Der Chefarzt und Chirurg Dr. med. Bernd Ablaßmaier gilt als Experte für Reflux den Rückfluss von Magensäure in die Speiseröhre. Im Interview spricht er über verschiedene Arten von Reflux, mögliche Symptome sowie Gefahren und Operationen.
Herr Dr. Ablaßmaier, tritt Reflux immer in Verbindung mit einer Magenschleimhautentzündung auf? Welche Beschwerden kann er hervorrufen?
Reflux und Gastritis haben ähnliche Symptome. Gastritis ist aber nicht die Ursache von Reflux. Die Ursache ist ein fehlerhafter Verschluss am Mageneingang. Bei Reflux sprechen wir vom Rückfluss von Mageninhalt in die Speiseröhre, vom gastro-ösophagealen Reflux.
Die typischen Symptome sind Sodbrennen, ein brennendes Gefühl hinter dem Brustbein, drückende Oberbauchbeschwerden und Völlegefühl nach dem Essen. Verstärkt wird das brennende Gefühl hinter dem Brustbein oft nach bestimmten Speisen wie Wein, Sekt oder Süßigkeiten sowie im Liegen. Auch Räusperzwang, Ohrendruck, Aufstoßen, ein Fremdkörpergefühl im Hals (Globusgefühl) und lange anhaltende Schluckbeschwerden können durch Reflux ausgelöst werden.
Bei einer Gastritis treten meist unspezifische Beschwerden wie wiederkehrende, zum Teil sehr starke Schmerzen im Oberbauch auf. Auch Völlegefühl, nichtsaures Aufstoßen, Appetitlosigkeit, Schlafstörungen oder Abgeschlagenheit können auf eine Gastritis hindeuten.
Welche Ursachen haben Reflux und Gastritis?
Die Ursachen von Reflux und Gastritis sind völlig unterschiedlich. Bei Reflux ist die Ursache fast immer ein Defekt im Verschlussmechanismus am Mageneingang. Dann kann saurer Mageninhalt leicht in die Speiseröhre aufsteigen. Betont werden muss, dass im Körper im Magen nicht zu viel Magensäure vorhanden ist, sondern dass Magensäure an den falschen Platz gelangt: in die Speiseröhre. Im Magen dient die Säure zur Verdauung. Die Schleimhaut des Magens ist dabei gegen die Säure geschützt. Verdaut wird nur die Nahrung im Magen. Gleichzeitig dient die Magensäure zum Schutz gegen Krankheitserreger. Viele Bakterien zum Beispiel werden durch die hohe Säurekonzentration abgetötet.
Die Schleimhaut der Speiseröhre verfügt hingegen über keinen Schutz gegen die Salzsäure aus dem Magen. Wenn die Säure bei einem defekten Verschluss am Übergang von Speiseröhre zu Magen in anormal hoher Menge in die Speiseröhre zurückfließt, kann sich die Speiseröhrenschleimhaut entzünden und sichtbare Schäden (Erosionen) entwickeln.
Welche Arten von Reflux gibt es?
Der Säurerückfluss kann flüssig oder gasförmig sein. Je nach Schweregrad des Reflux können verschiedene Krankheitsstufen unterschieden werden.
GERD ist die englische Abkürzung für Refluxösophagitis ("gastroesophageal reflux disease") und bezeichnet eine Unterform der Refluxkrankheit, die mit sichtbaren Veränderungen der Schleimhaut in der Speiseröhre verbunden ist und folglich auch als ERD ("erosive reflux disease") bezeichnet wird.
Ihr gegenüber steht die NERD. So lange die Schleimhaut in der Speiseröhre nicht angegriffen ist, treten zwar die typischen Symptome wie Sodbrennen auf, bei der Spiegelung von der Speiseröhre finden sich jedoch keine sichtbaren Schleimhautschäden. Dies wird als nicht-erosive Refluxkrankheit bezeichnet. Auch im Deutschen wird hierfür die englische Abkürzung NERD, Akronym für "non erosive reflux disease", verwendet.
Und der sogenannte Stille Reflux?
