In Sachen Elektromobilität tut sich was. Förderungen, Steueranreize und einfache Abrechnungsmodelle sollen Autofahrer endlich elektrisieren.
Wo auch immer bislang eine Ladestation entstand, lief das Prozedere ähnlich ab. Kommunen gaben den Stellplatz, Stromanbieter lieferten den Saft, Säulenhersteller präsentierten ihre Technik und Lokalpolitiker sich selbst mit Bauhelm und Schippe. Für Autofahrer lieferten derartige Inszenierungen wenig Anreize, sich für Elektromobilität zu begeistern. Zumal Stromtankstellen oft an Orten ihr Dasein fristen, die man schon am helllichten Tag lieber meidet.
Ein kreativer Markt entwickelt sich
Das aber wird sich ändern. Strom tanken vorm Supermarkt? Ist jetzt möglich. Laden auf dem Restaurantparkplatz? Gibt es auch schon. Oder gar beim Bäcker um die Ecke? Geht auch. Kurzum: Wer ab jetzt eine Stromtankstelle baut und sie auch anderen zur Verfügung stellt, kriegt Geld vom Staat. So sieht es das neue "Bundesprogramm Ladeinfrastruktur" vor. Die geförderten Stationen sollen dabei durchaus auf Privat- oder Firmengelände stehen. Der Bund will so den Aufbau von insgesamt 15.000 Schnell- und Normalladestationen fördern. Bis 2020 stehen dafür 300 Millionen Euro bereit.
Förderanträge können seit dem 1. März bei der Bundesanstalt für Verwaltungsdienstleistungen (BAV) gestellt werden. Zudem soll ein Steuergeschenk das Elektroauto attraktiver machen. Es betrifft Arbeitnehmer, die mit einem Firmenstromer im Betrieb oder gegen Erstattung durch den Arbeitgeber zu Hause Strom tanken. Seit diesem Jahr sind die geldwerten Vorteile für das Aufladen von Elektroautos, die auch privat genutzt werden, steuerbefreit. Bis dato hatte der Fiskus verbilligtes oder kostenloses Stromtanken als lohnsteuerpflichtigen Sachbezug gewertet. Der Arbeitgeber wiederum kann nun für den geldwerten Vorteil aus solchen "Übereignungen von Ladestrom" eine neue Pauschalbesteuerung von 25 Prozent veranlagen (ESTG § 40, Abs. 2, Nr. 6).
Steuerrechtlich also wird es etwas einfacher, aufs Elektropferd zu setzen. Wie aber sieht es mit der Praxis aus? Autofahrer wollen Elektromobilität ohne Einschränkungen. Sie möchten überall laden können. Unterwegs, in der Firma und wenn machbar zu Hause. Folgerichtig entwickelt sich derzeit ein ziemlich kreativer Markt mit darauf abzielenden Lösungen. Das Berliner Unternehmen Ubitricity beispielsweise bietet ein System an, das auf einem speziellen Ladekabel nebst passendem Mobilstromvertrag basiert. Das Kabel wird im Auto mitgeführt, mit ihm lässt es sich an jeder beliebigen Station laden.
"Die Abrechnung funktioniert so einfach wie mit einer Tankkarte. Im Ladekabel ist ein mobiler Stromzähler integriert. Jeder Ladevorgang wird erfasst, via Mobilfunknetz an uns übermittelt und für die Rechnungsstellung aufbereitet egal ob an eigenen Stationen oder Fremdladepunkten", beschreibt Marketingleiterin Alexa Thiele das Modell. Man verstehe sich daher weniger als Hardware-Lieferant, sondern eher als Abrechnungsdienstleister: "Das ist nach unserer Erfahrung auch das, was Kunden suchen. Nur eine Abrechnung, nur ein Rechnungssteller und die Vermeidung von Zettelwirtschaften". Über ein webbasiertes Kundenportal können Elektroautobesitzer alle Ladevorgänge, Rechnungen und Vertragsdaten aufrufen. Außerdem finden sie in Echtzeit die jeweils nächstgelegenen Ladepunkte. Auf Wunsch installiert Ubitricity zum Ladekabel passende Systemsteckdosen für die heimische Garage.
