Für Unternehmen gibt es in der Großregion viele Möglichkeiten, grenzüberschreitend zu arbeiten. In der Praxis bereiten zu viele Netzwerke und mangelnde Sprachkenntnisse jedoch oft Schwierigkeiten.
SaarLorLux, Großregion, Moselle, Saarland und Luxemburg als Kerngebiet, jetzt auch noch Grand Est in Frankreich, die Wallonie in Belgien, Rheinland-Pfalz in Deutschland und nicht zu vergessen die deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens dieser künstlich geschaffene Regionalraum mit einer Vielzahl von Namen wächst immer mehr. Nur leider nicht zusammen. Da wundert es kaum, dass es immer wieder Bestrebungen einzelner Gebietskörperschaften gibt, aus dem einen oder anderen nationalen Konstrukt auszubrechen wie jüngst das Elsass. Die beiden Départements Bas Rhin und Haut Rhin, bei uns besser bekannt unter den Nummern der Départements 67 und 68, würden nur allzu gern die erst 2016 an den Start gegangene Megaregion Grand Est wieder verlassen. Doch Frankreichs neuer Präsident Emanuel Macron hat erst mal andere Sorgen, als die ungeliebte Reform der Gebietskörperschaften wieder aufzuschnüren. Erst 2020 und 2021 stehen Neuwahlen auf kommunaler und regionaler Ebene an. Eine lange Zeit. So dürfte es wohl erst einmal bei diesem Megakonstrukt bei unseren Nachbarn bleiben.
Doch wenn schon die Landespolitiker mit dieser Megaregion und ihren ständig wechselnden Ansprechpartnern hadern irgendwo finden immer Wahlen statt , wie sollen dann erst die Menschen und Wirtschaftsunternehmen zueinander finden? Immerhin leben und arbeiten in dem Raum von Basel, Mulhouse über Châlons-en-Champagne, Namur und Charleroi in Belgien, Luxemburg bis hin nach Saarbrücken und Koblenz rund 15 Millionen Menschen. Politisch fehlt es dieser Megaregion an einer legitim gewählten Identifikationsfigur und an einem gemeinsam verwalteten Budget. Oftmals laufen auch die politisch gemeinsam verfassten Ziele diametral auseinander, lautet ein viel gemachter Vorwurf aus der Wirtschaft und der Bevölkerung.
Oft nur lose Kontakte nach Deutschland
Es gibt zwar eine gute Vernetzung und Institutionen wie das Städtenetzwerk QuattroPole im grenzüberschreitenden Raum, aber außer Sonntagsreden kommt nicht viel dabei heraus. Doch kann die Wirtschaft Vernetzung wirklich besser und wenn ja, sind die vielen Interessenverbände, Clubs und Kammern grenzüberschreitend so aktiv wie allgemein behauptet?
Neben den großen Kammern wie der IHK Saarland, der CCI Chambre de Commerce et dIndustrie de Grand Est, Anfang des Jahres aus den CCI in Lothringen, Elsass und Champagne Ardennes hervorgegangen, und der Industrie- und Handelskammer in Luxemburg sowie den jeweiligen Handwerkskammern in den drei Ländern gibt es eine Vielzahl von Berufs- und Branchenverbänden, die in der Regel aber nur national ausgerichtet sind. Allein in Lothringen, vor allem in Metz und Nancy, tummeln sich rund 120 Interessenvertretungen ganz unterschiedlicher Branchen, angefangen bei den Wirtschaftsjunioren über Netzwerke zur Vermittlung von Kapital für den Klein- und Mittelstand bis hin zu Clubs für Wirtschaftsbosse, die sich mit Fragen wie Ethik im Kapitalismus, demografischer Wandel oder Diversifizierungsstrategien auseinandersetzen. Über die Internet-Plattform www.portaildesreseaux.com sind sie alle fein säuberlich aufgelistet und beschrieben, allerdings nur in französischer Sprache. Wer auf dem französischen Markt unterwegs ist, dürfte sicherlich fündig werden und den einen oder anderen Kontakt knüpfen.
