Ben Müller (31) hat sich der People- und Fashion-Fotografie verschrieben. Im Interview spricht er über seine Aufnahmen, die Shootings mit der erfolgreichen Influencerin Stefanie Giesinger und seine aktuellen Projekte.
Herr Müller, wie sind Sie zur Fotografie gekommen? Was waren die ersten Motive, die Sie fotografiert haben?
Angefangen hat alles mit meiner ersten Spiegelreflexkamera 2009. Eigentlich sollte sie lediglich als Urlaubs- und Reisekamera dienen. Aus dem hin und wieder mal einen Schnappschuss entwickeln, entstand aber recht schnell eine Leidenschaft und der damit verbundene Hunger nach mehr. Anfangs fotografierte ich jedoch nur Architektur und Landschaften, bis ich 2012 begann, mich langsam mit meinem jetzigen Schwerpunkt zu beschäftigen der People-Fotografie.
Welche waren Ihre ersten Aufträge?
Die ersten Aufträge waren Hochzeitsreportagen, welche ich auch heute noch sehr gerne umsetze.
Arbeiten Sie hauptberuflich als Fotograf?
Ich wollte, ehrlich gesagt, nie hauptberuflich als Fotograf arbeiten. Ich mag den Gedanken, mir die Aufträge selbst auszusuchen und sie nicht nur des Geldes wegen anzunehmen. Dadurch kann ich meine Kreativität freier ausleben und auch meine Shootings mit viel mehr Hingabe ausführen.
Sie fotografieren unter anderem für Magazine und Designer etwa für das extravagante Label Bibian Blue aus Spanien. Wie sind diese auf Sie aufmerksam geworden?
Damals arbeitete ich öfter mit einer amerikanischen Designerin zusammen. Diese plante eine Kollaboration mit Bibian Blue und schlug mich als Fotograf vor. So entstand der Kontakt. Da Netzwerken immer eine meiner großen Stärken war, kam schnell eines zum andern und diverse Nachwuchs-Designer suchten oftmals den Kontakt zu mir, um ihre Abschluss-Arbeiten fotografieren zu lassen. So schrieb mir auch eines Tages David Pedrotti, ein sehr begabter Designer aus Köln. Für seine Abschlusskollektion haben wir eine meiner Lieblingsstrecken umgesetzt.
Sie haben schon zweimal Stefanie Giesinger Germanys Next Topmodel 2014 (GNTM) und inzwischen eine sehr erfolgreiche Influencerin fotografiert. Wie kam es dazu?
Sie schrieb mich damals über Facebook an und hatte lustigerweise ihren Ortungsdienst aktiviert. Ich bekam also eine Nachricht von ihr mit der Nachfrage nach einem spontanen Shooting und dem Hinweis "gesendet aus Kalifornien, USA". Ich fragte sie daraufhin, ob ihr bewusst sei, dass bei 9.000 Kilometern Distanz die Spontaneität ein wenig leiden wird. Sie war zu dem Zeitpunkt unter den letzten Kandidatinnen bei der aktuellen Staffel von GNTM 2014 und hatte bald eine längere Drehpause bis zu dem großen Staffel-Finale vor sich. Dass sie in der kurzen Pause dann gerne etwas mit mir umsetzen wollte, hatte mich natürlich sehr gefreut, weshalb ich noch in derselben Nacht meinen besten Freund Julian Wilking anrief, um ihm zu offenbaren, dass wir in dieser Nacht konzeptionell noch etwas auf die Beine stellen müssen.
Einige Tage später kam sie in Deutschland an und wir fuhren nachts um drei nach Domburg in Holland ans Meer zum Shooten. Es war ein sehr schönes Shooting mit einem tollen Team und tollen Ergebnissen. Zehn Tage später saß ich zusammen mit Julian auf der Couch und wir schauten das Staffel-Finale von GNTM. Als sie gewann war die Freude natürlich umso größer!
