Bojan Krkic galt einst als Mega-Talent des europäischen Fußballs. Doch wie so häufig lässt der Durchbruch auf sich warten. Noch versucht er in Mainz sein Glück.
Augenzeugen wollten gesehen haben, dass Bojan Krkic ein bisschen schüchtern gewirkt habe, als er an einem bitterkalten Montag mit einem mächtigen schwarzen Schal um den Hals das Medienzentrum des FSV Mainz 05 betrat. Blitzlichtgewitter, hektisches Treiben, ein Medienaufkommen, wie ihn der Club nur bei den Abschieden der Ex-Trainer Jürgen Klopp und Thomas Tuchel erlebt hat. Seine Förderer sagten einst, er würde besser werden als Lionel Messi. Doch das ist Jahre her. 26 Jahre alt ist der Spanier mit serbischen Wuzeln mittlerweile, er kennt das Geschäft. "Mainz hat gute Spieler. Ich bin froh, hier zu sein. Wer den Fußball liebt, kennt Mainz", sagte Krkic an seinem ersten Arbeitstag. Mainz ist sein sechster Verein in sieben Jahren. Eine Liebesheirat ist es nicht. Eher ein Zweckbündnis. Man will sich erst einmal ein halbes Jahr kennenlernen. "In einem Alter, in dem andere Fußballer ihrem Karrierehöhepunkt entgegendribbeln, hat er seinen schon längst hinter sich", ätzte das Fachblatt "11 Freunde" über die Verpflichtung. Der Ruhm, der ihm vorauseilte, ist verblasst.
Nur gut eine Handvoll Zuschauer verfolgten die ersten Trainingseinheiten. Krkic ein Name wie aus der Vergangenheit. Immerhin den Medien ist der Mittelfeldspieler geläufig. So stand 05-er-Sportdirektor Rouven Schröder auch im Mittelpunkt des Interesses. "Ein Transfer mit Strahlkraft", sagte Schröder bei der offiziellen Vorstellung des kreativen Offensivspielers, der die durch den Wechsel von Yunus Malli zum VfL Wolfsburg entstandene Lücke schließen soll. Der passsichere, dribbel- und abschlussstarke Krkic, der sowohl als "hängender" Stürmer, auf dem Flügel und als Spielmacher auf der 10 spielen kann, wechselte auf Leihbasis. Eine Kaufoption gibt es laut Schröder nicht. Wirtschaftlich seien das Geschäft trag- und das Risiko überschaubar. "Ein Spieler seiner Klasse findet sich schnell zurecht", meinte der Sportchef.
Fehlendes Selbstbewusstsein
ist sein Problem
Zuletzt war das allerdings nirgendwo der Fall. Beim englischen Durchschnittsclub Stoke City war man zunächst überzeugt von den Fähigkeiten des 26-Jährigen. Die Anhänger in der rauen Arbeiterstadt mochten ihn. Obwohl er zuletzt unter Trainer Mark Hughes nicht zum Zuge kam. Was nach der Saison wird? "Der Fußball hat mich gelehrt, dass es nichts bringt, in die große, weite Zukunft zu blicken", sagt Krkic, und es klingt sehr erwachsen. "Für mich ist es ein sehr wichtiger, ein spezieller Tag", sagte der Sohn eines serbischen Vaters und einer katalanischen Mutter: "Ich bin hier, um den Fußball zu genießen und Mainz 05 zu helfen. Ich werde mein Bestes geben."
Krkic wurde am 28. August 1990 geboren, und er trägt die Gene des Profifußballers in sich. Sein Vater Bojan senior spielte beim Zweitligisten Joventut Mollerussa. Bevor er nach Spanien auswanderte, kickte er in der Heimat für Roter Stern Belgrad. Aber er war ein Durchschnittsfußballer. Ganz anders sein Sohn, dessen Talent früh erkannt wurde und von dem Kritiker sagen, der ehrgeizige Vater habe zu viel aus ihm machen wollen. "Ich bin wie jeder andere auch ein normaler Spieler", sagte der Mainzer Neuzugang fast bescheiden. Seine Vita liest sich aber nicht wie die eines Mittelklasse-Kickers. Er wurde beim FC Barcelona ausgebildet, bereits mit neun Jahren besuchte er die legendäre Akademie La Masia.
Er hat zweimal die Champions League gewonnen und spielte bereits bei den italienischen Topclubs AS Rom, AC Mailand und bei Ajax Amsterdam. Wirklich glücklich wurde er aber nie. Dabei liest sich seine Bilanz nicht so schlecht.
In den Jugendmannschaften der Katalanen ragte der 1,70 Meter kleine Flügelstürmer heraus und schoss weit über 800 Tore. Mit 17 Jahren erzielte er seinen ersten Treffer im Profiteam, mit 20 hatte er bereits 100 Spiele für den Traditionsclub in der ersten Liga absolviert und dabei 26 Tore geschossen.
Tour durch Europa ohne Erfolg
Italien und England stand er rund 50 Mal auf dem Platz und traf jeweils mehr als zehn Mal pro Spielzeit. Seine Scorer-Punkte lassen sich ebenfalls sehen, bei fast jedem zweiten Einsatz war er an einem Treffer beteiligt. Das ist eine gute Quote, aber nicht eine so überragene, wie man es für einen vom Schlage Messi erwarten konnte. Die Bundesliga ist ein neuer Anlauf. "Die Leute sagten, ich sei der "neue Messi" und "die Hoffnung", aber darauf hatte ich keinen Einfluss", sagte Krkic über seinen kometenhaften Aufstieg: "Mir hafteten immer irgendwelche Versprechungen an. Alles, was ich immer wollte, war zu versuchen, guten Fußball zu spielen."
