Die Formel 1 startet nach einer vierwöchigen Sommerpause an diesem Sonntag (28. August) in Belgien in die zweite Saisonhälfte. Die WM wird sich in den verbleibenden neun von 21 Grand Prix zwischen den Mercedes-Alphatieren Lewis Hamilton und Nico Rosberg entscheiden. Doch was ist bloß mit der dritten Kraft Ferrari los? FORUM gibt Antworten.
Sternfahrer-Star Hamilton hat sich nach dem Hockenheim-Grand-Prix als "Halbzeitmeister" in die August-Sommerpause verabschiedet. Kaufen kann er sich für diesen Titel nichts. Und doch ist der Titel eines Halbzeit-Champions in der Formel 1 nicht ganz unbedeutend. In der Statistik ist aufgeführt, dass bereits 49 Mal in 66 F1-Jahren der Halbzeitmeister am Saisonende auch Weltmeister wurde. Kein gutes Omen für den WM-Zweiten Nico Rosberg? Muss der Teamkollege von Hamilton die Hoffnung auf seinen ersten WM-Titel schon in den Wind schreiben?
Zahlen und Statistiken lügen zwar nicht, entsprechen aber auch nicht immer der ganzen Wahrheit. Nur zehn Mal hat der WM-Zweite in der Halbzeit den Titel für sich entscheiden können. Und nur sieben Mal wurde ein Fahrer Weltmeister, der zur Halbzeit nicht Erster oder Zweiter war. Unter anderem die Champions, die es von Platz drei bei Halbzeit am Ende noch auf den Thron schafften: Juan Manuel Fangio (1956/Ferrari), sowie Kimi Räikkonen (2007/Ferrari) und zweimal Sebastian Vettel (2010 und 2012/Red Bull). Spannend ist auch ein Blick auf die WM-Zweiten bei Halbzeit. 23 Fahrer von ihnen wurden nie Weltmeister. Besonders tragisch dabei lief es für Vettels Stallkollege Mark Webber. Der 2010 zur Halbzeit führende Australier war drei Mal auf Platz zwei liegend in Lauerstellung. Doch sein Traum vom Titel war am Ende jedes Mal nur eine Seifenblase. Doch an dieser Stelle genug der Statistik mit einem Halbzeit-Fazit: Derzeit spricht sie eindeutig gegen Rosberg. Obwohl der Deutsche in der ersten Saisonhälfte mehr Führungskilometer (1.521) abgespult hat als der Brite (1.381), scheint sein ungeliebter Teamkollege auf dem besten Weg, der 50. Halbzeit-Champion zu sein, der die Führung nicht mehr abgibt.
Und dabei war es ausgerechnet Hamilton, der einen miserablen Start in diese Saison hatte. Erst im sechsten Rennen im Straßenklassiker von Monte Carlo war der Bann gebrochen, sein erster Saisonsieg unter Dach und Fach. Teamkollege Nico Rosberg hatte in den ersten vier Rennen dominiert, nach dem Barcelona-Grand-Prix lag er mit 43 Punkten vor Hamilton. Doch dann begannen die Hamilton-Festspiele. Sechs Siege hat der Mercedes-Star in den vergangenen sieben Rennen eingefahren. Den Rückstand von einst 43 Punkten auf Rosberg hat er in einen Vorsprung von 19 Zählern umgewandelt (217:198). Ein ziemlich starkes Stück, das der Champion da aufgeführt hat. Aber noch ist nicht aller Tage Abend. Hamilton muss noch in dieser Saison eine Motorenstrafe absitzen und vom Ende der Startaufstellung losfahren. Das könnte schon in Francorchamps oder in Monza sein. Doch derzeit liegt das Momentum klar auf der Seite Hamiltons, der unbeirrt in Richtung dritter WM-Titel in Folge eilt. Er könnte sich dann nach 2008 zum vierten Mal als F1-Champion die Krone aufsetzen.
