Er ist 17 Jahre jung und gehört dennoch seit dieser Saison zum Stammpersonal von Bayer 04 Leverkusen. Kai Havertz hat das geschafft, wovon viele Jugendliche nur träumen können: den Durchbruch im Profi-Fußball. Denn trotz seines
Alters ist der Youngster schon verdammt weit.
Unterstreichen, auf Karteikarten schreiben und lernen, lernen, lernen. So sieht momentan der Alltag von Kai Havertz unter der Woche aus. Der 17-Jährige bereitet sich auf das Abitur vor. Leistungsfächer Deutsch und Sport. Nicht gerade die lernintensivsten Fächer, aber ein bisschen pauken muss Havertz dann doch. Vor allem muss er sich am Schreibtisch zu Hause voll und ganz auf die Schule konzentrieren. Und darf nicht daran denken, was ihm am Nachmittag wieder auf dem großen Flutlicht-beleuchteten Platz von Bayer Leverkusen erwartet. Training heißt es dann mit der Bundesligamannschaft von Bayer.
Seit Beginn dieser Saison gehört Havertz zum Leverkusener Profi-Team. Zuvor konnte er seine Fähigkeiten schon im Sommer-Trainingslager unter Beweis stellen. Die Bayer-Verantwortlichen waren begeistert von dem gebürtigen Aachener. Technisch hervorragend, sprintstark, dynamisch und beweglich ist Havertz all das, was man sich im 21. Jahrhundert von einem Fußballprofi wünscht. Dazu kommt, dass Havertz ein gutes Kopfballspiel hat und auch noch beidfüßig unterwegs ist. Nicht ohne Grund betonte Leverkusens Kapitän Lars Bender erst vor Kurzem: "Ich glaube, ich habe schon in seiner ersten Trainingswoche gesagt, dass das so ziemlich der kompletteste 17-Jährige ist, den ich je erlebt habt."
Was den Jungspund außerdem neben seinen Fähigkeiten auf dem Platz auszeichnet, ist seine Ruhe. Der Nachwuchskicker besitzt für sein Alter schon eine enorme Reife. Von dem Hype um seine Person lässt sich der 17-Jährige nicht anstecken. Und das ist momentan gar nicht so leicht. Denn Havertz wird gelobt, egal bei wem man sich umhört. Es ist aber auch verständlich denn seine Karriere nahm innerhalb kürzester Zeit richtig an Fahrt auf. Erst im vergangenen Sommer hat Havertz einen Profi-Vertrag unterschrieben, nachdem er zuvor fast alle Jugendmannschaften bei Leverkusen durchlaufen hatte. Als Zehnjähriger war der Nachwuchskicker aus seiner Geburtsstadt Aachen zu der Werkself gewechselt. Dort gehörte Havertz immer zu den Besten. In der Saison 2015/16 wurde er mit der B-Jugend Deutscher Meister. Der Youngster steuerte damals 19 Tore zum Titel bei.
Völler zieht Vergleich mit Mesut Özil
Leverkusens Ex-Trainer Roger Schmidt soll den Jungspund laut der "Rheinischen Post" deshalb wohl schon seit seinem Amtsantritt auf dem Schirm gehabt haben. Am siebten Spieltag dieser Saison bekam Havertz dann zum ersten Mal die Chance, sein Können auch in der Bundesliga unter Beweis zu stellen. Gegen Werder Bremen wurde der 17-Jährige eingewechselt. Damit ist er der bisher jüngste Spieler der Bayer-Geschichte. Im Sommer hat Havertz zudem die Fritz-Walter-Medaille in Silber für besonders talentierte Nachwuchsspieler erhalten.
Andere würden unter dieser Last vielleicht gehemmt spielen, nicht aber Havertz. Der etablierte sich im Bundesliga-Team von Leverkusen und stand deshalb noch in der Hinrunde mehrfach sogar in der Startelf. Dabei war es ein Vorteil, dass Havertz sehr flexibel einsetzbar ist. Egal ob auf dem Flügel, im defensiven Mittelfeld oder in der Offensive der 17-Jährige kann auf mehreren Positionen ohne Probleme kicken. Seine Sternstunden erlebte er dann nach der Winterpause. Dabei profitierte er davon, dass Hakan Calhanoglu, der normalerweise bei Leverkusen gesetzt ist, für den Rest der Saison gesperrt wurde. So war quasi ein Stammplatz für Havertz frei geworden und den wollte sich der Nachwuchskicker durch Leistungen auch verdienen.
Beim Leverkusener 3:1 gegen Augsburg bereitete der 17-Jährige gleich zwei Tore vor darunter auch das 50.000 Bundesliga-Tor, erzielt von Karim Bellarabi. Zudem war Havertz in dieser Partie der Dreh- und Angelpunkt im Spiel der Werkself. Jeder Angriff lief über ihn: Havertz hatte die Ideen und wusste, wohin er den Ball passen musste.
Kein Wunder also, dass er nach dem Spiel nicht nur von den Medien, sondern auch von den eigenen Mitspielern gefeiert wurde. Karim Bellarabi etwa lobte, dass es einem nicht so vorkäme, als wäre Havertz erst 17. Und auch Bayers Sportdirektor Rudi Völler war begeistert: "Havertz hat eine Gabe mit seinem linken Füßchen und eine Ballbehandlung wie Özil. Sensationell!"
Und tatsächlich könnte Havertz vielleicht irgendwann mal so ein Großer wie Özil werden. Die Zeichen dafür stehen gut. Denn auch in der europäischen Champions League durfte der 17-Jährige schon ran. Dass Havertz auf dem Platz so einiges draufhat, sprach sich sogar bis nach Madrid rum. Selbst der Coach von Bayers Champions-League-Gegner Atletico Madrid, Diego Simeone, sprach auf einer Pressekonferenz über das deutsche Nachwuchstalent.
Und wenn Havertz sogar schon im Ausland bekannt ist, dann erst Recht im Inland. Natürlich sind längst schon andere Vereine auf ihn aufmerksam geworden. So soll auch der Branchen-Primus Bayern München interessiert sein. Die Münchener wollen das Talent womöglich im Sommer an die Isar locken unter anderem mit der Hilfe von Michael Reschke, Bayerns Technischem Direktor. Der hat zuvor bei Leverkusen gearbeitet und war dort daran beteiligt, dass Havertz aus Aachen zu der Werkself wechselte. Durchaus möglich, dass Reschke den Kontakt zu Havertz und dessen Berater im Sommer wieder intensiviert.
Doch bevor der 17-Jährige irgendwelche Gedanken daran verschwendet, wo er in der nächsten Spielzeit kicken wird, kümmert er sich momentan lieber um sein Abitur. Bestehen ist für Havertz laut dem "Kölner Stadtanzeiger" die Hauptsache. Mit einem Schnitt im Dreierbereich soll der Youngster voll und ganz zufrieden sein. Zumal auf der Schule längst nichts mehr so ist wie früher. In den Pausen muss Havertz Autogramme schreiben und für Fotos posieren. Dafür hat der 17-Jährige so manchen Mitschülern eines voraus. Er ist sich ganz sicher, was er mal werden will: "Das ist einfach zu beantworten: Fußballprofi, das war immer mein Traum".
Philipp Lippert