Steven Skrzybski gilt als begnadeter Fußballer. Nun zeigt seine Entwicklung nach oben. Auch weil ihn Unions-Trainer Jens Keller in die Pflicht genommen hat.
Eigentlich ist es seit Beginn dieser Saison offiziell damit vorbei, Steven Skrzybski, den schnellen Stürmer des 1. FC Union, als Talent zu bezeichnen. Trainer Jens Keller meint: "Steven hat unheimlich viel Potenzial. Wir alle müssen langsam aufhören, bei ihm von einem Talent zu sprechen. Er hat jetzt ein gewisses Alter. Ich möchte einfach, dass er eine gewisse Reife zeigt." Inzwischen hat Steven Skrzybski vielleicht den Status als Geselle. Jedenfalls ist er nicht mehr aus dem Team wegzudenken.
Schon als kleiner Junge spielte Steven Skrzybski am liebsten mit einem Ball. Vorbild war Vater Peter, der einst bei der Betriebssportgemeinschaft Motor Köpenick kickte und dem Sohn das Fußballgen vererbt hat. Bald meldete der Vater Steven bei der SG Stern Kaulsdorf an. Deren Fußballplätze sind nicht weit vom Zuhause der Skrzybskis entfernt. Besonders günstig: Gleich neben dem Sportgelände liegt ein Badesee.
Bald fiel das Talent des schmächtigen Jünglings auf, und schon im Sommer 2000 kam der achtjährige Steven zum Unionnachwuchs.
Als Zwölfjähriger spielte Steven mit Boné Uaferro, Kilian Pruschke, Oli Hofmann, Lukas Rehbein und Tom Trybull in der Saison 2004/05 in der D-Jugend-Mannschaft, die alle Saisonspiele gewann. Gemeinsam gingen sie den Weg bis zur A-Jugend und zum Teil in die Zweite Mannschaft von Union. An diese Zeit in der Kickerjugend erinnert sich Skrzybski gern. Damals gab es noch keinen Druck. Fußball spielen war ein Vergnügen."
"Das ist vielleicht der Grund, warum ich versuche, mich an diese Zeit zurückzuerinnern. Als es einfach nur Spaß war, und niemand darüber nachdachte, wie viel Geld er verdienen könnte oder über Zuschauer oder so, sagt er. In dieser D-Jugend-Mannschaft gab es durchaus versiertere Spieler als Skrzybski. Über den Abwehrspieler Boné Uaferro hieß es zum Beispiel, er sei das größte Fußballtalent der Stadt überhaupt.
Bald trennten sich auch die Wege dieser. Skrzybski ist der Einzige von diesem Team, der noch bei Union spielt. Und damit ist er nun der dienstälteste aktive Unioner und auch der, der von seinen Jugendgefährten auf dem höchsten Level spielt. Dabei war Stevens Weg nach oben recht verschlungen. Besonders schlimm war die Zeit, als er mal in der Profimannschaft, mal in der U23 spielte. Das Pendeln zwischen Regionalliga und Zweiter Liga kann einen jungen Spieler durchaus verzweifeln lassen. Bitter war zum Beispiel das erste Derby gegen Hertha Skrzybski war nicht aufgestellt.
Dabei hatte Skrzybski sein Debüt im Profiteam schon am 13. November 2010 gegeben, als der damalige Trainer Uwe Neuhaus ihn in der 83. Minute in einem schlechten Spiel gegen den FSV Frankfurt einwechselte. Am Ende stand eine 1:2-Niederlage. Es vergingen noch gut zweieinhalb Jahre, bis Skrzybski sein erstes Tor in der Zweiten Liga schoss: am 19. Mai 2013 in der 55. Minute beim 2:1-Sieg in Bochum.
Wichtig für Steven ist seine bodenständige Art. Er wuchs in einer Bäckerei mit angeschlossenem Café auf. Da lernte er schon früh, Dinge zu machen, die weniger Spaß bringen als den Ball ins Netz zu dreschen. Teller und Tassen waschen zum Beispiel.
