Die World Games sind die "Olympische Spiele der nicht-olympischen Sportarten" und eine der größten Sportveranstaltungen der Welt. Bei der diesjährigen Auflage in Breslau werden 186 deutsche Sportler am Start sein. Vier von ihnen stellen wir an dieser Stelle vor.
Tobias Koch,
Fallschirmspringen
Eigentlich ist Fallschirmspringen für das, was Tobias Koch macht, die falsche Bezeichnung. Fallschirmfliegen trifft es eher. In der noch jungen Disziplin Canopy Piloting (auch Swooping genannt) springt der Bochumer aus einem Flugzeug ab und beschleunigt durch eine Drehung so stark, dass er mit bis zu 150 Kilometern pro Stunde über eine Wasserfläche schießt so schnell, so weit und so präzise wie möglich. Es geht also nicht darum, was er macht, bevor er den Schirm öffnet, sondern um das, was danach passiert.
Canopy Piloting ist spektakulär, aber auch nicht ungefährlich. Sie verlangt den Sportlern alles ab: körperliche Fitness, Konzentration und eine maximale Beherrschung des Schirms. Dieser ist nur etwa halb so groß wie ein normaler Fallschirm Koch bezeichnet ihn als "Handtuch". Es braucht schon die Erfahrung von mehreren Tausend Sprüngen, bevor man sich erstmals an diese Herausforderung heranwagt. "Sebastian Vettel ist schließlich auch nicht gleich in ein Formel-1-Auto gestiegen", sagt Tobias Koch.
Bei der Bundeswehr unternahm der 40-Jährige einst seine ersten Sprünge mit dem Fallschirm. Heute zählt er zu den besten Luftsportlern in Deutschland. Bei den World Games geht er in vier Disziplinen an den Start: Speed, Distance, Accuracy seine Paradedisziplin, in der er 2016 deutscher Meister war und Freestyle. Distance gewinnt, wer nach Durchfliegen einer Lichtschranke die weiteste Strecke zurücklegt. In der Disziplin Speed zählt die schnellste Zeit zwischen zwei Lichtschranken; bei Accuracy müssen die Fallschirmspringer die Wasserfläche an vorgegebenen Stellen berühren. Und beim Freestyle zeigen die Athleten in Bodennähe spektakuläre Tricks.
Lukas Schubert, Faustball
Würde man bei den World Games sein Geld auf eine deutsche Goldmedaille setzen wollen: Faustball wäre wohl die sicherste Wahl. Allerdings dürfte die Quote auf einen deutschen Sieg auch eher gering ausfallen. Deutschland gewann fünf der acht Turniere, ist zudem amtierender Welt- und Europameister. "Egal, wo wir antreten: Unser Ziel ist immer der Titel", sagt Nationalspieler Lukas Schubert vom VfK Berlin. Das letzte Turnier, das die Deutschen nicht gewonnen haben, war die EM 2012 dort siegte die Schweiz, Deutschland wurde Dritter. Seitdem wurde bei jedem großen internationalen Turnier bei der Siegerehrung die Hymne der Bundesrepublik gespielt.
50.000 aktive Faustballer gibt es in Deutschland, mehr als in jeder anderen Nation. "Die Vereine leisten hervorragende Arbeit", lobt Schubert. Der 29-Jährige ist seit 2011 fester Bestandteil des Nationalteams und mit seiner Finesse und Variabilität im Angriff zusammen mit dem schlagstarken Patrick Thomas (TSV Pfungstadt) für die Punkte verantwortlich. "Um ein guter Faustballer zu sein, braucht man Kraft und Kreativität, Ballgefühl und Kondition", erklärt Schubert.
Die Sportart stammt ursprünglich aus Südeuropa. Bereits die Römer spielten Faustball, das damit zu den ältesten Sportarten der Welt gehört. Das Spiel erinnert an Volleyball: Genau wie dort muss jede Mannschaft den Ball nach maximal drei Kontakten wieder ins gegnerische Feld zurückspielen. Allerdings wird unter freiem Himmel gespielt, und das Spielfeld ist mit 50x20 Metern deutlich größer.
Jan Hojer, Sportklettern
Zum ersten und zugleich einzigen Mal bietet sich für Sportkletterer Jan Hojer in diesem Jahr die Gelegenheit, bei den World Games zu starten. Seine Disziplin Bouldern wird 2017 erstmals ausgetragen. Weil Klettern jedoch 2020 in Tokio (Japan) olympisch wird, verschwindet die Sportart bald schon wieder aus dem Programm der World Games. Für Hojer hat der Wettkampf in Breslau deshalb auch nicht die große Bedeutung wie für die meisten anderen Sportler bei dieser Veranstaltung für ihn ist die Heim-EM Mitte August in München wichtiger.
Bouldern: Das ist Klettern in Absprunghöhe ohne Seil. Es ist eine von drei Disziplinen im Klettern die beiden anderen sind Lead (es gewinnt derjenige, der eine Route am höchsten klettern kann) und Speed (hier entscheidet die Geschwindigkeit). Vor fünf Jahren musste Jan Hojer noch jedem erklären, was genau er eigentlich macht, doch mittlerweile gebe es ein einigermaßen gutes Verständnis für den Sport. Der entwickelt sich rasant und wird immer spektakulärer: Um erfolgreich zu sein, reiche es mittlerweile nicht mehr, einfach nur athletisch zu sein, so Hojer. "Es schadet ganz sicher nicht, einen turnerischen Hintergrund zu haben, um die immer schwierigeren Bewegungsmuster zu erschließen."
