Nach dem Sieg in Darmstadt hat Hertha BSC im letzten Saisonspiel die direkte Qualifikation für die Europa League wieder in eigener Hand.
Ein Sieg beim bereits abgestiegenen Tabellenletzten kann so viel Gewicht haben. Der 2:0-Erfolg von Hertha BSC bei Darmstadt 98 am vergangenen Samstag war schließlich weit mehr als das Erfüllen einer Pflichtaufgabe und kam dazu zum besten Zeitpunkt. Neun Spiele waren die Berliner zuletzt auswärts ohne jeden Punktgewinn geblieben, ein Dreier bei einem im letzten Bundesligaheimspiel motivierten Gegner in dieser Situation also durchaus nicht selbstverständlich.
Torunarigha
mit Torpremiere
An diesem Nachmittag passte es aber beim Team von Trainer Pal Dardai so wurden die Spielvorteile in schnelle Tore umgemünzt. Nach einer knappen halben Stunde führte man bereits mit 2:0 durch zwei Kopfballtreffer. Dabei durfte zunächst Salomon Kalou das Ende seiner Flaute bejubeln. Auf Zuspiel von Vladimir Darida setzte er sich energisch durch und traf nach acht Einsätzen ohne erfolgreichen Abschluss wieder für seine Farben. Es war überhaupt erst der zweite Treffer des Ivorers in der Rückrunde vielleicht auch ein Resultat der Umstellung Dardais, der Kalou in Darmstadt neben Vedad Ibisevic im Sturm aufstellte.
Das Tor zum 2:0 ist aber eigentlich mit der noch schöneren Geschichte verbunden. Jordan Torunarigha erzielte es in seinem erst vierten Startelf-Einsatz für Hertha BSC. Der 19 Jahre alte Youngster rückte überhaupt nur durch die Verletzungsmisere zuletzt in die Abwehr des Bundesligisten und machte dort seine Sache bemerkenswert gut. Pal Dardai nicht bekannt für das Verteilen von Vorschusslorbeeren sieht Torunarigha bereits auf den Spuren von Jerome Boateng, wenn er weiter so an sich arbeitet.
In Darmstadt erledigte er seinen Job, das Toreverhindern, also nicht nur tadellos, sondern erzielte obendrein seinen ersten Bundesligatreffer. Passende Randnotiz: Die Vorarbeit per Freistoß lieferte Marvin Plattenhardt, der zuletzt zwei Spiele wegen einer Muskelverletzung passen musste und dessen Einsatz längere Zeit fraglich erschien. Auch, weil Hertha-Coach Dardai sauer darüber war, dass der 25-Jährige seine Oberschenkelprobleme nicht rechtzeitig kommuniziert haben soll. So aber konnte und durfte Plattenhardt am Böllenfalltor doch ran und einmal mehr seinen Wert als Standardspezialist unter Beweis stellen.
Auch der Einsatz von Niklas Stark als zweitem Innenverteidiger erwies sich als richtige Entscheidung der 22-Jährige war erst in der Woche zuvor wieder ins Training eingestiegen. Als Alternative wäre neben Torunarigha sonst nur noch Startelfdebütant Florian Baak (18 Jahre) in Frage gekommen. Bei seiner Entscheidung hatte sich Dardai durchaus weit aus dem Fenster gelehnt, denn anschließend sprach der Ungar davon, dass Stark in Darmstadt "seine Gesundheit riskiert hat für Hertha". Das Risiko einer neuerlichen Verletzung schien also nicht gering gewesen zu sein.
Der für sein Alter erfahrene Stark absolvierte seinen Einsatz dann aber gut und ohne Probleme, während neben Baak mit Arne Maier (18 Jahre, erster Profieinsatz) in der Schlussphase auch noch ein weiteres Talent aus dem Nachwuchs zum Einsatz kam. Eine Strategie, die der ehemalige Hertha-Jugendcoach Dardai immer wieder gerne verfolgt, wenn die Gegebenheiten es erfordern beziehungsweise zulassen.
Das Ende der Auswärtsmisere ist dazu gleichbedeutend damit, dass man die Negativserie nicht mit in die Sommerpause und die Vorbereitung nimmt so wie ebenfalls vergangene Saison, als die Blau-Weißen die Spielzeit mit neun Pflichtspielen ohne Sieg beendeten. Die Wichtigkeit dieser Tatsache unterstrich der Hertha-Trainer nach dem Erfolg beim Absteiger noch einmal besonders.
Doch nicht nur bei Hertha stimmte es am 33. Spieltag auch die Konkurrenz um die Qualifikationsplätze für die Europa League "spielte mit". Der ärgste Widersacher, der SC Freiburg, musste wegen des 1:1 gegen den FC Ingolstadt Platz fünf wieder an die Berliner abtreten. Der 1. FC Köln liegt nach dem 2:2 in Leverkusen schon drei Zähler hinter Hertha, während Werder Bremen (3:5 gegen Hoffenheim) und Borussia Mönchengladbach (1:1 in Wolfsburg) die Berliner nicht mehr einholen können.
Zur Erinnerung: Herthas aktueller fünfter Platz, das ist die Fahrkarte nach Europa ohne Umsteigen und Verpassen des Anschlusszuges. Wie etwa zu Beginn der Spielzeit, als man in Kopenhagen Bröndby IF in der Qualifikation den Vortritt lassen musste. Die Situation ist nun also eine ganz andere man hat die sichere, direkte Qualifikation im letzten Heimspiel in der eigenen Hand. Mit einem Sieg über Bayer 04 Leverkusen wäre das Ziel erreicht.
Die "Werkself" hat mit dem Unentschieden im rheinischen Derby gegen Köln den Klassenerhalt praktisch in der Tasche eine Tatsache, die für die Berliner von Vorteil sein kann. Dazu haben die Widersacher um Platz fünf parallel am letzten Spieltag Gegner, die es durchaus in sich haben.
Die Freiburger mit einem Punkt weniger als Hertha und dem deutlich schlechteren Torverhältnis treten beim FC Bayern als Ouvertüre zu deren Meisterfeier an. Der 1. FC Köln ist dagegen schon auf eine Heimniederlage der Berliner angewiesen und muss selbst zeitgleich den FSV Mainz 05 besiegen, der noch zwingend einen Punkt für den eigenen, sicheren Klassenerhalt benötigt.
Heimspiel gegen Leverkusen
Dazu stehen die in Darmstadt gesperrten John Anthony Brooks und Sebastian Langkamp wieder zur Verfügung und dürfen ihre Erfahrung in der Innenverteidigung gegen unangenehme Bayer-Stürmer wie Chicharito oder Kießling einbringen. Angesichts der Klasseleistung von Torunarigha hat Pal Dardai in der Defensive dann sogar regelrecht die Qual der Wahl. Auch der für die Mannschaft so wichtige Mitchell Weiser konnte zuletzt zweimal jeweils eine halbe Stunde spielen und wäre im Ernstfall als vollwertiger Joker einsatzbereit.
Mit einem Sieg im letzten Saisonspiel könnte Hertha BSC dazu das Ergebnis der letzten Spielzeit mit der 50-Punkte-Marke übertreffen. Pal Dardai zeigt sich dabei jetzt schon mit der Ausbeute 2016/17 zufrieden: "Wichtig ist mir, dass wir die gute Leistung aus dem Vorjahr bestätigt haben. Jetzt kann keiner mehr behaupten, dass das Zufall war". Von besonderer Bedeutung gerade für einen Club, der sich dauerhaft im internationalen Wettbewerb präsentieren will.
Hagen Nickelé