Runderneuerte Reifen, genauer Check des Triebwerks oder Überarbeitung der Passagierkabine: Die Lufthansa Technik wartet in Schönefeld jährlich mehrere Hundert Flieger. Und scharrt mit den Hufen, die neue Halle am künftigen BER beziehen zu können.
Von außen macht sie erst mal nichts her, aber von innen ist sie top: In der Wartungshalle der Lufthansa Technik dürfen sich hochmoderne Flugzeuge eine Auszeit von ihrem Flugalltag nehmen. Gut betreut von den fachkundigen Mitarbeitern des Unternehmens. Im Südosten des Irgendwann-Einmal-Flughafens Berlin Brandenburg (BER) werden die Jets für ihre nächsten Einsätze fit gemacht in einem reichlich in die Jahre gekommenen Gebäudekomplex der früheren DDR-Airline Interflug.
Die Lufthansa Technik ist eine von 20 in Berlin ansässigen Konzerngesellschaften der Lufthansa und betreibt in der "Region Ost" die Flugzeugwartung mit etwa 400 Mitarbeitern an den Standorten Tegel, Schönefeld und Leipzig. In Schönefeld sind die Wartungsspezialisten gleich zweimal vertreten: Im nördlichen Bereich des alten Flughafens erledigen sie kleinere Arbeiten, im Süden am BER dominieren die großen Checks.
An diesem Vormittag ist die Halle gut ausgelastet, vier Maschinen sind in Bearbeitung. Bei dreien prangt auf der Heckflosse der berühmte Lufthansa-Kranich, der schrille Orangeton weist ein weiteres Flugzeug als Teil der Easy Jet-Flotte aus die Lufthansa Technik betreut nicht nur Airlines der großen Lufthansa-Familie, sondern auch eine ganze Reihe von konzernexternen Kunden. Die Arbeitsatmosphäre ist ruhig und konzentriert, die Halle selbst und die Flugzeuge sind sauber und aufgeräumt, der Lärmpegel hält sich in Grenzen.
Die Flugzeuge werden von flachen, gedrungenen Fahrzeugen in die Halle geschleppt und in hohen Gerüsten platziert, die Docks heißen die "Luftschifffahrt" lässt grüßen. Von diesen Docks aus können die Mitarbeiter jeden Punkt der Maschinen gut erreichen. Im ersten ist gerade ein Airbus A321 in der Mache, ein klassischer Kurz- und Mittelstreckenflieger. Wie alle Flugzeuge der Lufthansa wurde er bei seiner Inbetriebnahme getauft und trägt seitdem den hübschen Namen "Lindau".
Von den einzelnen Plattformen des Docks eröffnen sich immer neue Perspektiven und Einblicke viele Luken und Türen des Jets stehen offen, an etlichen Stellen wird gleichzeitig gewerkelt. Aufregend die Sicht von der obersten Plattform: Wann sonst ergibt sich die Gelegenheit, ein Flugzeug aus der Vogelperspektive zu betrachten? Der Rücken der Lindau sieht jedenfalls ganz schön windschnittig aus. Ins Auge fallen auch etliche Schaumstoffbälle, die auf den herausragenden Blitzableitern stecken und die Mitarbeiter vor Verletzungen schützen sollen. "Die Idee dazu kam von den Leuten selbst", erklärt Martin Hähnel, Direktor Lufthansa Technik Berlin. Er ist unter anderem Chef von rund 250 Mitarbeitern am Standort Schönefeld Ingenieure, Flugzeugmechaniker, Flugzeugelektroniker oder Metallflugzeugbauer. Die meisten haben ihren Beruf direkt bei der Lufthansa Technik gelernt, einige sind aber auch bereits seit Interflug-Zeiten mit dabei.
Am Boden der Halle arbeitet ein Mechaniker direkt neben dem geöffneten Triebwerk der Lindau. Er prüft auf seinem Werktisch verschiedene Verbindungsdrähte eines Objekts, das so aussieht wie ein auf Hochglanz poliertes Ofenrohr. Es entpuppt sich als Teil des Triebwerks, das im Flugbetrieb heiße Luft aus dessen Innerem führt und dafür sorgt, dass die äußeren Teile nicht vereisen.
