Drei Jahrzehnte lang war er mit seinem Riesentross durch die Welt getingelt, um den zig Millionen Besuchern in einer gigantischen Show den Wilden Westen hautnah zu präsentieren. Buffalo Bill, der vor 100 Jahren verstarb, verdankte seinen Erfolg aber auch einer ausgetüftelten PR- und Werbemaschinerie.
Wenn jemand eigenhändig genau 4.280 Bisons erlegt haben will, dann dürfte ihm der Ehrenname "Buffalo Bill" fraglos völlig zu Recht übertragen worden sein. Ob die Zahl auch nur annähernd stimmt, wird sich wie vieles aus dem ungewöhnlichen Leben von William Frederick Cody alias Buffalo Bill nicht mehr überprüfen lassen. Allerdings ist gesichert, dass er in den Jahren 1867 und 1868 von der Kansas-Pacific-Railway den Auftrag erhalten hatte, die Eisenbahnarbeiter mit ausreichend Fleisch zu versorgen. Ebenfalls verbürgt ist, dass er sich als Scout Verdienste erworben hatte zum einen für die Union im Bürgerkrieg, zum andern zwischen 1868 und 1872 für die US-Kavallerie in den Kriegen gegen die Indianerstämme der Kiowa und Comanchen.
Offenkundig war er dabei so tapfer gewesen, dass ihm 1872 die Medal of Honor verliehen wurde, die höchste militärische Auszeichnung der Vereinigten Staaten. Die Sache hatte allerdings den Haken, dass mit der Ehrenmedaille ausschließlich Mitglieder der Streitkräfte belohnt werden durften. Dass sie der Zivilist Cody erhielt, war offensichtlich ein Versehen.
Womöglich war dies der Tatsache geschuldet, dass der am 12. Februar 1846 in einem kleinen Kaff in Kansas geborene Cody als Buffalo Bill schon zu einer landesweit bekannten Legende aufgestiegen war. Das hatte er einem Journalisten namens Edward Zane Carroll Judson zu verdanken, der seine Schriften meist unter dem Pseudonym Ned Buntline veröffentlichte. Die beiden Männer hatten sich 1869 auf einer Zugreise kennengelernt, nachdem Judson Zeuge eines Gesprächs zwischen Cody und seinen Begleitern über deren jüngste Heldentaten im Kampf gegen die Sioux und Cheyenne geworden war. Judson wurde hellhörig, ahnte eine Super-Story und konnte Cody schließlich zur Mitarbeit überreden.
Judson schrieb daraufhin einen Roman mit dem reißerischen Titel "Buffalo Bill, the King of the Border Men", der häppchenweise, beginnend am 23. Dezember 1869, in der Zeitung "New York Weekly" veröffentlicht wurde und in dem alle möglichen und unmöglichen Heldentaten von Buffalo Bill klischeehaft überzeichnet präsentiert wurden. Dennoch gelang es Judson alias Buntline, die Leser zu begeistern. In New York City sorgte im Bowery Theater ein Stück nach Buntlines Romanvorlage für Furore. Buffalo Bill wurde schnell zu einer Art Nationalheld.
Um von der plötzlichen Berühmtheit seines Protagonisten weiter zu profitieren, konnte Judson Cody sogar dazu bringen, in die Rolle des Schauspielers zu schlüpfen und in dem von Judson-Buntline geschriebenen Schwank "The Scouts of the Plains" den Hauptpart zu übernehmen. Das Theaterstück lief im Dezember 1872 in Chicago an, wurde von der Presse zerrissen, vom Publikum geradezu frenetisch gefeiert und machte Cody alias Buffalo Bill zum Star. Es lieferte ihm gleichsam die Vorlage für seine spätere, eigene Western-Show. Denn auf der Bühne waren nicht nur waschechte Trapper zu sehen, sondern auch eine echte Indianerin.
Ein theaterstück diente als vorlage für spätere show
Vor allem Codys Freund Texas Jack Omohundro, der sich seinen Lebensunterhalt zuvor ebenfalls hauptsächlich als Scout und Büffeljäger erworben hatte, glänzte in dem Stück. Auch weil Texas Jack der erste war, der die Kunst des Lassowerfens dem breiten US-Publikum zugänglich machte. Nachdem es zwischen Judson und Cody zu einem Zerwürfnis gekommen war, stellte Buffalo Bill gemeinsam mit Texas Jack und dem legendären Revolverhelden Wild Bill Hickock alias James Butler Hickock in den Jahren 1873/1874 eine eigene Show auf die Beine, die ebenfalls "Scouts of the Plains" getauft wurde.
Bis zur Gründung seines eigenen Unternehmens "Buffalo Bills Wild West Show" mit der Premierenvorstellung in Omaha am 19. Mai 1883 so etwas wie eine Frühform einer Entertainment-Company konnte Cody reichlich Kenntnisse in Sachen Selbstvermarktung sammeln. Mit Hilfe des Autors Prentiss Ingraham ließ er viele neue Abenteuer über Buffalo Bill als Groschenromane unters Volk bringen. Und pendelte beruflich ständig zwischen Bühne und Prärie. Im Winter war er Schauspieler, im Sommer war er Kundschafter für die Armee. Am 17. Juli 1876 hatte er dabei sogar einen Unteranführer der Cheyenne eigenhändig getötet und anschließend sogar noch skalpiert als seine persönliche Rache für die verheerende Niederlage von General Custer gegen die Sioux am Little Big Horn einen Monat zuvor. Trotz dieses Fanals sollte es ihm später gelingen, den legendären Sioux-Häuptling Sitting Bull, wenn auch nur kurzzeitig, für seine Show zu engagieren.
