Die höchsten Erhebungen der Hauptstadt bestehen aus Schutt auch der Teufelsberg. Er vereint in seiner Geschichte die Auswirkungen von Krieg und Kaltem Krieg. In den 50ern bauten die Amerikaner auf den Trümmern eine Abhörstation, die seit der Wiedervereinigung verfällt. Jetzt soll der Hügel zum "Ort der Entschleunigung" werden.
Er maß einst 114 Meter Höhe, doch seit 2013 weiß man es genau: Der Teufelsberg im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf hat eine Höhe von 120,1 Meter und ist damit nach den Arkenbergen in Pankow (120,7 Meter) die zweithöchste Erhebung der Stadt. Beide haben eine wechselvolle Geschichte. Sowohl der Teufelsberg als auch die Arkenberge bestehen aus Bauschutt.
Die Entwicklung des Gebietes rund um den Teufelsberg, der seinen Namen vom nahe gelegenen Teufelssee ableitet, beginnt im Deutschen Kaiserreich: Um 1915 weist der Magistrat von Berlin in einem "Dauerwaldvertrag" das Naherholungsgebiet Grunewald aus. Allzu lange bleibt die Natur jedoch nicht unberührt, denn Adolf Hitler plant nach 1933 an der Heerstraße eine Hochschulstadt zu errichten. Der Grundstein wird 1937 gelegt, an der Feierstunde nimmt Hitler zusammen mit dem Architekten Albert Speer teil. Die Nazis planen die Wehrtechnische Fakultät doch der Zweite Weltkrieg stoppt das Projekt im Rohbau. Der wird nach Kriegsende zu großen Teilen demontiert. Übrig bleiben Ruinen. Und die werden zu willkommenen Aufbewahrungsorten für Trümmerschutt, da andere Deponien in der Stadt bereits voll sind: Viele der 100 Millionen Kubikmeter Trümmer warten noch ein Drittel der Berliner Gebäude liegt in Schutt und Asche.
Im Zeitraum der folgenden 22 Jahre fahren bis zu 800 Lkw täglich das Gelände an und laden jeden Tag bis zu 7.000 Kubikmeter Schutt ab. 26 Millionen Kubikmeter kommen so bis 1972 zusammen, Überreste von etwa 15.000 Gebäuden, dazu Industrieabfälle und Bauschutt vom nahen Messedamm. Damit wird der Teufelsberg zur höchsten Erhebung im einstigen West-Berlin.
22 Jahre lang wächst der Schuttberg
Zunächst wächst er allerdings planlos: Die Laster kippen ihre Ladung einfach ins Gelände. Schließlich, Anfang der 70er, beginnt die Stadt, daraus eine Hügellandschaft zu machen. Sand und Mutterboden bilden die Basis für die Pflanzung von etwa einer Million Bäumen. Neben den Freizeitmöglichkeiten im Sommer entstehen in den weiteren Jahren für die Wintersaison ein Skihang, eine Rodelbahn, eine Sprungschanze und ein Schlepplift. Zur 750-Jahr-Feier der Stadt treten Ende 1986 sogar Skiprofis auf dem Teufelsberg zum Slalom an.
Der höchste Aussichtspunkt West-Berlins erweckt auch militärisches Interesse bei Briten und Amerikanern. Schon in den 50er-Jahren überwacht die US-Armee vom Teufelsberg aus die drei Luftkorridore zwischen Berlin und der Bundesrepublik. Versuche zur Kontrolle des Telefon- und Funkverkehrs kommen in den 60er-Jahren hinzu. Zunächst setzt die Armee mobile Antennenwagen ein. Da das nicht funktioniert, errichten die Amerikaner die "Field Station Berlin Teufelsberg": Die Station besteht aus fünf Antennenkuppeln, mit denen die US-Armee den Funkverkehr bis weit in das Gebiet des Warschauer Paktes abhört, und gehört zum Spionagenetz "Echelon". Die Briten, in deren Sektor sich der Teufelsberg befindet, installieren ebenso Antennen zur Spionage. Neben der National Security Agency NSA nutzen US-amerikanische und britische Sicherheitsdienste die Station. Ein kleiner Teil der Anlage, der sonnige Südhang, wird in den 70er- und 80er-Jahren zum Weinberg dort wächst das "Wilmersdorfer Teufelströpfchen".