Anfang 2015 haben Stefanie und ich noch einmal fotografiert, weil wir gut miteinander harmoniert haben. Die zweite Strecke fand in traditionell angehauchter Kleidung aus Südamerika und mit ein paar Alpakas statt.
Mit welchem Equipment fotografieren Sie?
Da ich nahezu ausschließlich mit vorhandenem Tageslicht fotografiere, ist meine Ausrüstung dementsprechend minimalistisch. Ich habe nach wie vor meine Canon EOS 5D Mark II und auch nur ein einziges Objektiv. Über Vor- und Nachteile von diversen Objektiven oder Blitzen habe ich mir nie groß Gedanken gemacht. Am Anfang dachte ich immer, das Material macht die Musik aber inzwischen weiß ich es besser.
Wie muss ein Bild sein, damit Sie zufrieden sind?
Ich liebe zwei verschiedene Stile. Auf der einen Seite die inszenierte Fotografie mit aufwendigen Sets à la Kristian Schuller. Auf der anderen Seite das authentisch Unretuschierte, wie zum Beispiel von Peter Lindbergh. Ein Bild muss mir ein Gefühl vermitteln. Das kann eine Emotion sein, die Mimik des Models, eine gute Komposition oder aber einfach ein perfekt eingefangener Moment. Deshalb liebe ich Reportage- und Dokumentar-Bilder. Street-Fotografen, die etwa nach Indien oder Nepal gehen und authentische Szenen festhalten, solche Kollegen bewundere ich! Reinhard Block macht da des Öfteren ganz tolle Aufnahmen.
Wie würden Sie Ihren Bildstil beschreiben?
Meine Fotos sind zum größten Teil immer mit starkem Weitwinkel fotografiert. Ganz im Gegensatz zu den Beauty-Fotografen brauche ich immer die gesamte Umgebung auf dem Bild. Das Model ist daher bei mir eher "Beiwerk" und gehört zur Gesamtkomposition. Vom Farblook her orientiere ich mich stark an analogen Aufnahmen aus den 80ern und 90ern. Wobei ich dazu sagen muss, dass ich meinen Stil immer noch nicht perfektioniert habe und daran noch hart arbeite.
Haben Sie ein Faible für spezielle Model-Typen, Locations, Farben oder besondere Details?
Ich denke, es gibt für jedes Konzept immer das passende Model. Daher mag ich das rassige Model mit schwarzen Haaren, ausgeprägten Wangenknochen und vollen Lippen genauso wie den nordischen Typ mit Sommersprossen und hellen Haaren. Was ich grundsätzlich jedoch nicht mag, sind Studioaufnahmen vor einem Kartonhintergrund. Das ist mir schlichtweg zu steril und das sieht man auch zu oft. Ich finde, man kann sich auf dem Gebiet so kreativ austoben vor unserer Haustür warten Hunderte von Locations darauf, entdeckt zu werden.
Ihre Fashion-Aufnahmen entstehen häufig vor besonderen Kulissen in verschiedenen Städten und Ländern. Wie entdecken Sie besondere Orte und Plätze vor Ort oder zum Beispiel auch über das Internet?
Manchmal fahre ich mit dem Auto irgendwo vorbei und denke mir "Wahnsinn hier musst du etwas machen, Ben!" oder aber ich recherchiere so lange im Internet, bis ich mir absolut sicher bin, dass eine Location in mein Konzept passt. Die Reihenfolge ist dabei völlig egal. Entweder habe ich eine Location/ein Konzept und ich suche mir dann das passende Team dazu, oder aber ein Designer kommt auf mich zu und ich konzipiere für ihn dann die passende Location zu seiner Kollektion.
Suchen Sie die Make-up-Artisten, die die Models schminken, selbst aus? Lassen Sie Ihnen freie Hand oder sagen Sie Ihnen genau, wie das Make-up sein soll, damit es zum Foto passt?