Zunächst tourte Cody mit seiner Show vier Jahre lang erfolgreich durch Amerika, bevor er 1887 erstmals den Sprung nach Europa wagte, um auch in diesem Teil der Erde die Menschen mit der vermeintlich wahren Geschichte des Wilden Westens vertraut zu machen. Unter freiem Himmel, umrahmt von Tipis, Zelten und Trapper-Hütten, wurde dem staunenden Publikum alles geboten, was an Klischees und Halbwahrheiten über die noch ziemlich junge Geschichte der Eroberung des amerikanischen Westens bekannt war. Allerdings mit Original-Zutaten, sprich, echten Bisons, die spektakulär vom Bahnhof der jeweiligen Stadt durch die Straßen zum Veranstaltungsort getrieben wurden, echten Mustangs, echten Cowboys, echten Indianern und nicht zuletzt echten blauen Bohnen.
Die Besucher konnten auf den Tribünen das Erzittern des Bodens unter den Bisonhufen spüren, den Pulverdampf der Pistolen riechen, den Indianern beim rituellen Rauchen der Friedenspfeife zusehen. Sie konnten mitfiebern bei Postkutschen-Überfällen, bei Indianer-Angriffen auf Siedlertrecks oder bei den lebensgefährlichen Zielversuchen der zart gebauten Kunstschützin Annie Oakley. Man konnte auch die siegreiche Kavallerie bejubeln. Im Unterschied zu den USA konnten sich Cody und sein Programm-Manager Nate Salsbury in Europa sogar trauen, die Schlacht am Little Big Horn mit dem Sieg der Indianer nachstellen zu lassen.
Ansonsten waren die Indianer immer die Verlierer, die Weißen mussten am Ende immer triumphieren. Das erwartete das europäische Publikum in der Blütezeit der Völkerschauen, in denen fremdländische Völker allenfalls als exotische Ansichts- und Studienobjekte wertgeschätzt wurden. Für die Show wurde unter Leitung von Codys PR-Chef John Burke überall kräftig die Werbetrommel gerührt. Die Städte wurden mit Plakaten, dem wichtigsten Werbemittel der Zeit, regelrecht zugekleistert. Sogar in Sachen Merchandising war man schon aktiv und setzte beispielsweise massenweise Buffalo-Bill-Pfeifen ab.
Viel Werbung und Merchandising
Der logistische Aufwand war enorm. Das Equipment, die Tiere, die Darsteller und die zahlreichen Mitarbeiter, die man durchaus als frühe Roadies bezeichnen könnte, wurden mit Sonderzügen von Stadt zu Stadt transportiert. Überall musste in Windeseile eine Arena mit Tribünen aufgebaut werden. Zwei bis drei Tage, nur in Ausnahmefällen länger, blieb man in derselben Stadt, gab ein bis zwei Vorstellungen täglich und zog dann schon wieder weiter. Den Auftakt in Europa machte 1887 England, wo nicht nur ein Millionenpublikum die Show sehen wollte, sondern wo Cody und seine wichtigsten Mitarbeiter sogar im britischen Parlament empfangen wurden und sogar die Queen ihre Begeisterung öffentlich bekundete. In Paris zwei Jahre später wurde die erste Nachtvorstellung gegeben.
In Deutschland gastierte die Show erstmals im Rahmen der Europatournee 1890/1891 in 22 Städten, in Köln war sie dabei sogar zweimal zu sehen. Allerorten wurde Cody alias Buffalo Bill fast schon wie ein früher Superstar gefeiert. In Berlin strömten die Besucher am 23. Juli 1890 auf ein parkähnliches Gelände am Kurfürstendamm, in Hamburg machte die Show anschließend für eine Woche vom 24. bis 31. August 1890 Station, in Stuttgart war sie vom 14. bis 19. Oktober 1890 eine besondere Attraktion auf der Wasen. Im Frühjahr 1891 gab es Vorstellungen in Mainz und Mannheim.
Buffalo bill starb verarmt 1917
Bei der zweiten Deutschland-Tournee anno 1906 mit 19 Städten soll Karl May die Dresdner Veranstaltung zwischen dem 17. und 20. August beehrt haben. Auch die Bürger von Saarbrücken, am 31. August, und Trier, am 4. September, konnten sich nun live ein Bild vom Wilden Westen machen. Spätestens kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges hatte das Interesse an dem Western-Spektakel aber gewaltig nachgelassen. Für die Saison 1913 wurde in den USA daher sogar die Erweiterung des Programms durch Automobilvorführungen und fliegende Maschinen vorgenommen.
Buffalo Bill starb verarmt im Alter von 70 Jahren am 10. Januar 1917 in Denver. Sein früher beträchtliches Vermögen, beispielsweise eine riesige Ranch außerhalb des Yellowstone Nationalparks, wo sich heute die Stadt Cody befindet, war wegen dubioser Investitionen und falscher Berater verschwunden. Buffalo Bill war bankrott selbst die Wild-West-Show war am Ende im Besitz seiner Gläubiger.
Peter Lempert