 2. September der zweite Gegner im Qualifikationsturnier. Zum Auftakt geht es tags zuvor gegen Außenseiter Japan, den Abschluss am 4. September bildet dann das Duell mit Gastgeber Lettland als vermeintlich schwerstem Kontrahenten. Nur der Erstplatzierte des Viererturniers löst das Ticket für Pyeongchang. In der Vorbereitung trifft Deutschland zuvor noch auf Frankreich (27. August) und Weißrussland (28. August), ehe die Mannschaft nach Riga aufbricht.
Nur der Erste löst das Ticket für Pyeongchang
Hoffnungsträger in der lettischen Metropole ist ein Mann, der bislang noch kein einziges Länderspiel absolviert hat: Stürmer Tom Kühnhackl, der Sohn von Eishockeylegende Erich Kühnhackl. Mitte Juni gewann der 24-Jährige mit den Pittsburgh Penguins den Stanley Cup in der nordamerikanischen National Hockey League (NHL), die begehrteste Eishockeytrophäe der Welt. Der Landshuter war erst der dritte Deutsche nach Uwe Krupp (1996, 2002) und Dennis Seidenberg (2011), dem dies gelang und das in seiner ersten Saison in der NHL.
Dass er nun nach einer langen und kräftezehrenden Saison in Übersee noch einmal die Schlittschuhe schnürt, um mitzuhelfen den Traum von Olympia wahr werden zu lassen, ist nicht selbstverständlich. In der Vergangenheit musste Deutschland häufiger auf seine NHL-Stars verzichten. Dieses Mal aber sind fast alle mit an Bord: Neben Tom Kühnhackl haben auch Torwart Philipp Grubauer (Washington Capitals), die Verteidiger Korbinian Holzer (Anaheim Ducks), Dennis Seidenberg (Boston Bruins) und Christian Ehrhoff (Chicago Blackhawks) sowie die Stürmer Leon Draisaitl (Edmonton Oilers) und Tobias Rieder (Arizona Coyotes) für die Olympiaqualifikation zugesagt; lediglich Torhüter Thomas Greiss (New York Islanders) wird nicht dabei sein. Eine solche Ansammlung von NHL-Assen gab es im Nationalteam schon lange nicht mehr.
"Ich freue mich unheimlich, im Kreis der Nationalmannschaft zu sein. Es ist eine Ehre hier dabei sein zu können", sagte Tom Kühnhackl bei einer Pressekonferenz während des DEB-Trainingslagers in Füssen. Als Junior trug er zuletzt das Nationaltrikot. "Jedes Jahr wenn irgendetwas bei der Nationalmannschaft war, dann kam die Mannschaft bei der ich gespielt habe so weit, dass ich dann nicht mehr teilnehmen konnte. Und so war es jetzt wirklich seitdem ich 18 Jahre war", erzählte er im Interview auf "deb-online.de". Man merkt dem 24-Jährigen von den Pittsburgh Penguins die Vorfreude an, nun erstmals im Erwachsenenbereich für sein Heimatland aufs Eis gehen zu können.
Es ist die logische Fortsetzung einer Saison in der National Hockey League, deren Verlauf man mit Fug und Recht als Märchen bezeichnen darf. Anfang des Jahres spielte Kühnhackl noch für Pittsburghs Farmteam in Wilkes-Barre und es sah nicht so aus, als würde der Deutsche den Sprung in den Profikader des späteren Meisters schaffen. Zu diesem Zeitpunkt war Kühnhackl bereits seit sechs Jahren in Nordamerika aktiv, seit er 2010 in die dortige Juniorenliga gewechselt war. Doch ein Einsatz an der Seite der großen Stars im Kader der Penguins Sydney Crosby, Evgeni Malkin, Kris Letang, Phil Kessel war ihm bis dahin noch nicht vergönnt gewesen. Doch am 9. Januar, zwölf Tage vor seinem 24. Geburtstag, wurde er von Chefcoach Mike Sullivan ins Team befördert, als Ersatz für den verletzten Flügelspieler Beau Bennett. Ursprünglich sollte Kühnhackl nur ein paar Wochen aushelfen, doch der Landshuter überzeugte auf Anhieb. Bald spielte er regelmäßig mindestens zehn Minuten. Im Februar erzielte er dann sein erstes Tor in der National Hockey League, bis Saisonende ließ er noch sechs weitere Treffer folgen, dazu 13 Torvorlagen. Der Deutsche war damit mitverantwortlich dafür, dass Pittsburgh nach schwachem Saisonstart noch auf einen Playoff-Platz durchstartete und in der K.o.-Runde dann endgültig aufdrehte. Im Finale besiegten die Penguins die San José Sharks deutlich mit 4:2 Siegen. Mike Sullivan sagte über Kühnhackl und einige andere Talente, die ebenfalls den Durchbruch schafften: "Sie bringen so viel neue Energie ins Team." Und Routinier Matt Cullen brachte es wie folgt auf den Punkt: "Sie haben uns einfach zu einem noch besseren Team gemacht."
Im Finale besiegten die Penguins die San José Sharks deutlich
Mit Blick auf das bevorstehende Debüt im DEB-Dress warnte Kühnhackl jedoch vor allzu hohen Erwartungen an seine Person. Er räumte ein: "Die Belastung nach einem kurzen Sommer merke ich schon noch." Zuletzt gab es allerdings noch einmal einen emotionalen Schub, als er Mitte August den Stanley Cup für einen Tag in seiner Heimatstadt Landshut präsentieren durfte. Die Glücksmomente, die er dort getankt hat, dürften ihn auch für das olympische Qualifikationsturnier in Riga beflügeln.
Jan Philip Häfner
INFO: Die Olympiaqualifikation
Modus:
Für die Olympischen Winterspiele 2018 in Pyeongchang sind neben dem Ausrichter Südkorea des Weiteren die besten acht Nationen der Weltrangliste nach der Weltmeisterschaft 2015 direkt für das Olympische Turnier qualifiziert. Das waren: Kanada, Russland, Schweden, Finnland, USA, Tschechien, die Schweiz und die Slowakei. Die restlichen drei Startplätze werden in mehreren Qualifikationsrunden ausgespielt.
Spielplan des Qualifikationsturniers in Riga (Lettland):
1. September
Deutschland Japan
Österreich Lettland
2. September
Deutschland Österreich
Lettland Japan
4. September
Japan Österreich
Lettland Deutschland
Deutschlands Bilanz
bei Qualifikationsturnieren:
1992 direkt qualifiziert
1994 direkt qualifiziert
1998 Oberhausen Platz eins
2002 Ljubljana Platz eins
(Slowenien) (erste Runde)
Oslo Platz eins
(Norwegen) (zweite Runde)
2006 direkt qualifiziert
2010 Hannover Platz eins
2014 Bietigheim- Platz zwei,
Bissingen nicht qualifiziert