Es gibt weltweit doppelt so viele Frauen wie Männer, die an Schlafstörungen leiden. Dafür sind vor allem die innere Uhr und die Hormone verantwortlich. Die Damen brauchen eigentlich im Schnitt 20 Minuten mehr Schlaf als die "Herren der Schöpfung".
Schlafstörungen sind inzwischen ein weltweit verbreitetes und noch immer etwas unterschätztes Problem mit vielfältigen Ursachen. Laut dem DAK-Gesundheitsreport 2017 sind Schlafstörungen bei Berufstätigen im Alter zwischen 35 und 65 Jahren seit dem Jahr 2010 um 66 Prozent angestiegen. Laut DAK fühlen sich derzeit 80 Prozent der Arbeitnehmer davon betroffen, was hochgerechnet auf die Bevölkerung etwa 34 Millionen Menschen bedeutet. Unter der besonders schweren, krankhaften Schlafstörung Insomnie leidet laut DAK jeder zehnte deutsche Arbeitnehmer, wobei sich kaum jemand in ärztliche Behandlung begibt oder krankmeldet. Auch bei Insomnie hat sich die Zahl der Betroffenen laut DAK seit 2010 um 60 Prozent erhöht. Ähnlich alarmierende Zahlen bezüglich der Schlafstörungen hatte schon vor einigen Jahren das Robert-Koch-Institut veröffentlicht. Demnach waren davon 25 Prozent der Bevölkerung betroffen, für weitere elf Prozent war der Studie zufolge der Schlaf häufig nicht erholsam. Eine Anfang 2017 im Fachjournal "Sleep Medicine" veröffentlichte Untersuchung der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig unter der Leitung von Andreas Hinz kam zu dem Ergebnis, dass 36 Prozent der insgesamt 9.284 Probanden Probleme mit dem Schlaf hatten 42 Prozent der Frauen und 29 Prozent der Männer.
Dass Frauen deutlich öfter von Schlafstörungen betroffen sind als Männer, hatten auch schon diverse frühere Studien belegt. Warum Frauen offenbar die schlechteren Schläfer sind, beschäftigt die Wissenschaft schon seit geraumer Zeit. Inzwischen ist bekannt, dass Frauen nicht nur anders schlafen als Männer, sondern auch sensibler darauf reagieren, wenn ihr Schlaf gestört wird. "Frauen und Männer schlafen unterschiedlich", so der Schlafforscher Hans-Günter Weeß, der Leiter des Schlafzentrums am Pfalzklinikum in Klingenmünster. Die Unterschiede machen sich laut Weeß sowohl in der Länge des Schlafes als auch in dessen Qualität bemerkbar.
Und selbst die Auswirkungen, die der Bettpartner auf die eigene Nachtruhe hat, sind verschieden. Frauen schlafen nämlich allein im Bett viel besser, wie bereits Forscher der Universität Wien vor zehn Jahren herausgefunden hatten, während Männer für einen guten Schlaf weibliche Gesellschaft brauchen. Wobei das Schnarchen der Männer im mittleren und hohen Lebensalter sägt fast die Hälfte der "Herren der Schöpfung" am Schlafbäumchen nicht ausschlaggebend für die Störung der Nachtruhe der Damen ist. "Evolutionsbiologisch betrachtet", so Weeß, "sind die Frauen immer für die Herde, für die Familie und deren Wohl zuständig. Und das bedeutet: Ist der Partner da, schläft die Frau quasi an ihrem Arbeitsplatz. Und wer schläft da schon gut?" Die Frau reagiere in Anwesenheit ihres Mannes sehr sensibel auf jede Bewegung. Der Mann hingegen sei sehr entspannt, weil er sich nicht allein fühle. "Bei Männern zählt vor allem, dass sie Herdentiere sind", erklärt Weeß. "In der Gruppe, wenn jemand neben ihnen liegt, fördert das ihr Sicherheits- und Geborgenheitsgefühl. Sie sind aus diesem Grund entspannter und schlafen deshalb besser."