Mögen die Interessenverbände oder Clubs auch lose Kontakte nach Deutschland haben, so richtig grenzüberschreitend sieht das nicht aus. Das bestätigt auch der ehemalige Gründer und Förderer Roger Hary des Entreprendre en Lorraine Nord (ELN) in Thionville. Hinter dieser Wirtschaftsvereinigung, die zu den größeren in Lothringen zählt und zu den Ausrichtern der jährlich stattfindenden Einkäufermesse Salon à lEnvers gehört, steckt der französische Stromgigant EDF als potenter Geldgeber. Die meisten Clubs und Verbände haben eines gemeinsam: Sie sind zu klein, um Gehör zu finden, und finanziell vollkommen abhängig. "Wer beschimpft schon seine Geldgeber in der Öffentlichkeit, um seinen Positionen Nachdruck zu verleihen", erklärt Hary das Dilemma. Stadt, Gemeinde, Département oder die IHK geben gerne Geld und sorgen so für eine starke Abhängigkeit.
Erschwerend kommt die Wirtschaftsstruktur in Lothringen hinzu. Der Klein- und Mittelstand sei weniger stark ausgeprägt als im Saarland, und die angesiedelten Großkonzerne unterhalten in der Region lediglich Filialen, die in Sachen grenzüberschreitende Verbindungen sowieso nichts entscheiden dürften. Ganz zu schweigen von den Sprachproblemen.
Richtig grenzüberschreitend und gleichberechtigt in allen Belangen ist zumindest der Club des Affaires Sarre-Lorraine. Seit fast 30 Jahren dies- und jenseits der Grenze mit Veranstaltungen und Infotreffen aktiv scheint dem Club in den letzten Jahren allerdings ein wenig die Puste auszugehen. Stellungnahmen zu grenzüberschreitenden Themen wie der geplanten Maut sind kaum zu finden. Niedrige Mitgliedsbeiträge und rein ehrenamtliches Engagement lassen aber leider kaum professionelle Strukturen zu. Deutsch-französische Wirtschaftsclubs gibt es übrigens in mehreren deutschen Bundesländern und Regionen Frankreichs.
Besser aufgestellt ist da der Arbeitskreis Wirtschaft (AKW) mit einer Geschäftsstelle in Saarbrücken, einem regelmäßigen Veranstaltungsprogramm und grenzüberschreitenden Kontakten, zumindest nach Luxemburg zum Schwesterverein Cercle économique du Luxembourg. Besonders für den Klein- und Mittelstand können interessante grenzüberschreitende Kontakte geknüpft werden. Das Bemühen, auch zu Lothringen Kontakte zu pflegen wie zum ELN, ist zumindest durch eine Arbeitsgruppe im AKW gegeben. Aber Sprachprobleme erweisen sich auch hier als Hindernis.
Der Mittelstand ist weniger stark ausgeprägt
Grenzüberschreitend, wenigstens im Namen, ist auch der Wirtschaftsclub Saar-Pfalz-Moselle, der seit 2001 Interessenten aus Industrie und Wirtschaft zusammenbringt und ein regelmäßiges Jahresprogramm auf die Beine stellt. Allerdings ist das Programm sehr deutschlastig ausgerichtet.
Komplett zweisprachig kommt das in den 80er Jahren gegründete WTC World Trade Center Metz-Saarbrücken daher. Die beiden Industrie- und Handelskammern, Regionalrat und Wirtschaftsministerium sowie die Städte Metz und Saarbrücken haben das WTC auf den Weg gebracht, das heute eine Reihe wichtiger grenzüberschreitender Themen in der praktischen Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Frankreich für Wirtschaftstreibende bearbeitet.
Lobenswert ist sicherlich die Kooperation der verschiedenen Kammern, Verbände, Clubs oder Vereinigungen, wenn es konkret um ein ganz bestimmtes Thema geht wie das französische Entsendegesetz, das französische Arbeitsrecht, die Besteuerung oder die französische Marktbearbeitung. Gut schon deshalb, weil man sich bei teuren Referenten die Kosten teilen kann. Auffällig ist allerdings, dass die Initiative oftmals nur von deutschen, luxemburgischen oder französischen Verbänden allein ausgeht. Veranstaltungen mit grenzüberschreitenden Themen, die Deutsche, Franzosen und auch Luxemburger in der Großregion gleichermaßen interessieren, muss man suchen.
So stellt sich schlicht und ergreifend die Frage, ob es nicht zu viele kleine Interessenverbände dies- und jenseits der Grenzen gibt und ob es nicht sinnvoller wäre, Kräfte zu bündeln, um die Wirtschaftsinteressen gegenüber der Politik stärker zum Ausdruck zu bringen. Aber derzeit wagt es keiner, an diesem gewachsenen System im jeweiligen Land zu rütteln oder gar etwas zu verändern.