Dem Nacken und wie man ihn am schönsten ziert, haben sich eine ganze Reihe bedeutender Designer gewidmet. Das Spektrum der Fashion-Statements rund um den Hals reicht von opulenten Kragen über romantische Rüschen bis hin zu "Pussy-Bows".
Schon verwunderlich, dass die als ziemlich prüde geltenden Amerikaner mit der Bezeichnung Pussy-Bow offenbar keine Probleme haben. Im Gegenteil, die US-Presse schwelgte geradezu in Anzüglichkeiten und Anspielungen rund um die "Muschi-Schleife", die als "Katzen-Schleife" zu übersetzen niemandem in den Sinn kam. Zumindest nicht, nachdem ausgerechnet Melania Trump den Fauxpas begangen hatte, als Begleiterin ihres Mannes zu einem der TV-Duelle mit Hillary Clinton in einer hochgeschlossenen, pinkfarbenen, von Gucci entworfenen Schluppenbluse zu erscheinen, in den USA nur Pussy-Bow-Blouse" genannt.
Was lag für die Medien und auch für zahllose User sozialer Netzwerke da näher, als einen süffisanten Brückenschlag zwischen dem Fashion-Detail mit dem seltsamen Namen und der mehr als sexistischen Bemerkung Donald Trumps über Frauen zu machen. Schließlich war gerade erst ein älterer Macho-Spruch Trumps öffentlich bekannt gemacht worden, in dem das gewisse Wort auch eine ganz entscheidende Rolle gespielt hatte: "You can do anything... grab them by the pussy." Damit hatte sich Trump gegenüber Billy Bush gebrüstet, weil er sich als Star angeblich alles hatte leisten können, bis hin zu besagtem sexuellen Übergriff.
Elegante Bluse trotz vulgärer Bezeichnung
Als eine Reihe von Designern sich dazu entschlossen hatte, die einst beliebten Schleifen aus den 1950er-, 1970er- und 1980er-Jahren zum Aufpeppen ihrer Blusen und Kleider der aktuellen Winterkollektion wieder aufzugreifen, konnte niemand den PR-Effekt für die Pussy-Bows vor einem Millionenpublikum voraussehen. Während die Bows vor allem in der Thatcher-Ära zusammen mit Power-Anzügen und breiten Schultern zu den besonderen Fashion-Kennzeichen für Karrierefrauen zählten, tauchten sie ansonsten meist nur als schmückender Bestandteil im Look von Sekretärinnen oder Flugbegleiterinnen auf. In ihrer DNA bewahren die Pussy-Bows laut dem Onlineportal fashionisers.com immer noch einen Hauch von Schoolgirl, viktorianischer Verführung und Sittsamkeit.
Ganz wichtig ist aber auch, dass sie jedem Look, ganz besonders auch einem maskulin ausgerichteten, einen deutlichen Touch von Weiblichkeit verleihen. Es gibt sie in allen Größen und aus allen möglichen Materialien. Erstmals waren die Schleifen wieder im Winter 2015/2016 bei Gucci aufgetaucht. In der Sommerkollektion 2016 waren Labels wie Chloé, Moschino, Rochas oder Lanvin in Sachen Pussy-Bows an die Seite des italienischen Traditionshauses getreten, das vor allem mit luftigen Tüll-Schleifen zu bezaubern wusste.
Für den Winter 2016/2017 setzte bereits die London Fashion Week ein deutliches Zeichen bezüglich der prächtigen Nackenzierde. Dünn, breit, kurz, lang, aus Seide, aus allen möglichen Farben. Für jeden Geschmack war bei Marken wie Osman, Peter Pilotto, Simone Rocha, Topshop Unique, Mother of Pearls oder Temperley London etwas dabei. Außerhalb der britischen Metropole waren die Schleifen vor allem auf den Laufstegen von Marc Jacobs in New York und Dolce & Gabbana in Mailand zu sehen. Die Schluppenblusen harmonierten hier wie dort hervorragend mit Jeans oder weit geschnittenen Hosen. Nur die Kombination mit einem Bleistiftrock sollte unbedingt vermieden werden.
Neu im Trend sind Lavallières
Als tolle Alternative zu den Pussy-Bows bieten sich übrigens die Lavallières an. Das sind schmale, seidene Schleifenkrawatten, auch "Bohèmeschleife" oder "Künstlertuch" genannt, die geschlossen oder offen um den Hals getragen werden. So gesehen ist ein Lavallière nichts anderes als eine Pussy-Bow ohne Bluse oder Kleid. Einst schon von Jane Birkin geliebt, flatterte das Trendaccessoire jüngst um den Hals von Kate Moss oder Alexa Chung. "Die dünnen Tücher", so die "Bunte" in einem Styling-Tutorial, "verwandeln jedes noch so einfache T-Shirt oder Sweatshirt in ein Pussy-Bow-Lookalike. Ob Sie den schmalen Schal zur Schleife binden oder einfach wie ein Kropfband einmal um den Hals legen, bleibt ganz Ihrem Geschmack überlassen... Gerade Frauen, die sich gerne bei der Männer-Mode bedienen, werden die schmalen Schals lieben, immerhin sind die Tücher so etwas wie das weibliche Pendant zu strengen Krawatten und eignen sich ideal, um langweilige Blazer-Looks aufzuwerten."
Ähnlich wie bei den Pussy-Bows gab die London Fashion Week auch den Vorreiter in Sachen neuem Kragen-Design. Wobei vor allem XXL, sprich Oversize, eine zentrale Rolle spielte. Riesige Kragen aus Pelz, Leder oder Spitze verliehen Mänteln, Jacken, Kleidern oder Blusen von Marken wie Burberry, Erdem, Holly Fulton, Paul Smith, Roksanda oder Christopher Kane einen ungewöhnlichen Pfiff.
Auch außerhalb Londons waren interessante Kragen-Kreationen zu bewundern. Lustigerweise waren ausgerechnet die schönsten Pieces vom Inselreich inspiriert. Denn Labels wie Chanel, Jean Paul Gaultier, Giles, Valentino oder Giambattista Valli hatten sich an eine zeitgemäße Neuinterpretation von spitzengewebten Halskrausen aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts herangewagt.
Peter Lempert