Der Dribbelkünstler sollte mit Messi langfristig die Offensive der Katalanen bilden, sein Trainer Frank Rijkaard sah dessen künftigen Karriereweg schon vor sich: "Wenn Bojan so weitermacht, wird er unverzichtbar für uns."
Doch es sollte anders kommen. Wie schon Dutzende andere nach ihm ging Bojan den klassischen Weg eines "neuen Messies". Der schleichende Niedergang begann mit der Anstellung von Pep Guardiola und dem Abgang seines niederländischen Mentors. "Ich hatte eine Verbindung zu ihm, die ich sonst mit niemand anderem hatte", verdeutlichte Bojan Jahre später seine Beziehung zu Rijkaard.
Der Bruch kam, als es niemand für möglich gehalten hatte. Trainer Pep Guardiola, der Krkic in der Jugend noch gefördert hatte, setzte in der Startelf meistens auf andere. Der sensible Techniker, der in der Jugendzeit nicht einmal auf der Bank gesessen hatte, kann mit der Situation nicht umgehen. Er ist beleidigt, überwirft sich mit Pep. Er will mehr Spielzeit, sucht das Weite. Im Juli 2011 beginnt Krkic Europareise. Er spielte beim AS Rom, beim AC Mailand, bei Ajax Amsterdam und schließlich bei Stoke. Die Leute mögen ihn, er ist höflich, zurückhaltend und pflegeleicht. Sein Können blitzt oft auf, doch nie so konstant und so viel, wie man es von einem Spieler seines Kalibers erwarten würde.
Verletzungen werfen ihn zudem immer wieder aus der Bahn, zuletzt ein Kreuzbandriss Ende Januar 2015. Auch die Psyche spielte nicht immer mit. 2008 wurde Bojan mit einer Berufung in den spanischen EM-Kader geehrt, doch der Youngster lehnte die Teilnahme ab. Es war ihm einfach zu viel. Nach einer Saison als Profifußballer mit Dreifachbelastung konnte er nicht noch eine Europameisterschaft spielen er musste ja auch noch zur Schule gehen.
Immer wieder
Verletzungen
Spanische Zeitungen berichteten von Panikattacken. Das mangelnde Selbstbewusstsein sollte den Sohn des serbischen Ex-Fußballers und einer katalanischen Krankenschwester stets begleiten. Im beschaulichen Stoke sollte alles besser werden. Wenig Rummel, wenig Medien, wenig Ablenkung. Aber es lief wie schon bei Barca. Ein Trainerwechsel wird ihm zum Verhängnis. "Wichtig ist für mich, dass ich spielen kann. Wenn ich draußen bin, fühle ich mich nicht wohl", sagte Krkic. Das konnte er bei den "Potters" in dieser Saison nur noch selten: "Wir haben den Stil umgestellt, mit mehr Körperlichkeit gespielt." Das ist sein Ding nicht. "Ich habe einfach bei Stoke nicht mehr so in die Mannschaftszusammenstellung gepasst."
In Mainz soll es nun besser werden. Und Trainer Martin Schmidt ist überzeugt, dass es passt. "Wir wollen am Ende einen einstelligen Tabellenplatz. Wir haben Ziele und unterstreichen die mit Bojan. Er wird auch ins Team hinein etwas bewirken. Da kommt ein Spieler durch die Kabinentür, und alle sagen, oh, jetzt kommt ein Name", erklärte der Schweizer. Er ist ein Anhänger eines laufintensiven Spiels, bevorzugt in der Offensive aber kleine Spieler. Für Krkic wie gemacht.
Neben den besseren Aussichten auf Einsätze war für ihn offenbar diese Fußballphilosophie ausschlaggebend für den Wechsel. "Wer den Fußball liebt, kennt Mainz.", sagt er höflich. Bojan Krkic ist nun 26. Früher kannte ihn jedes Kind. Heute gibt es andere, die als "neue Messis" gehandelt werden. Für den sensiblen Techniker ein Segen, dass er nicht mehr so im Mittelpunkt steht. Auch wenn er in der Provinz noch für ein paar Schlagzeilen gut ist.
Philipp Häfner
Zur Person:
Bojan Krkic Pérez wurde am 28. August 1990 in Linyola, Spanien, geboren. Bojan, Sohn eines serbischen Vaters und einer spanischen Mutter, wurde 1999 in "La Masia", der Jugendakademie des FC Barcelona, aufgenommen und brach in seinen sechs Jahren dort zahlreiche Vereinsrekorde. Nach einem Jahr in der Zweiten Mannschaft des FC Barcelona unterschrieb Bojan einen Vertrag für die Profimannschaft zur Saison 2007/08. Sein Debüt absolvierte er schließlich am 16. September 2007 im Spiel gegen CA Osasuna. Am 19. September 2007 gab Bojan im Spiel gegen Olympique Lyon sein Champions-League-Debüt, als er für Lionel Messi eingewechselt wurde. Mit 17 Jahren und 22 Tagen ist er der jüngste Fußballspieler, der bis dahin für den FC Barcelona in der Champions League gespielt hat.