Der Stille Reflux deckt sich weitgehend mit dem in der medizinischen Fachliteratur verwendeten Begriff "extraösophageale Symptome". Bezeichnet werden damit alle durch die zurückfließende Säure hervorgerufenen Auswirkungen, Symptome außerhalb der Speiseröhre. Der Reflux ist damit nicht mehr still. Die Bezeichnung Stiller Reflux ist irreführend, denn es kommt zu Schädigungen außerhalb der Speiseröhre. Durch Säurereizung an den Stimmbändern und im Kehlkopf kommt es zu Laryngitis mit Halsschmerzen, Heiserkeit und Problemen beim Sprechen. Die Entzündungen im Hals können zu Schwellungen und damit zu Schluckbeschwerden führen. Es kommt zu einem Engegefühl im Hals, als würde dort ein Fremdkörper sitzen. Man nennt dies auch Globussyndrom. Die ständigen Säurereizungen im Bereich der Luftröhre, der Nase und der Nasennebenhöhlen können auch zu vermehrter Schleimbildung führen und so eine Allergie vortäuschen oder eine vorhandene Allergie verstärken. Chronischer Husten, andauernder Räusperzwang oder asthmaähnliche Beschwerden sind die Folge.
Beim echten (allergischen) Asthma bestehen die Probleme beim Ausatmen, beim durch Reflux ausgelösten Asthma hingegen eher beim Einatmen. Durch den Reflux kann es auch zu wiederholten Entzündungen im Bereich der Ohren und der Nasennebenhöhlen kommen.
Diskutiert wird derzeit auch, ob die oben beschriebenen Symptome nicht nur durch den Rückfluss von Säure, sondern auch durch zurückfließende Verdauungsenzyme, zum Beispiel Pepsin, verstärkt werden können.
Welche Gefahren drohen bei dauerhaftem Reflux?
Dauerhafter Reflux führt zu chronischer Speiseröhrenentzündung. Wird diese nicht behandelt, bilden sich mitunter Narben oder Geschwüre, die zu einer Speiseröhrenverengung führen. Blutungen können auftreten oder in seltenen Fällen auch Krebsvorstufen (Barrett-Ösophagus).
Was kann man bei dieser Diagnose tun?
Bei der Diagnose Barrett-Ösophagus ohne Entartung ist die jährliche Kontrolle mittels Spiegelung ausreichend. Gleichzeitig muss der Reflux von Säure in die Speiseeröhre entweder durch die konsequente Einnahme von Säureblockern oder durch einen operativen Eingriff verhindert werden. Alkohol schädigt die Schleimhaut zusätzlich. Zumindest hochprozentiger Alkohol ist deshalb unbedingt zu vermeiden. Nikotin ist unbedingt zu vermeiden. Es schädigt direkt die Speiseröhre, regt eventuell die Säureproduktion im Magen an und bringt den Verschlussmechanismus am Mageneingang zum Erschlaffen, fördert damit den Säurerückfluss. Besser als wenige große Mahlzeiten sind fünf kleine Mahlzeiten am Tag, die kann der Magen besser verdauen. Wichtig ist dies vor allem bei regelmäßiger Einnahme von Säureblockern, denn dann ist der Magen in seiner Verdauungsfunktion schon eingeschränkt durch den Mangel an Säure. Fett- und kalorienreiche Speisen sollten durch vitaminreiche, ballaststoffreiche und eiweißhaltige Lebensmittel wie frisches Obst, Gemüse, Joghurt ersetzt werden.
Ärzte verordnen bei Reflux umgehend Säureblocker wie Pantoprazol. In welchen Fällen und für welchen Zeitraum sind sie angebracht? Leider können sie bei langfristigem Gebrauch starke Nebenwirkungen wie Knochenbrüche haben...
Medikament der Wahl fu?r alle Schweregrade der Refluxkrankheit ist ein Protonenpumpenblocker (PPI). Dies gilt sowohl bei endoskopisch nachgewiesener Ösophagitis als auch fu?r nicht endoskopierte Patienten mit den typischen Symptomen einer Refluxkrankheit. Bei einfachem Sodbrennen können PPI sofort verordnet werden, auch ohne endoskopische Untersuchung. Endoskopiert werden muss aber, wenn die Symptome nicht verschwinden. PPI sollten in hoher Dosis begonnen und zur Erhaltung in halber therapeutischer Dosis fortgesetzt werden (Step-down-Therapie). Sehr oft, je nach Quellenlage zwischen 50 und 90 Prozent, kommt es jedoch zu Rezidiven, aufgrund derer die Dosis wieder erhöht werden muss (Step-up).