Seit der Einführung der neuen Generation der V6-Hybrid-Antriebe zur Saison 2014 dominierte der schwäbische Mercedes-Werksrennstall unter britisch-österreichischer Führung die Königsklasse nach Belieben, gewann 43 von 50 Rennen. Mercedes fährt weiter auf einem anderen Stern. Hier muss noch einmal das Zahlenspiel kurz fortgeführt werden: In vier Jahren als Teamrivalen (seit 2013) holte die Fahrerpaarung Hamilton/Rosberg in Russland ihren 25. Doppelsieg. Damit schlugen sie den bisherigen Rekord von 24 Doppelerfolgen, den Michael Schumacher und Rubens Barrichello in ihrer gemeinsamen Zeit bei Ferrari zwischen 2000 und 2005 aufgestellt hatten. Sollte 2016 das letzte Jahr der Mercedes-Dominanz sein, "dann will ich absolut sicher sein, dass ich das Beste heraushole und wir uns keine Pause mehr gönnen", so Hamilton.
"Die schießen sich selbst ins Knie"
Doch die Sommerpause gönnte sich der WM-Führende noch ausgelassen und ausschweifend. Über seine Social Media Kanäle ließ der Weltenbummler seine Fans wissen, dass er Karneval auf Barbados feierte und ließ sie an der ausgelassenen Party-Stimmung teilhaben: "Das ist der beste Tag des Jahres." Allzu sehr krachen lassen wollte es der Lebemann aber diesmal nicht schließlich war Erholung angesagt. Auch die heiligen, eiligen Werkshallen mussten zwei Wochen ihre Pforten schließen. "Wir brauchen alle eine Pause. Ich nehme meine Hunde mit, meine Familie und Freunde", twitterte Hamilton.
Bedeutend ruhiger dagegen ließ es Familienmensch Rosberg angehen. Gemeinsam mit seiner Frau Vivian und Töchterchen Alaia lud der Wiesbadener und heutige Wahl-Monegasse seine Akkus auf seiner Finca auf Ibiza auf, auf der seine Frau eine Eisdiele besitzt. Fakt ist: Nicht nur die Mercedes-Verantwortlichen, auch wir dürfen uns für den Rest der Saison auf das Duell der beiden rasenden Egozentriker freuen, die sich weiter zu Höchstleistungen antreiben werden und mit dem Messer zwischen den Zähen um den WM-Titel kämpfen werden.
Von einem WM-Titel ist Ferrari meilenweit entfernt. Die Farbe Rot ist blass. Von der Dominanz zu Beginn des Jahres ist nicht viel übrig geblieben. Niki Lauda über den italienischen Renommier-Rennstall: "Die schießen sich selbst ins Knie." Ferrari dreht sich im Kreis. Im Team dominiert das "grande casino" das große Durcheinander. Rennleiter Maurizio Arrivabene gibt zu: "Wir haben fünf Ausfälle, viel Pech durch äußere Einflüsse gehabt und verkehrte taktische Entscheidungen getroffen." Durchhalteparolen hat der ergraute Teamchef aber ebenfalls parat: "Obwohl das Potenzial da ist, haben wir es nicht so oft geschafft, es abzurufen. Wir müssen nach vorne schauen, nicht rückwärts. Dass Red Bull jetzt so viel schneller geworden ist, ist kein Drama. Unsere Zielscheibe heißt Mercedes."
Heilsbringer Sebastian Vettel, der Gute-Laune-Mann, der 2015 immer ein Lächeln, immer einen guten Spruch auf den Lippen hatte, ist 2016 wortkarg, bissig, dünnhäutig, frustriert, angefressen. Verständlich, wollte er doch um Siege und den WM-Titel mitfahren. In diesem Jahr sind Vettel (WM-Fünter/120 Punkte) und Teamkollege Kimi Räikkönen (WM-Vierter/122 hinter Daniel Ricciardo, Red Bull/133) noch sieglos. Der letzte Ferrari-Triumph durch Vettel in Singapur 2015 liegt 18 Rennen zurück. Dennoch blickt der Hesse optimistisch in die Zukunft: "Die Niederlagen der letzten Rennen haben uns die Augen geöffnet. Wir haben Vertrauen in unser Auto und wissen jetzt, wo unsere Schwächen liegen." Die Roten (242 Punkte) sind nach Hockenheim hinter den Silbernen (Mercedes/415) und den Dunkelblauen (Red Bull/256) nur noch dritte Kraft.
Die sieben Kilometer lange Berg- und Talbahn in den belgischen Ardennen spricht zumindest für die heutigen Ferrari-Piloten. Räikkönen gewann gleich vier Mal (2004, 2005, 2007, 2009) und Vettel zwei Mal (2011, 2013). Mercedes-Star Hamilton war ebenfalls zwei Mal erfolgreich, 2010 und 2015.
Walter Koster