Nüsse sind laut einer aktuellen Metastudie die neuen Allroundhelfer im Kampf gegen Killerleiden wie Krebs, Schlaganfall oder Herzinfarkt. Schon eine tägliche Dosis von 20 Gramm kann demzufolge das Erkrankungsrisiko ganz erheblich reduzieren.
Während Nüsse in früheren Jahrhunderten ganz selbstverständlich ein wichtiger Bestandteil der Ernährung waren, wurde ihnen in der modernen, dem Schlankheitswahn verpflichteten Gesellschaft ein schlechtes Image als Dickmacher zugeschrieben. Obwohl dank verschiedener Studien nachgewiesen werden konnte, dass es keinerlei Zusammenhang zwischen Nusskonsum und Übergewicht gibt sofern die von ihren Schalen befreiten Hartkerne, bei denen es sich allesamt um Pflanzensamen handelt, nicht gleich schälchenweise gefuttert werden. Mediterrane Südländer, die gemeinhin um ihre gute Figur beneidet werden, verspeisen die doppelte Menge an Nüssen wie beispielsweise die für Fettleibigkeit besonders anfälligen Amerikaner.
Nüsse sind als "Allheilmittel" seit Jahrzehnten bekannt
Und obwohl Forscher in den vergangenen zwei Jahrzehnten immer wieder verblüffende Ergebnisse vorlegen konnten, wonach ein kontinuierlicher Nusskonsum das Risiko, an verschiedensten, gravierenden Leiden zu erkranken, deutlich reduzieren kann, wurde dies öffentlich kaum zur Kenntnis genommen. Schon 1992 konnte einer in Kalifornien publizierten Studie entnommen werden, dass die Häufigkeit von Herzinfarkten umso stärker abnimmt, je mehr Nüsse jemand isst. Ähnlich positive Auswirkungen wurden dem Nussverzehr von wissenschaftlicher Seite zur Senkung des "schlechten" Cholesterins und des hohen Blutdrucks zugeschrieben, auch bei der Ausbildung von Diabetes Typ 2 wurde ihm ein wirksamer Vorbeuge-Effekt zuerkannt. Auch gegen Krebs, Schlaganfall oder Atemwegserkrankungen wurden Nüsse als Allheilmittel ins Feld geführt.
Ob man das alles glauben kann, stellte zuletzt im Dezember 2015 ein Beitrag der "Süddeutschen Zeitung" infrage. Damals hatten Forscher der niederländischen Universität Maastricht im "International Journal of Epidemology" eine Studie mit 120.000 Probanden veröffentlicht. Schon 15 Gramm Nüsse pro Tag sollten demnach genügen, um für ein gesünderes und längeres Leben zu sorgen. "Wissenschaftler spekulieren schon länger darüber", so die "Süddeutsche Zeitung", "dass der hohe Anteil an ungesättigten Fettsäuren und Antioxidantien in Nüssen die positiven Effekte auf die Gesundheit erklären könnte und Herz und Blutgefäße geschmeidig hält." Das Studienergebnis könne aber auch damit zu erklären sein, dass Menschen, die regelmäßig Nüsse essen, sich generell gesünder und ausgewogener ernähren.
Eine Handvoll Nüsse pro Tag verlängern das Leben
In der "Zeit" hatte man im Unterschied zur "Süddeutschen" die damaligen "Kernforschungsergebnisse" viel wohlwollender kommentiert: "Früher hatte es geheißen, Nüsse sind zu fettreich und machen dick. Heute sollen sie das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen senken, vor Krebs schützen und bis ins hohe Alter die kognitiven Fähigkeiten bewahren." Auf Nachfrage bei dem renommierten Ernährungsforscher Jordi Salas-Salvadé von der katalanischen Universität Rovira i Virgili in Tarragona kam die "Zeit" zu folgendem Fazit: "Wer täglich eine Portion Nüsse isst, kann das Risiko von Komplikationen von Herz-Kreislauf-Erkrankungen mindern."
Und nicht nur das, wie eine aktuelle Metaanalyse zeigt, die von einem Team britischer und norwegischer Wissenschaftler unter Leitung von Teresa Norat vom Imperial College London, einer der englischen Super-Elite-Unis, im Online-Fachjournal "BMC Medicine" veröffentlicht wurde. Nach Auswertung der Ernährungsgewohnheiten von insgesamt 819.000 Probanden in 29 Langzeitstudien, wobei Zehntausende der Teilnehmer an Herz-Kreislauf-Leiden oder Krebs erkrankt beziehungsweise von Schlaganfall oder Infarkten betroffen waren, stellte sich heraus: Wer mindestens 20 Gramm Nüsse am Tag geknabbert hatte, was etwa einer Handvoll entspricht, hatte sich statistisch gesehen einen messbaren Gesundheitsvorteil verschaffen können, am Ende sogar auch einen Überlebensvorteil.
