Von sogenannten Telematik-Tarifen versprechen sich die Autoversicherer mehr Gerechtigkeit, da sich die Höhe des Versicherungsbeitrags durch das individuelle Fahrverhalten errechnet. Dieses wird permanent analysiert. Daraus ergibt sich die Einstufung. Wer riskant fährt, zahlt mehr.
Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis moderne Autos jede Sekunde aufzeichnen, in der das Fahrzeug in Betrieb ist. Vieles ist bereits heute installiert, zum Beispiel auch das Notrufsystem, das bei einem Unfall automatisch einen Rettungsdienst informiert und dabei alle Informationen über den Unfallort liefert.
Neben vielen anderen Aspekten kommt jetzt ein neuer Gesichtspunkt hinzu. Die sogenannte Telematik macht es möglich, das Fahrverhalten genau zu verfolgen und aufzuzeichnen. Ob jemand oft beschleunigt oder bremst, ob das Auto überdurchschnittlich schnell unterwegs ist oder Assistenzsysteme regelmäßig eingreifen müssen, damit das Fahrzeug auf der Straße bleibt alles wird bis ins kleinste Detail festgehalten. Das gilt natürlich auch für das Gegenteil einer riskanten Fahrweise.
Für die Autoversicherer sind das hochinteressante Daten, die dazu beitragen können, eine völlig neue Tarifstruktur zu entwickeln, die auf den Einzelnen und nicht auf die Solidargemeinschaft zugeschnitten ist. Bei den traditionellen Tarifen ist es so, dass die vorsichtigen Fahrer für Risikogruppen mitbezahlen müssen, um so zu einer Durchschnittsberechnung zu kommen. Auch wenn es heute bereits zahlreiche Differenzierungen gibt. Wer eine Garage hat oder wenig fährt, zahlt weniger, und auch Mitarbeiter im öffentlichen Dienst bekommen einen Rabatt, weil sie statistisch gesehen weniger Unfälle bauen.
Grundsätzlich sind also die Autoversicherer schon lange auf dem Weg, die klassische Solidargemeinschaft zu verwässern. Aber die Telematik bringt noch einmal einen Quantensprung. Die Amerikaner nennen das "pay as you drive". Im Klartext heißt das, wer vorsichtig fährt, zahlt weniger. Eine riskante Fahrweise dagegen kostet deutlich mehr. Beim jüngsten "Goslar Diskurs" der Studiengesellschaft für verbrauchergerechtes Versichern im Umfeld des Verkehrsgerichtstags stellte Professor Horst Müller-Peters von der Technischen Hochschule Köln einen Aspekt besonders heraus: "Eine vorsichtige Fahrweise trägt dazu bei, Leben zu retten, da weniger Unfälle passieren". Wenn es um den Geldbeutel geht, sind die Menschen besonders sensibel. Die meisten Autofahrer werden bei den Telematik-Tarifen immer im Hinterkopf haben, dass sie viel Geld sparen können, wenn sie "angepasst" fahren.
Ein Beispiel aus der Vergangenheit unterstreicht das sehr gut. Als 1976 die Gurtpflicht eingeführt wurde, lag nach einiger Zeit die Anschnallquote bei knapp 60 Prozent. Ein Verwarngeld gab es da noch nicht. Das kam 1984, als 40 Mark fällig wurden, wenn man nicht angeschnallt erwischt wurde und schon stieg die Quote auf 92 Prozent.
Eine Strafe im übertragenen Sinn wird auch bei den Telematik-Tarifen fällig, wenn bei entsprechender Fahrweise die Versicherungstarife drastisch steigen. Noch gibt es keine validen Aussagen, welche Wirkung diese Tarife haben. Dafür sind sie noch zu neu auf dem Markt. Aber Dr. Wolfgang Weiler, Vorstandsvorsitzender der HUK Coburg, geht davon aus, dass besonders für junge Fahrer diese Tarife interessant sind. Sie müssen bei den klassischen Autoversicherungen besonders tief in die Tasche greifen, während sie bei den Telematik-Tarifen viel Geld sparen können wenn sie sich entsprechend verhalten. Gerade diese Gruppe gehört zu den Hauptverursachern von schweren Verkehrsunfällen, während die Fachleute davon ausgehen, dass der finanzielle Aspekt dazu beiträgt, Unfälle zu vermeiden und Menschenleben zu retten.
Erziehung
der Autofahrer
über den Geldbeutel
Professor Müller-Peters stellte ergänzend dazu fest, dass von seinem Institut durchgeführte Untersuchungen ergeben haben, dass Telematik-Tarife von der Bevölkerung durchaus akzeptiert werden.
Natürlich gibt es immer wieder Bedenken, dass dadurch noch mehr Daten gespeichert werden, die auch zu anderen Zwecken genutzt werden könnten. Ein Argument, das nachvollziehbar ist. Aber wir leben inzwischen in einer Welt, in der von jedem Bürger weltweit Daten gespeichert werden. Wenn es durch die Telematik-Tarife gelungen wäre, auch nur wenige von den 3.300 tödlichen Verkehrsunfällen im vergangenen Jahr zu vermeiden, wäre das allein schon ein Grund, sie neben den normalen Tarifen anzubieten.
Otto Deppe