Mit dem Ende des Kalten Krieges sind die Anlagen nicht mehr vonnöten. Briten und Amerikaner verlassen 1991 die Stadt und den Teufelsberg, die gesamten elektronischen Geräte werden bis 1992 abgebaut. Als das US-Liegenschaftsamt das Grundstück Teufelsseechaussee 10 im heutigen Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf der Berliner Oberfinanzdirektion übergibt, übernimmt die Bundesanstalt für Flugsicherung und spätere Deutsche Flugsicherung (DFS): Sie betreibt dort noch bis 1999 die Radarüberwachung für den zivilen Berliner Flugverkehr.
Von der Abhörstation zum "Lost Place"
Der Senat geht ab 1996 neue Wege: Er verkauft das Areal an die Investorengemeinschaft Teufelsberg (IGTB). Diese plant unter anderem ein Hotel mit Tagungszentrum, ein Spionagemuseum sowie Wohnungen und ein Restaurant. Die Fertigstellung bleibt 2002 jedoch im Rohbau stecken, massive Proteste von Umweltschützern und Finanzierungsschwierigkeiten beenden die Bauarbeiten. Drei Jahre später weist der Senat das Gelände als Waldgebiet aus und stoppt damit alle zukünftigen Bauvorhaben. Shalmon Abraham als erster Pächter führt ab 2010 wieder Besucher auf das Gelände. Später fällt er beim Eigentümer in Ungnade, da er, so der Vorwurf, nichts in die Erhaltung der Anlage investiert habe und diese sich im Zerfall befinde. Der Architekt Hartmut Grahl plant mit der Investorengemeinschaft Teufelsberg KG eine Aussichtsplattform, ein Café sowie ein Museum. Das Bezirksamt lehnt die Pläne jedoch ab.
Seit 2015 tut sich nun wieder was am Teufelsberg: Marvin Schütte, Sohn des Miteigentümers Hanfried Schütte, pachtet die Anlage. Er ist zuversichtlich: "Ich habe tolle Kollegen und daher große Zuversicht, dass die weitere Nutzung ein Erfolg wird." Doch erst mal hakt es auch bei ihm, der Zustand der Fläche von 48.000 Quadratmetern verzögert die weiteren Pläne. "Das Gelände ist eine Ruine, weshalb wir bislang nur Führungen anbieten." Alles Weitere müssten die Gespräche mit dem Bezirk zeigen. Aktuell führen Zeitzeugen und Stadthistoriker der Initiative Teufelsberg am Wochenende Besucher über das Areal.
Schüttes Ziel für den Teufelsberg ist es, einen "Ort der Entschleunigung" zu schaffen. "Wie notwendig das ist, erfahre ich täglich selbst, wenn ich durch die Stadt unterwegs zum Teufelsberg bin und schließlich hier fernab von Trubel und Stress ankomme", sagt er. Die Ruhe über der Stadt sei einmalig. Seine Pläne für die Nutzung des Areals seien in den Bereichen Kunst, Kultur, Sport und Freizeit zu verorten. "Ich spreche unter anderem mit dem Spionagemuseum über Ideen für das Gelände", erklärt Schütte. Eine weitere Idee: "Künstler könnten hier ein halbes Jahr arbeiten und danach ihr Werk mit einer Ausstellung abschließen." Ideen gibt es genug der Projektleiter kann sich unter anderem Museen zur Geschichte des Ortes und Kunst, einen Kletterbereich, ein Amphitheater und eine Picknickwiese vorstellen. Auf dem ehemaligen Bewachungsweg um die "Field Station" soll ein Arboretum, ein Botanischer Garten mit exotischen Gehölzen, entstehen. Bis es so weit ist, bleibt der Status Quo bestehen. Und der hat durchaus seinen Reiz Besucher schätzen den Teufelsberg als fotogenen "Lost Place".
Frank Müller