Die ölhaltigen Samen wurden als effektive Allround-Helfer im Kampf gegen alle möglichen Krankheiten bezeichnet, sogar gegen viel mehr Leiden, als bislang allgemein vermutet wurde. Wer effektiv chronischen oder infektiösen Erkrankungen vorbeugen, wer sich gegen das frühzeitige Ableben durch Herzinfarkt, Schlaganfall oder Krebs wappnen möchte, für den kann es aus Sicht der Forscher eine ganz einfache Lösung geben: eine tägliche Dosis von 20 Gramm Nüssen. Wichtig sei dabei vor allem auch, dass die Kerne regelmäßig konsumiert werden (und nicht nur während der Advents- und Weihnachtszeit). Keinen Sinn mache es allerdings, über diese Menge hinaus noch Nüsse quasi tütchenweise zu verspeisen. Denn damit ließen sich keine zusätzlichen Gesundheitsvorteile erzielen. Der früheren Empfehlung der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde braucht also keine Folge geleistet werden: "Die wissenschaftliche Evidenz legt nahe, aber beweist nicht, dass 42 Gramm täglich von den meisten Nüssen das Risiko für Herzerkrankungen mindern." Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung hatte 25 Gramm für diesen Zweck als ausreichend angesehen.
"Das Risiko ist klar reduziert", betonen die Wissenschaftler nun in der Metaanalyse, und zwar nicht nur bei Gefäß- und Herzleiden, wie man wegen der vielen ungesättigten Fettsäuren, Antioxidantien, des Magnesiums oder der pflanzlichen Fasern schon länger spekuliert hatte. Denn auch, was die Prävention gegen Krebs angeht, sind sich die Wissenschaftler nun ein ganzes Stück weit sicherer geworden: Um 15 Prozent sei das Risiko an Krebs zu erkranken reduziert, um 30 Prozent bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen, gar um 40 Prozent bei Diabetes und sogar um 50 Prozent bei Lungenleiden. Allein für das Jahr 2013 errechneten die Forscher eine Zahl von 4,4 Millionen Menschen weltweit, die zu früh gestorben waren, weil sie keine ausreichende Menge an Nüssen, sprich täglich 20 Gramm, gegessen hatten. Was die "FAZ", die die Metaanalyse kurz vorgestellt hatte, zu folgender Aufforderung an ihre Leser veranlasste: "Leute, knabbert euch gesund."
Dick wird man dabei keineswegs zwangsläufig. Auch wenn die Nüsse natürlich einen hohen Fettanteil zwischen rund 40 und 70 Prozent haben und damit kalorienreich sind, aber dafür kaum und noch dazu leicht verwertbare Kohlehydrate enthalten. Doch wegen der ballaststoffreichen Früchte entleert sich der Magen langsamer, wodurch das Sättigungsgefühl länger anhält. Zusätzlich drosseln die proteinreichen Kerne das Hungergefühl. Und die ungesättigten Fettsäuren kurbeln die kalorienverbrauchende Wärmeproduktion im Körper an. Wobei ungesalzene, rohe Nüsse am verträglichsten sind, gefolgt von fettfrei gerösteten Nüssen. Für den täglichen Bedarf am sinnvollsten ist es, die Nüsse statt eines anderen Lebensmittels zu essen und nicht noch als zusätzlicher Snack.
Da bislang völlig ungeklärt ist, welche Nussart unter gesundheitlichen Aspekten die wirksamste ist, empfiehlt sich ein Kerne-Mix. Dadurch kann man von den Besonderheiten aller darin enthaltenen Nüsse profitieren. Die Mandel ist besonders ballaststoffreich. Die Cashew enthält viel Eiweiß. Macadamias haben das meiste Fett, die Walnüsse die meisten ungesättigten Fettsäuren und eine gesunde Form des Vitamin E.
Wie überhaupt alle Nüsse prall und randvoll mit gesunden Substanzen sind: vor allem die schon genannten ungesättigten Fettsäuren, speziell die geschätzten Omega-3-Fettsäuren, dazu ein hoher Anteil an Vitamin E und B-Vitaminen wie Folsäure, dann Mineralstoffe beziehungsweise Spurenelement wie Zink, Eisen, Phosphor oder Magnesium sowie sekundäre Pflanzenstoffe wie Phenolsäuren. Dass nicht alles, was wir gemeinhin unter dem Begriff Nüsse zusammenfassen, aus botanischer Sicht tatsächlich dazu gehört, sei nur kurz noch angemerkt. Denn "Nüsse" ist eigentlich nur der Sammelbegriff für Hartschalenobst wie Haselnüsse. Nicht aber beispielsweise für Erdnüsse, die zu den Hülsenfrüchten gehören.
Peter Lempert