Beeindruckend auch die Reifen: Die bis auf wenige Längsrillen glatten Gummigiganten werden mehrere Male runderneuert. "Bei einem Flugzeugreifen spielt das Profil keine Rolle, da die Stabilisierung beim Landen über die Luftkräfte erfolgt. Aquaplaning ist da kein Thema", erklärt Hähnel. Belastet werde der Reifen vor allem, wenn das Flugzeug in seine Startposition rollt, durch das große Gewicht des Fliegers werden die Reifen bei der langsamen Fahrt stark gewalkt und geknetet. Um den Zustand der Reifen zu analysieren, werden diese regelmäßig geröntgt.
Durchdachte Arbeitsroutinen
Gearbeitet wird in der früheren Interflughalle im Dreischichtbetrieb. Jeden Morgen treffen sich die Mitarbeiter an einer Art schwarzem Brett zum "Leistungsdialog": Dort werden die Arbeitsaufträge für die Schichten angepinnt, so ist genau zu sehen, was an welchem Flugzeug zu tun ist. Für jeden einzelnen Arbeitsschritt erhalten die Mitarbeiter eine "Jobkarte" mit praktikablen Arbeitsanweisungen.
Die Arbeit läuft in strengen Routinen und Intervallen: Für jedes Flugzeug, das in den Dienst gestellt wird, verfassen schon die Hersteller einen umfangreichen Wartungsplan. Dieser "Maintenance Schedule" umfasst mehrere Tausend Punkte, im Fachjargon "Items" genannt. Manche Inspektionsrhythmen richten sich nach verstrichener Kalenderzeit, andere müssen nach einer bestimmten Anzahl von Starts und Landungen erfolgen, wieder andere werden nach einer festgelegten Zahl von Flugstunden fällig. So wird etwa ein Feuerlöscher in regelmäßigen Zeitabständen kontrolliert, für den ist es egal, ob das Flugzeug steht oder fliegt. Das Fahrwerk hingegen wird bei den Starts und Landungen besonders beansprucht und muss nach einer gewissen Anzahl von Take-offs geprüft werden. Und ein Triebwerk wird nach einer bestimmten Anzahl von Flugstunden gecheckt, sein Verschleiß ist umso größer, je länger es in Betrieb ist.
Aus den verschiedenen Items werden Wartungspakete zusammengestellt. So werden etwa der Reifendruck und die Ölstände am Triebwerk alle zwei Tage kontrolliert. Solche Arbeiten erfolgen im Rahmen der "Line Maintenance". Dabei bleibt das Flugzeug im Flugplan, für die Inspektionen werden natürliche Bodenzeiten genutzt. Die liegen in Europa meist in der Nacht, weil in aller Regel zwischen 23 Uhr und 5 Uhr kein Flugbetrieb herrscht. "In diesen Nightstops laufen zehn bis zwölf Mitarbeiter auf Hochtouren und kommen zusammen locker auf bis zu 100 Mannstunden", berichtet Hähnel.
Von der Line Maintenance zur Base Maintenance
Etliche wichtige Wartungsarbeiten können aber in der kurzen Zeit, die für die Line Maintenance zur Verfügung steht, nicht ausgeführt werden. Dafür sind längere Bodenzeiten nötig. Für die Checks der sogenannten "Base Maintenance" müssen die Flieger für mindestens zwei Tage und sogar bis zu drei Wochen in den Hangar. Die verschiedenen Checks sind mit Buchstaben gekennzeichnet: Der zwei- bis dreitägige C-Check etwa ist ein Klassiker der Base Maintenance; früher erfolgte er grundsätzlich alle zwölf Monate. "Modernere und zuverlässigere Maschinen müssen nur noch alle 24 Monate für den C-Check ins Dock", so Hähnel. Aufwendiger sei der IL-Check (Intermediate Layover), bei dem man nach sechs Jahren auch die Passagierkabine erneuere sowie vom Hersteller vorgeschlagene neue Technik einbaue. Die Krönung schließlich bilde der D-Check: Nach zwölf Jahren wird die gesamte Flugzeug-Struktur komplett freigelegt und detailliert kontrolliert.
