Obwohl er klein war und lispelte, gelang Humphrey Bogart der Aufstieg zu einem der Giganten der Filmgeschichte. Er schaffte eine Wandlung vom Dandy und Salonlöwen der Theaterbühne hin zum skrupellosen Gangster, zynischen Detektiv oder eiskalten Einzelgänger auf der Leinwand.
Um seiner mehr als zehn Zentimeter größeren Filmpartnerin Ingrid Bergmann den berühmten Satz "Ich seh dir in die Augen, Kleines" zusäuseln zu können, musste der gerade mal gut 165 Zentimeter messende Humphrey Bogart Schuhe mit hohen Plateausohlen tragen.
Dass der Nachtclubbesitzer Rick Blaine seiner ehemaligen Geliebten und Ehefrau des Widerstandskämpfers Victor László, Ilsa Lund, in der amerikanischen Originalfassung des 1941 gedrehten Kultstreifens "Casablanca" von Michael Curtiz etwas sinngemäß völlig anderes, nämlich einen Trinkspruch mit sonorer, fast lispelnder Stimme zugenuschelt hatte, "Heres looking at you, kid", also "Ich trinke auf dein Wohl, Kleines", wird sich wohl nie mehr im Gedächtnis des deutschsprachigen Publikum korrigieren lassen.
Rick Blaine war halt kein sentimentaler Lover, sondern ein unermüdlicher Schluckspecht, der die Frage nach seiner Nationalität mit "Trinker" beantwortet hatte.
Und mit Alkohol kannte sich Humphrey Bogart sehr gut aus, auch im wahren Leben war er Hochprozentigem nie abgeneigt. Das Whiskeyglas vor sich auf dem Tisch und die Zigarette im Mundwinkel gehörten für den Kettenraucher in seinen wichtigsten Filmen als einsamer Großstadtwolf zwischen 1941 und 1948 ebenso zu den Standard-Requisiten wie der tief in die Stirn gezogene Schlapphut oder der Trenchcoat.
Glimmstängel als ständige Begleiter
Sein Lebenswandel hatte gravierende gesundheitliche Folgen, worüber er allerdings bis zuletzt seine Witze machte: "Man muss dem Leben immer um mindestens einen Whiskey voraus sein" oder "Ich hätte nie von Scotch auf Martini umsteigen sollen". Letztlich waren es aber die Glimmstängel, die die Karriere des vom American Film Institute zum größten männlichen Star der Filmgeschichte gekürten Mimen vorzeitig beendeten.
Er starb vor 60 Jahren am 14. Januar 1957 an Speiseröhrenkrebs und wog zuletzt nur noch 36 Kilogramm. In der Filmgeschichte wird er allerdings immer das cineastische Schwergewicht bleiben, das in noch nicht einmal zwei Jahrzehnten prominenter Leinwandpräsenz Hollywood seinen Stempel wie kaum ein anderer vorher oder danach aufdrücken konnte. "Einen wie ihn wird es nie wieder geben", formulierte es einer seiner besten Freunde, der renommierte Regisseur John Huston, einmal trefflich.
Humphrey DeForest Bogart wurde am 25. Dezember 1899 in New York quasi mit dem goldenen Löffel im Mund geboren. Seine wohlhabenden Eltern schickten ihn auf private Eliteschulen, auf denen er jedoch mehr durch rüpelhaftes Benehmen denn durch Leistungen auffiel, weshalb es noch nicht einmal zu einem High-School-Abschluss reichte. Das Lispeln verdankte er wahrscheinlich einer schlecht verheilten Lippenverletzung aus der Kindheit und nicht, wie zuweilen kolportiert wurde, einem Unfall bei der US-Marine, der er sich im Frühjahr 1918 zuwandte zu spät für einen Einsatz im Ersten Weltkrieg. Nach der Ausmusterung und einem kurzen beruflichen Zwischenspiel als Aktienverkäufer an der Wall Street, erhielt er einen Job bei einem Theaterproduzenten, den er als Freund und Patient seines als Chirurgen tätigen Vaters kennengelernt hatte.
Innerhalb kürzester Zeit stieg Bo-gart vom Büro-Faktotum zum Produktionsmanager auf und spielte 1920 seine erste, wenn auch winzige Bühnenrolle in "Experience", weil einer der Darsteller erkrankt war. Noch im selben Jahr ging Bogart mit dem Stück "The Ruined Lady" auf Tournee. Und sollte danach, ohne jemals Schauspiel-Unterricht genommen zu haben, eine erste kleine Erfolgsgeschichte am Broadway starten, wo er vornehmlich auf die Rolle des jugendlichen Liebhabers, Dandys oder Salonlöwens abonniert war. Kaum erwähnenswert war sein frühes Mitwirken in einem Stummfilm mit dem Titel "Life" anno 1920, gleiches gilt für den gerade mal 20 Minuten langen Kurzfilm "The Dancing Town" anno 1928.