Bislang ist er vor allem dafür bekannt, dass er erfolgreich an der TV-Show "Ninja Warrior Germany" teilgenommen hat. Doch auch seine sportlichen Erfolge können sich sehen lassen: 2014 war der 25-Jährige WM-Dritter und Gesamtweltcupsieger, 2015 dann Europameister. Der Kölner ist einer der wenigen Profikletterer auf der Tour: "Ich möchte für meine Kletterleistungen bekannt sein und nicht dafür, dass ich durch irgendwelche Parcours gerannt bin."
Simon Rösner, Squash
Auf Aufnahme ins olympische Programm hoffen auch die Squashspieler. Bereits drei Mal, für 2012, 2016 und 2020, stand die Sportart zur Auswahl, wurde vom IOC aber jedes Mal abgelehnt. Simon Rösner, Deutschlands bester Squashspieler vom Paderborner SC, kann das nicht verstehen: "Wer Squash kennt, der weiß, was für eine geile Sportart es ist", sagt er. Dynamisch, intensiv, schnell. Manche sagen: zu schnell dass der Ball für die Zuschauer schwer zu erkennen ist, soll ein Argument gewesen sein, weshalb es Squash bislang nicht zu Olympia geschafft hat. Rösner lässt das nicht gelten. "Beim Eishockey kann ich den Puck auch nicht erkennen", sagt er.
Die World Games in Breslau sind seine dritten. Vor vier Jahren in Cali (Kolumbien) war er bereits Zweiter, dieses Mal ist das Ziel die Goldmedaille. Rösner ist an Nummer eins gesetzt, auch weil einige der besten Spieler aus Frankreich, England und vor allem Ägypten auf eine Teilnahme verzichten. Die Ägypter dominieren auf dem Court, ähnlich wie die Chinesen im Tischtennis. Squash ist dort Volkssport, es gibt Tausende talentierte Spieler, selbst im Jugendbereich. Rösner musste dagegen schon als Jugendlicher ins Ausland fahren, um gleich starke Gegner vorzufinden. Zwar erlebte Squash in den 90er-Jahren einen Boom, als im ganzen Land Courts eröffneten, doch die Zahl derer, die die Sportart als Leistungssport ausüben, ist überschaubar geblieben.
Simon Rösner hofft, dass ein möglicher Erfolg bei den World Games eine erneute Welle der Begeisterung auslösen könnte. So wie damals im Tennis nach dem Wimbledon-Sieg von Boris Becker. Und vielleicht klappt es dann ja doch noch irgendwann mit Olympia. Auch wenn der 29-Jährige dann selbst schon zu alt sein wird.
Jan Philip Häfner
INFO:
Die World Games werden auch als "Olympische Spiele der nicht-olympischen Sportarten" bezeichnet. Sie finden seit 1981 alle vier Jahre unter der Schirmherrschaft des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) statt, jeweils im Jahr nach den Olympischen Sommerspielen. Ausrichter ist der Internationale Verband für Weltspiele (IWGA). Eine Besonderheit der World Games ist, dass für die Wettkämpfe bereits bestehende Einrichtungen genutzt und nicht wie bei Olympia Milliarden für neue Sportstätten investiert werden. Einige der Disziplinen waren einst olympisch, so zum Beispiel Tauziehen. Andere Sportarten wiederum wie etwa Triathlon gehörten früher einmal zum Programm der World Games, ehe sie es zu den Olympischen Spielen schafften.
In diesem Jahr finden die Spiele in Breslau in Polen statt: Vom 20. bis 30. Juli gehen dort rund 3.500 Sportler an den Start. Deutschland war mit Karlsruhe (1989) und Duisburg (2005) bereits zweimal Gastgeber der World Games. Auch die Spiele 2013 sollten ursprünglich in Duisburg und Düsseldorf stattfinden, doch Duisburg zog später aufgrund einer Haushaltssperre zurück. Für 2021 wurden die World Games nach Birmingham im US-Bundesstaat Alabama vergeben.
33 Sportarten werden in Breslau ausgetragen. Artistik und Tanzsport: Akrobatik, Aerobic, Rollschuhkunstlauf, Tanzen, Rhythmische Gymnastik und Trampolin; Ballsport: Beachhandball, Faustball, Floorball, Kanupolo, Korfball, Lacrosse, Rugby und Squash; Kampfsport: Ju-Jitsu, Karate, Muaythai und Sumo; Präzisionssport: Bogenschießen, Billard, Boules und Bowling; Kraftsport: Kraftdreikampf und Tauziehen; Trendsport: Fallschirmspringen, Flossenschwimmen, Frisbee, Inlinehockey, Rettungsschwimmen, Orientierungslauf, Inline Speedskating, Sportklettern und Wasserski/Wakeboard. Hinzu kommen vier Einladungssportarten: American Football, Kickboxing, Indoor-Rowing und Speedway.
Deutschland stellt mit 186 Athleten erneut eines der größten Teams. Bei den vergangenen World Games 2013 in Cali (Kolumbien) hatte die deutsche Mannschaft insgesamt 30 Medaillen gewonnen: 15 Mal Gold, sieben Mal Silber und acht Mal Bronze. Mit vier Gold- und einer Silbermedaille war Rettungsschwimmer Marcel Hassemeier der erfolgreichste Athlet der Spiele. Beste Nationen waren Italien (49 Medaillen, davon 18 Mal Gold), Russland (53) und Frankreich (40).