Vom Tellerwäscher
zum
Fußball-Profi
Für die Chance, sein Hobby zum Beruf zu machen, ließ er manches sausen, was gerade in Berlin bei seinen Freunden angesagt war: Party, Alkohol, Zigaretten ... "Ich wusste in der D-Jugend, dass ich Fußball-Profi werden will. Deshalb schlug ich all das aus. In dem Wissen, dass ich später nie sagen wollte: Deshalb habe ich es nicht geschafft.
Und noch eins kommt hinzu: der für Union so typische Mannschaftsgeist. Sie nennen sich zwar die Eisernen, aber in der Praxis herrscht eher eine familiäre Atmosphäre im Verein sofern das in einem Profi-Team möglich ist. Torsten Mattuschka, der Unioner, dem der eiserne Anhang ein Lied gedichtet hat, war damals der Mentor für Skrzybski, den spacken Burschen aus Mahlsdorf. Auch Karim Benjamina, in jenen Jahren der Stürmerstar bei Union, stand immer mit guten Ratschlägen und praktischen Tipps an seiner Seite. "Ich hatte Glück, dass ich gut von den anderen im Team unterstützt wurde. Ich zeigte ihnen gegenüber Respekt, und sie kümmerten sich um mich.
Trotzdem galt Skrzybski lange als das "ewige Talent". Es schien, als könne ein Windhauch den schmalen Kerl dahinwehen. Und vor dem Tor versagten ihm meist die Nerven. Dabei schoss er im Training die unmöglichsten Tore. Doch Trainingsweltmeister ist kein Titel. Skrzybski merkte, dass er mehr machen musste. Nach dem Training schob er Extraschichten, besonders mit Gewichten. Das kam gut an bei den Trainern.
André Hofschneider, der damalige Co-Trainer, war es, der Neuhaus davon überzeugte, Skrzybski eine Chance zu geben. Und als Hofschneider in der turbulenten Saison 2015/16 unvermittelt amtierender Cheftrainer wurde, setzte er voll auf den nun sowohl körperlich als auch psychisch stabilen Stürmer. Plötzlich kamen neben guten Vorlagen auch die Tore dazu. Seit im vergangenen Sommer Jens Keller die Mannschaft übernahm, zählt Steven Skrzybski unumstritten zum Stammpersonal.
Skrzybski, der meist auf Rechtsaußen spielt, ist kein klassischer Torjäger, vergibt auch immer mal klare Chancen wie zum Beispiel beim DFB-Pokal in Dortmund. Dafür trifft er oft auf ungewöhnliche Art. "Wenn ich keine Zeit zum Nachdenken habe, dann ist es am besten. Und wenn der Ball im Netzt ist, fühlst du dich drei Meter groß", sagt Skrzybski. "Nichts ist damit zu vergleichen."
Ein besonderer Erfolg gelang Skrzybski in diesem Januar im Trainingslager in Oliva Nova. Es ging um 1.000 Euro. Markus Stoll, einer der besten deutschen Footvolley-Nationalspieler und guter Freund von Jens Keller, ging die Wette ein, dass niemand aus dem Unionteam ihn in seiner Disziplin schlagen könnte. Seit Jahren sei er ungeschlagen. Steven Skrzybski indes ist bei den Köpenickern der Star im Fußballtennis. Er schaffte die Sensation: Mit einem eindeutigen 15:5 besiegte Skrzybski den Footvolley-Profi und gewann zwei 500-Euro-Scheine für die Mannschaftskasse.
Mit Union befindet sich Steven Skrzybski im Moment in einem der spannendsten Aufstiegskämpfe der Zweiten Liga. Nur wenige Punkte trennen Stuttgart, Braunschweig, Hannover und Union im Endspurt der Saison. Das große Ziel so nahe gewiss ist es diese ungewohnte Situation, die auf die Spieler drückt. Auch daher gab es wohl zuletzt eine Schwächeperiode. Doch vielleicht beißt sich Skrzybski wieder einmal gemeinsam mit seinen eisernen Kameraden durch am Ende könnte da mehr stehen als eine gewonnene 1.000-Euro-Wette.
Hajo Obuchoff