Leslie Howard wurde zum Fürsprecher
und Wegbereiter
Auch mit den folgenden zehn Filmen zwischen 1930 und 1934, von "Broadways like that" bis "Call it murder", gelang Bogart bei seinem ersten Versuch, Karriere in Hollywood zu machen, nicht der Durchbruch. Daher wandte er sich wieder der Bühne zu und sorgte im Jahr 1935 auf dem Broadway an der Seite des damals schon berühmten Charakterdarstellers Leslie Howard im Theaterstück "Der versteinerte Wald" erstmals für Aufsehen. Er spielte eine für ihn ungewohnte Rolle als erbarmungsloser Gangster Duke Mantee, den Bogart in 197 Aufführungen des Erfolgsstücks verkörperte. Warner Brothers erwarb die Filmrechte für das Stück, wollte aber den unbekannten Bogart durch einen ihrer illustren Star-Schauspieler ersetzen. Doch dank des vehementen Eintretens von Howard erhielt Bogart schließlich den Zuschlag. Also verdankte Bogart den Durchbruch für seine Filmkarriere und einen festen Vertrag bei Warner Brothers im Jahr 1936 eigentlich dem Kollegen Howard. Entsprechend benannte er später seine Tochter Leslie nach ihm.
Bis Anfang der 40er-Jahre musste Bogart nun meist den Bösewicht mimen, wobei der Streifen "Entscheidung in der Sierra" von Raoul Walsh anno 1941 wohl nicht nur der anspruchsvollste war, sondern ihm auch die Freundschaft des für das Drehbuch zuständigen John Huston einbrachte. Er übertrug Bogart bei seinem Debüt als Filmregisseur im Klassiker "Die Spur des Falken", der als frühester Vertreter des Film Noir gilt, die Hauptrolle. Wobei für Bogart die Rolle des abgebrühten, in seinen Methoden von Gangstern kaum zu unterscheidenden, Detektivs Sam Spade, in dem Bogart-Fans bis heute den Privatschnüffler par excellence sehen, ein idealer Übergang vom Bösewicht zum Helden war. Der mit drei Oscars nominierte Thriller machte Bogart im schon fortgeschrittenen Alter von 41 Jahren endgültig zum Weltstar.
Eigene Produktionsfirma wenig erfolgreich
Danach konnte er sich die Hauptrollen frei nach Gusto aussuchen. In "Casablanca" fügte er der Rolle des hart gesottenen Zynikers noch einen Touch von Romantik bei, weshalb viele Filmfreunde die unglückliche Romanze zwischen Rick und Ilsa noch immer als größte Leinwand-Liebesgeschichte der Filmgeschichte ansehen. Dass der Film drei Oscars abräumen konnte und Bogart als männlicher Hauptdarsteller leer ausging, wird wohl niemand verstehen können.
Erst 1952 sollte Bogart seinen einzigen Goldjungen erhalten für die Rolle des raubeinigen Kapitäns Charlie Allnutt in dem Abenteuerstreifen "African Queen" von John Huston; 1955 sollte er nochmals eine Oscar-Nominierung bekommen für die Rolle des paranoiden Marine-Kommandanten Queeg in "Die Caine war ihr Schicksal" von Edward Dmytryk. Doch eigentlich waren es aus den 40ern noch die Klassiker "Haben und Nichthaben" anno 1944, "Tote schlafen fest", 1946, "Der Schatz der Sierra Madre", 1948 und "Gangster in Key Largo", 1948, die Bogart für immer berühmt machten.
Zusätzlich hatte Bogart versucht, sich ein zweites Standbein mit einer eigenen Produktionsfirma aufzubauen. Doch die sieben zwischen 1949 und 1953 von der eigenen Santana Pictures Production herausgebrachten Werke kamen kaum über Mittelmaß hinaus und waren finanziell wenig erfolgreich. Auch die Mehrzahl von Bogarts sonstigen Filmen der 50er-Jahre war eher aufwendig statt hochkarätig, beispielsweise "Sabrina" an der Seite von Audrey Hepburn von 1954, "Die barfüßige Gräfin" mit Ava Gardner 1954 oder das Boxerdrama "Schmutziger Lorbeer" aus dem Jahre 1956, Bogarts letzter Film.
Als Privatmann scheint Bogart oder "Bogie", wie ihn sein eng befreundeter Schauspiel-Kollege Spencer Tracy schon Anfang der 30er-Jahre getauft hatte, nicht ganz einfach und auch nicht gänzlich unumstritten gewesen sein. Manche Schauspieler kamen mit seiner zuweilen rüpelhaften Art und seiner gelegentlich arroganten Überheblichkeit nicht zurecht. Allerdings wurde er selbst in diesen Kreisen dafür gelobt und bewundert, dass er es gewagt hatte, öffentlich gegen die Diskriminierung von Kommunisten in der Filmbranche in der McCarthy-Ära zu protestieren. Wobei neben John Huston auch eine junge Frau namens Lauren Bacall mit ihm auf die Straße ging, die er beim Dreh zur Hemingway-Verfilmung "Haben und Nichthaben" kennen und lieben gelernt hatte.
Nicht der klassische Frauentyp
Im Mai 1945 sollte die 24 Jahre jüngere Schönheit die vierte Mrs. Bogart werden, ihm zwei Kinder schenken und bis zu seinem Tod an seiner Seite bleiben. Zuvor hatte Bogart sein Ja-Wort bereits 1926, 1928 und 1938 gegeben. Dass er mit seinem länglichen Gesicht, seinem gespaltenen Kinn, seinen beiden tiefen Stirnfalten und seinen buschigen Brauen alles andere als ein typischer Schönling der Glamourbranche war, scheint die Damenwelt nicht gestört zu haben.
Peter Lempert