Die marginale Beeinflussung der Resorption von Vitamin B12, Vitamin C und Eisen durch PPI spielt in der klinischen Routine keine Rolle. Inwieweit bei Langzeiteinnahme ein erhöhtes Infektionsrisiko besteht, Osteoporose oder gar eine Demenz gefördert werden kann, ist noch nicht zu beurteilen.
Bei Nichtansprechen auf Säureblocker kann das Alginat Gaviscon Dual sehr hilfreich sein. Nach den Mahlzeiten und vor dem Schlafengehen eingenommen, geht es nach Kontakt mit der Säure in eine gelartige Struktur über, die sich auf den Speisebrei legt und mechanisch einen Reflux in den Ösophagus verhindert. Außerdem neutralisiert das Alginat Magensäure und vermindert die Gallensäureaktivierung.
Eine Alternative zu PPI ist die Operation. Sie operieren im Reflux Zentrum München nach dem von Ihnen entwickelten Bicorn-Verfahren. Was wird hier gemacht?
Da die Langzeitnebenwirkungen der rein symptomatischen Dauertherapie mit Säureblockern nicht wirklich bekannt sind, sollte dem Patienten die Alternative einer kausalen Therapie erläutert werden, um die Ursache der Refluxerkrankung zu beseitigen. Die Ursache der Refluxerkrankung ist ja nicht, dass im Magen zu viel Säure produziert wird, sondern, dass der Verschluss am Mageneingang defekt ist. PPI verhindern nicht den Rückfluss von Mageninhalt, sie verhindern die Produktion von Säure.
Damit führt die Dauertherapie mit Säureblockern zu einer kontinuierlichen Veränderung der Verdauungsaufgaben des Magens und zu möglichen Langzeitnebenwirkungen. Nach Aufklärung sollte der Patient selbst entscheiden, welche Therapie er für sich wählt. Eine überzeugende Indikation zur Operation ist, wenn nicht nur Säure zurückfließt, sondern Nahrung wieder hochkommt.
Minimalinvasive laparoskopisch-chirurgische Maßnahmen wie die Hiatoplastik beseitigen die häufigste Ursache des gastroösophagealen Reflux, den Zwerchfellbruch.
Die Fundoplikatio verhindert zwar den Reflux erfolgreich, andererseits führt sie teilweise zu einer Überkorrektur. Mögliche Nebenwirkungen sind dann bei einer zu engen Fundoplikatio Schluckbeschwerden, beziehungsweise Schwierigkeiten beim Aufstoßen. Dann verbleibt zu viel Luft im Magen, es kommt zu andauerndem unangenehmen Druckgefühl im Oberbauch.
Um dies zu vermeiden, haben wir, gründend auf den Forschungsergebnissen von Stelzner, unsere Methode so verändert, dass wir mehr Wert darauf legen, den Zwerchfellbruch zu beseitigen, die Speiseröhre wieder zu spannen und die Form des Magens zu rekonstruieren.
Die Wiederherstellung der Spannung der Speiseröhre ist ein wichtiger Punkt, um die Pumpfunktion der Speiseröhre zu verbessern und den Reflux zu verhindern.
Wie risikoreich ist ein solcher Eingriff?
Seit über 24 Jahren führe ich minimalinvasiv Antirefluxoperationen durch. Insgesamt circa 3.000. Es gab keine einzige schwerwiegende Komplikation, nur zweimal musste die Operation über einen Bauchschnitt beendet werden.
In wie vielen Fällen führt dieser Eingriff zum Erfolg?
Die Langzeiterfolgsrate liegt bei circa 80 Prozent. Betont werden muss, dass, falls es zu einem erneuten Zwerchfellbruch kommt, der Eingriff wiederholt werden kann. Dies ist vergleichbar mit der Situation bei einem Leistenbruch.
Interview: Kristina Scherer-Siegwarth
INFO:
Reflux Zentrum München
Dr. med. Bernd Ablaßmaier
Putzbrunner Straße 9
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