Natürlich haben auch die Großen der Branche auf die veränderten Marktbedingungen reagiert. RWE etwa hat seine Elektromobilitätsaktivitäten seit September unter der Marke Innogy gebündelt. "Planung, Aufbau, Betrieb bis hin zur Abrechnung die Anforderungen an Elektromobilität gehen weit über die bloße Anschaffung eines Autos hinaus", weiß Innogy-Sprecherin Julika Gang. Das Interesse für Elektromobilität werde sich im Zuge der neuen Förderrichtlinien erhöhen, schätzt sie. Das gilt für große Handelsketten, die ihren Kunden eine Lademöglichkeit während des Einkaufs bieten wollen, genauso wie für Privatleute oder kleinere Betriebe, die zwar über einen Umstieg nachdenken, sich bislang aber nicht so richtig trauten.
Wer auf eine eigene Lademöglichkeit verzichten will, findet auch bei Innogy Ladekabel mit integrierter Nutzerkennung zum Stromtanken. Egal wo, aber mit einfacher Abrechnung, so das Versprechen. "Für Pflegedienste oder Handwerksbetriebe etwa ist das ein entscheidender Vorteil", glaubt Gang.
Ferngesteuerter Zugriff und zentrale Abrechnung das sind Angebote, mit denen die Autohersteller freilich selbst gerne Geld verdienen möchten. So ist vor wenigen Wochen Daimler als Großinvestor beim US-Unternehmen Charge Point eingestiegen, einem Anbieter, der genau so etwas kann. 33.000 Ladespots betreut das Unternehmen weltweit und will nun das Europageschäft ausbauen. Daimler hofft, dadurch verstärkt Elektrokunden zu gewinnen. "Mit Charge Point können wir unser Angebot deutlich ausbauen", sagt Axel Harris, der Leiter aller Unternehmensstrategien zum Thema bei Daimler. Es geht schließlich nicht nur ums Elektroauto selbst: "Wichtig sind intelligent vernetzte Ladelösungen."
Fotovoltaik
auf dem Dach
So beschäftigen sich die Erfinder des Autos neuerdings mit Dingen, die weit über das Erfinden eines Autos hinausgehen. Es geht um Ladeinfrastrukturen, um deren Vernetzung und natürlich um Strom. Harries verweist auf künftige Möglichkeiten fester Energiespeicher fürs Laden, etwa mit Photovoltaik auf dem Dach. Autonom sein von der Verfügbarkeit klassischer Stromnetzkapazitäten die Elektromobilität würde das merklich voranbringen (siehe auch Info). Bis dahin müssen es wohl die fast schon guten alten Säulen richten. Neben Daimler beteiligen sich deshalb BMW, Ford, Volkswagen, Porsche und Audi an einem Joint Venture, das in den nächsten drei Jahren ein Netz von 400 Schnellladestationen entlang der Hauptverkehrsachsen Europas bauen will. Klotzen statt kleckern lautet neuerdings die Devise. Vermutlich ist sie richtig mit Schippe und Bauhelm fürs Foto allein wird der Mobilitätswandel nicht gelingen.
Alex Mannschatz
INFO: Neue Aufgaben für alte Akkus
Wohin mit alten Batterien aus Elektroautos? So lautet die Frage am Ende der Wertschöpfungskette einer Lade-infrastruktur. Zusammen mit Vattenfall und Bosch testet der Autohersteller BMW zurzeit in Hamburg den Einsatz von Stromspeichern, die aus gebrauchten, aufladbaren Batterien von Elektrofahrzeugen gespeist werden. Ein Zukunftsprojekt, klar, denn nach heutigem Stand der Technik müssen wie in Hamburg etwa 2.600 Batteriemodule aus 100 Elektroautos zusammengeschaltet werden, um auf die Leistung von zwei Megawattstunden und eine Speicherkapazität von 2.800 Kilowattstunden zu kommen. Das reicht aus, um einen durchschnittlichen Single-Haushalt 20 Monate lang mit Strom zu versorgen. Der Batteriespeicher in Hamburg aber hat eine andere Aufgabe: Er soll Stromschwankungen im Netz ausgleichen, die bei der Energieeinspeisung durch Solar- und Windkraftanlagen entstehen.