Der Pariser Tourismus hat im vergangenen Jahr große Einbrüche hinnehmen müssen. Jetzt wird mit einer groß angelegten Kampagne gegengesteuert und die französische Hauptstadt weltweit als Destination mit überwältigendem Kulturangebot positioniert.
Ein bewölkter Frühlingstag in Versailles. Vor dem Schloss spucken Reisebusse ihre Ladung aus, vom Eingangsbereich staut sich die Schlange der Wartenden fast über den gesamten riesigen Platz. Geschätzte Wartezeit bis zum Einlass: zwischen einer und eineinhalb Stunden. Die Versailles-Besucher nehmen das jedoch gelassen hin, und Véronique sieht ausgesprochen zufrieden aus. Die Mitt-Vierzigerin arbeitet für das Pariser Fremdenverkehrsamt. Seit Monaten, sagt sie, habe sie hier vor einer der Hauptattraktionen im Großraum von Paris nicht so viele Menschen gesehen wie heute.
Kein Wunder, das letzte Jahr war kein Gutes für den Tourismus in Frankreich und vor allem für den in Paris nicht. Seit November 2015 kamen nach Paris 1,5 Millionen Besucher weniger als im Vorjahreszeitraum trotz der Fußball-Europameisterschaft. Insbesondere Touristen aus Übersee mieden die französische Hauptstadt nach den Anschlägen vom Januar und November 2015, zu groß war die Angst vor weiteren Attentaten, zu gedrückt war die Stimmung durch Ausnahmezustand und massiv erhöhte Sicherheitskontrollen. Zudem hatte das US-Außenministerium im Mai 2016 eine Reisewarnung für ganz Europa herausgegeben. Nach Angaben von Jean-François Martins, dem stellvertretenden Bürgermeister der Stadt, ging die Zahl der Touristen von Januar bis Oktober um elf Prozent zurück nach Angaben des Statistischen Amtes gab es im ersten Halbjahr 2016 rund zwölf Prozent weniger Übernachtungen als im Vorjahreszeitraum. Am massivsten sei der Rückgang bei japanischen und russischen Touristen gewesen, hieß es, den in der Regel zahlungskräftigen und ausgabefreudigen Besuchern. Insgesamt habe der Touristenschwund für Einnahme-Ausfälle von etwa 1,3 Milliarden Euro gesorgt, so der Tourismusverband der Hauptstadtregion Paris Ile-de-France.
Vor allem Japaner und Russen bleiben fern
Hotellerie und Gastronomie litten also massiv, in Luxushotels gab es im letzten Jahr zeitweise Nachlässe von bis zu 40 Prozent. Aber auch Museen, Geschäfte und Sehenswürdigkeiten bekamen den Rückgang der Besucherzahlen deutlich zu spüren. Der Tourismussektor steuere auf eine Katastrophe zu, warnte Frédéric Valletoux, der Präsident des Tourismusverbands der Großregion Paris, es müsse dringend etwas getan werden, um die an der Branche hängenden rund 500.000 Jobs zu sichern.
So wurde nicht nur als Reaktion auf die Einbußen von 2016 bereits Ende letzten Jahres eine groß angelegte Kampagne zur Stärkung des Tourismussektors vorgestellt, die nicht nur die Touristenzahlen in den kommenden Jahren auf das frühere Niveau zurückbringen, sondern Paris zur weltweit meistbesuchten Destination überhaupt machen soll.
Ein ambitionierter Plan, den rund 400 Vertreter Pariser Tourismusbetriebe gemeinsam mit den politisch Zuständigen aufgestellt haben und bei dem es unter anderem um eine Verbesserung von Infrastrukturmaßnahmen geht. So sollen Warteschlangen bei wichtigen Sehenswürdigkeiten wie dem Eiffelturm verkürzt, Ticketverkauf und -angebot kundenfreundlicher gestaltet werden. Ein weiterer Punkt ist die Steigerung des Sicherheitsgefühls besonders wichtig für die Gäste aus Übersee. Der Fuß des Eiffelturms beispielsweise wird eine Schutzwand aus schusssicherem Glas erhalten zum Schutz vor Terroranschlägen. Das 20 Millionen Euro teure Projekt wurde vor wenigen Wochen einstimmig vom Stadtrat beschlossen die Baumaßnahmen sollen 2018 beendet sein. Außerdem will Paris eine "destination à tous" (ein "Reiseziel für alle") werden, was bedeutet, dass man zeitnah verstärkt in die Barrierefreiheit investieren wird. Zudem soll der öffentliche Nahverkehr weiter ausgebaut werden.
Die Infrastruktur ist das Eine, das touristische Angebot an sich das Andere. Hier positioniert sich Paris samt umgebender Region Ile-de-France als Destination mit schier unüberschaubarer Dichte an kulturellen Highlights und kommuniziert das seit Mitte des Vormonats auch auf einer von den verschiedenen Partnern unterstützten Plattform im Netz. Das Besondere daran?
Nicht nur, dass hier die Stadt Paris, die Region Ile-de-France, Kultur- und Außenministerium an einem Strang ziehen. Über Partei- und administrative Grenzen hinweg. Was für französische Verhältnisse nicht selbstverständlich ist. So unterstützen Anne Hidalgo, die Pariser Bürgermeisterin, die Mitglied der Parti Socialiste ist, und Valérie Pécresse, die Regionalpräsidentin von den Republikanern, die gemeinsame Vermarktung kultureller Angebote in der Großregion, ebenso wie die parteilose Kulturministerin Audrey Azoulay und das vom Sozialisten Jean-Marc Ayrault geführte Außenministerium. Nur wenige Wochen vor den Wahlen gaben Hidalgo, Azoulay und Pécresse gemeinsam den Startschuss für die "saison culturelle 2017" bei einem Festakt in der Pariser Opéra Garnier und unterstreichen dabei einhellig trotz aller politischer Differenzen die Bedeutung von Kultur nicht nur als wichtigen Motor für den Tourismus, sondern als unverzichtbare Basis des gemeinsamen Zusammenlebens gerade in schwierigen Zeiten. Wie sagte die Sozialistin Hidalgo? Paris sei schon immer ein Zufluchtsort gewesen, auch für jene, die nach einem Ort suchten, um ihre Kunst auszuleben. Und Regionalpräsidentin Valérie Pécresse unterstrich, dass die "Peripherie" nicht nur negativ behaftet sein müsse, sondern auch vieles an kulturellen Entdeckungen biete.
Musik, Film und Kunst sollen Besucher anziehen
Und so findet sich in der Übersicht der "saison culturelle 2017" eine Vielzahl von hochkarätigen Veranstaltungen in der Großregion unter anderem aus der Malerei und Musik, aus Tanz, Literatur, Film, Fotografie und Design. Und große Institutionen wie der Louvre, das Musée dOrsay, die Philharmonie, das Centre Pompidou neben kleineren Kulturzentren und Galerien. Im Grand Palais beispielsweise sind bis Ende Juli Meisterwerke des Bildhauers Rodin neben Arbeiten von Picasso, Brancusi oder Giacometti zu sehen. Das "104" im multikulturellen 19. Arrondissement zeigt raumfüllende Installationen des Schweizers Zimoun. Und in der Region versuchen Kulturorte wie das FRAC in Rentilly Kunstinteressierte aus dem Stadtzentrum zu locken. Bei einem solchen Angebot ist schon jetzt klar, dass die Kultursaison 2017 in Paris dafür sorgen wird, das Touristenminus des letzten Jahres mehr als wettzumachen.
Sabine Loeprick
www.saisonculturelle.fr