Um auf der sicheren Seite zu sein, werden die jeweiligen Wartungsintervalle bei neuen Flugzeugen zunächst relativ kurz angesetzt, etwaige Produktionsfehler sollen rasch erkannt werden. Mit zunehmender Lebenszeit des Flugzeugs, wenn klar ist, dass alles rundläuft, können manche Intervalle gestreckt werden: Bei einer Pumpe etwa, die zehnmal nach jeweils 100 Flugstunden ohne Befund kontrolliert wurde, kann auf Antrag das Intervall auf 110 Stunden oder 120 Stunden verlängert werden. Das spart Kosten. Im Lebenszyklus eines Flugzeugs gibt es einen Optimalpunkt, an dem die Wartungskosten am niedrigsten sind. Danach wird das Flugzeug älter und die Wartungskosten steigen. Sorgsam wägt ein Konzern wie die Lufthansa deswegen ab, wann es aus Sicht der Wartung sinnvoll ist, die Flotte zu erneuern.
Dabei kommen auch andere Aspekte zum Tragen. "Als modernes Luftfahrtunternehmen legen wir nicht nur wegen der Wartungskosten, sondern auch aufgrund der hohen Spritkosten Wert auf eine möglichst moderne Flotte", erläutert Wolfgang Weber, der für die Lufthansa Group am Standort Berlin für die Unternehmenskommunikation zuständig ist. "Bei uns werden Flugzeuge nicht alt. Ein 25-jähriges Flugzeug ist bei uns ein Methusalem." In der Regel verkaufe man die Flugzeuge vorher etwa nach Amerika, Asien oder Osteuropa, wo sie noch viele Jahre geflogen werden. Die Lufthansa Technik habe als Weltmarktführer auf ihrem Gebiet einen so guten Ruf, dass die gut gepflegten Gebrauchten höchste Preise auf dem internationalen Markt erzielen. "Man kann auch ein sehr altes Flugzeug luftrechtlich und lufttechnisch sicher betreiben", bestätigt Hähnel. Allerdings werde der Betrieb aufgrund der aufwendigeren Wartung immer teurer.
Warten auf Godot
Obwohl der Wartungsbetrieb in Schönefeld reibungslos läuft, warten die Strategen der Lufthansa und der Lufthansa Technik sehnsüchtig auf die Eröffnung des BER. Derzeit lautet der Plan, dass dann der Wartungsstandort Tegel geschlossen wird und die Mitarbeiter nach Schönefeld wechseln. "Hier war schon alles vorbereitet, wir hatten sogar schon Namensschilder der Mitarbeiter an den Spinden angebracht", erinnert sich Hähnel. Und Weber klagt: "Das Schlimme für uns ist, dass niemand weiß, wie es vorangeht. Der heutige Hangar soll nach 2020 abgerissen werden und Platz für den Ausbau des BER schaffen. Ein im Bau befindlicher Rollweg vor der Halle schränkt bereits heute die Wartungsabläufe erheblich ein. Aber keiner kann uns sagen, wann es soweit ist." Man wisse ja noch nicht einmal mit absoluter Sicherheit, ob sich die immer wieder aufflammenden Überlegungen, Tegel offenzuhalten, am Ende doch noch durchsetzen. "Wir haben hier am BER weiter westlich bereits einen neuen Hangar gebaut, der vollständig operativ ist. Den können wir nicht nutzen, weil der Flughafen nicht am Netz ist", schließt Weber.
In der aktiven Lufthansa-Wartungshalle schreitet die Arbeit an der Lindau derweil Stück für Stück voran. Immer wenn ein Arbeitsgang abgeschlossen ist, erfolgt eine Fremdkörperkontrolle, damit nicht etwa ein Lappen oder ein Schraubenzieher im Triebwerk vergessen wird. Beim Flug könnte das fatale Folgen haben. Daher hängt an den betreffenden Stellen eine lange rote Fahne. Die Aufschrift macht eine klare Ansage: "Remove before flight!"
Von Ute Christina Bauer
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