Frauen haben komplexere Gehirne
Wissenschaftler der American Academy of Sleep Medicine hatten bei ihren Forschungen herausgefunden, dass der Schlaf von Frauen weniger tief wie der von Männern sei und dass Frauen daher viel leichter in ihrer Nachtruhe gestört werden könnten. Und wenn Frauen dann erst einmal geweckt worden seien, falle es ihnen im Vergleich zu Männern wesentlich schwerer, wieder einzuschlafen, wie aus einer Untersuchung der britischen Universität Surrey schon vor Jahren ablesbar war. In der gleichen Studie hatten mit 18 zu acht Prozent auch deutlich mehr Frauen als Männer angegeben, im Laufe einer Woche mindestens fünf Nächte lang schlecht geschlafen zu haben.
Der führende britische Schlafforscher Jim Horne, langjähriger Chef des Schlafforschungszentrums Loughborough in Leicestershire, hat darauf hingewiesen, dass Frauen generell im Schlaf hellhöriger sind als Männer. Und er konnte durch seine Arbeiten belegen, dass Frauen im Schnitt 20 Minuten mehr Schlaf pro Nacht benötigen als Männer. "Das liegt darin begründet, dass die Gehirne der Frauen anders vernetzt und komplexer sind als die der Männer. Frauen betreiben Multitasking, sie machen viel zur selben Zeit und sind flexibel", erklärte Horne in einem Interview mit der "Daily Mail". Frauen beanspruchten daher ihr Gehirn mehr als Männer, selbst wenn diese einen anspruchsvollen Beruf ausüben. Frauen brauchten daher zwangsläufig mehr Schlaf, so Horne: "Schlaf dient dem Gehirn vor allem dazu, sich zu regenerieren." Wenn eine solche natürliche Regeneration auf Dauer nicht möglich ist, werden sich früher oder später gesundheitliche Probleme wie Stress oder Depressionen einstellen und das Risiko eines Herzinfarkts oder Schlaganfalls wird deutlich steigen. Wobei sich diese Krankheitsfolgen bei Frauen viel häufige einstellen als bei Männern wie eine aktuelle Studie der Duke University in Durham/North Carolina auf der Basis von 210 Teilnehmern gezeigt hatte.
Vermutungen, dass auch die innere Uhr eine zentrale Rolle bei Schlafstörungen spielen könnte, haben Forscher der McGill-Universität in Montreal im Herbst 2016 bestätigen können. Sie fanden heraus, dass die Schlafzyklen von Frauen anders aussehen als die von Männern. Die innere Uhr der Frauen lasse diese im Schnitt früher am Abend müde werden und sie am Morgen früher aufwachen. Weil in Beziehungen meist beide Partner etwa zur gleichen Zeit schlafen gingen, bekämen Frauen, so die Studienleiterin Diane B. Boivin, in der Regel weniger Schlaf als Männer. Dass die inneren Uhren von Frauen und Männern anders ticken, hatte zuvor auch schon der Chronobiologe Till Roenneberg von der Universität München in einer Untersuchung mit 25.000 Probanden herausgefunden. Auch seine Ergebnisse hatten bestätigt, dass Frauen häufiger Lerchen sind, sprich früher ins Bett gehen und früher wieder wach werden. Männer hingegen sind eher Eulen, ihre Schlafphasen liegen hinter denen der Frauen.
Dafür sind aller Wahrscheinlichkeit nach hormonelle Faktoren verantwortlich. Diane B. Boivin und ihr Team konnten aufzeigen, dass die Phasen des Menstruationszyklus die biologischen Rhythmen des Schlafes beeinflussen. Schon früher war Wissenschaftlern der Rush University in Chicago aufgefallen, dass bei Frauen die natürlichen Schwankungen des Hormonspiegels im Monatsverlauf entscheidenden Einfluss auf den Schlaf haben können. Wobei vor allem die Tage vor und nach der Menstruation kritisch sind. Sobald die Konzentration des follikelstimulierenden Sexualhormons FSH besonders niedrig ist, kann dies schlechten Schlaf zur Folge haben.
Peter Lempert