Ja und Nein. Manche schreiben mich nett an und fragen nach einer Zusammenarbeit. Andere kenne ich von diversen Projekten und weiß bereits, was sie handwerklich können. Diese schreibe ich dann immer direkt an, sobald ich denke, der- oder diejenige könnte das toll umsetzen.
Beim Make-up und den Haaren sende ich meistens sogenannte Mood-Bilder, Beispielbilder, wie ich mir das Ganze vorstelle. Den kreativen Freiraum, auch eigene Ideen mit einzubringen, haben jedoch alle Make-up-Artisten bei mir am Set. Für mich ist es völlig normal, dass, wenn viele Kreative aufeinander treffen, auch jede Menge Input zusammenkommt.
Arbeiten Sie immer mit einem Team oder fahren und fliegen Sie auch mal allein durch die Welt?
Model-Testaufnahmen und kleinere Serien produziere ich gerne alleine. Für größere Produktionen suche ich mir das dementsprechende Team dazu. Lediglich Julian ist ein bestehender Kern meines Teams, da er an Zuverlässigkeit und logistischem Know-how einfach unübertroffen ist.
Welches waren Ihre verrücktesten oder außergewöhnlichsten Shootings?
Eher erstaunlich würde ich das Shooting in einer alten Lagerhalle eines Theaters nennen. Dort lagern Bühnen-Requisiten aus über 20 Jahren. Die Halle gibt so viel an Motivmöglichkeiten her, dass wir in vier Stunden Shooting lediglich die ersten zehn Meter der Halle benutzt hatten. Am liebsten hätte ich mich dort das ganze Wochenende einschließen lassen.
Haben Sie schon Aufträge abgelehnt?
Paarbilder, Baby- oder Kinderfotos sowie Bilder von Tieren lehne ich immer ab. Ich denke, das können Fotografen, die sich darauf spezialisiert haben, einfach besser.
Können Sie sich gut mit der Mode-Szene identifizieren? Was mögen Sie daran, was weniger?
Ich denke, jeder Mensch identifiziert sich über seine Kleidung. Der eine bewusst, der andere eher unbewusst. Was ich jedoch an der Szene mag, sind die unbegrenzten Möglichkeiten, Dinge in Szene zu setzen und die Kommunikation während der Planungsphase und Durchführung.
Haben Sie Lieblingsfotografien von sich?
Die letzten Modeltest-Shootings haben mir ehrlich gesagt sehr gut gefallen. Sie sind alle mit wenig Aufwand und eher spontan ohne Konzept entstanden. Ich sollte öfter solche Shootings durchführen.
Welche Projekte und Shootings stehen an?
Dieses Jahr werde ich verstärkt an meinem ersten Buch arbeiten. Ich habe da bereits genaue Vorstellungen vom Cover, dem Layout und wie es gebunden sein soll. Darauf freue ich mich am meisten. Ebenso werde ich mit ein paar vielversprechenden Kontakten von der Berliner Fashion Week 2017 arbeiten. Die ersten Ideen und Vorbereitungen für größere Sets laufen bereits.
Was wird uns in Ihrem Buch erwarten?
In meinem Buch wird eine persönliche Auswahl aus zumeist unveröffentlichten Schwarz-Weiß-Fotografien erscheinen. Mit minimalen Mitteln, wie zum Beispiel dem gänzlichen Verzicht auf Blitze, werde ich versuchen, laszive Aufnahmen zu erschaffen, die wie Stills (Anmerkung der Redaktion: Standfotos) eines 80er-Jahre-Films wirken. Ein Hardcover-Buch mit zirka 240 Seiten, das meine Enkel in 50 Jahren auf dem Dachboden finden. Als Crowdfunding-Projekt wird der voraussichtliche Erscheinungstermin Anfang 2018 angepeilt. Derzeit bin ich noch auf der Suche nach einer geeigneten Druckerei für das Projekt.
Interview: Kristina Scherer-Siegwarth
www.benmueller.photography
STIL
Privat
Szene der unbegrenzten Möglichkeiten
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