Eis und Schnee können im Winter den Spaziergang oder die Fahrt zur Arbeit zur gefährlichen Rutschpartie machen. Halt für Reifen und Füße gibt es dann durch den Einsatz von Streusalz. Was viele nicht wissen: Streusalz birgt aus ökologischer Sicht einige Risiken und Nebenwirkungen.
Wenn die Temperaturen unter den Gefrierpunkt fallen, Eiskristalle die Straßenoberflächen im kalten Sturm erobern und der Straßenverkehr sich in eine gefährliche Rutschpartie zu verwandeln droht, schwärmt er aus: der Winterdienst. Seine bewährte Waffe im Kampf gegen die überfrierende Nässe ist traditionell Streusalz. Unvorstellbare 1,5 bis zwei Millionen Tonnen davon verstreuen die Winterdienste jährlich auf deutschen Straßen, um sie schnee- und eisfrei zu halten. Aber woher nimmt man so große Mengen Salz? Es wird unter Tage in Salzbergwerken mit Hilfe gewaltiger Bagger und Maschinen abgebaut und landet dann in den einzelnen Kommunen, die es in großen Mengen für den frostigen Ernstfall lagern.
Streusalz besteht zu mindestens 94 Prozent aus herkömmlichem Kochsalz. Die übrigen Prozent bestehen aus Nebenmineralen wie Anhydrit (Calciumsulfat) oder Magnesiumsulfat und weiteren Auftaumitteln wie Calciumchlorid (CaCl2), Magnesiumchlorid (MgCl2) und Kaliumchlorid (KCl).
Salz wird meist flüssig verteilt
Aber warum schmilzt Eis eigentlich durch Salz dahin? Die Schmelzkraft des Salzes beruht auf dem physikalisch-chemischen Effekt der molaren Schmelzpunkterniedrigung. In einfachen Worten: Der Gefrierpunkt einer Flüssigkeit nimmt umso mehr ab, desto mehr Teilchen in ihr gelöst werden. Beim Salz bewirken das vor allem Salz-Ionen, die mit Eis oder Schnee eine schmelzende Verbindung eingehen.
Damit der Wind das Salz nicht einfach wieder von der Straße weht, wird es meistens nicht trocken, sondern flüssig auf den Straßen verteilt in Form einer sogenannten Salzsole oder -lauge. Diese bringt das Eis zum Schmelzen und bleibt besser auf den Straßen haften als trockenes Salz. Die Sole kann einen Gefrierpunkt von bis zu minus 21 Grad Celsius erreichen. Sobald die Salzsole das Straßeneis bedeckt, gehen Eismoleküle in den flüssigen Zustand über und vermischen sich mit der Sole. Durch diese Vermischung sinkt die Salzkonzentration der Sole, wodurch der Gefrierpunkt der Salzlauge wieder steigt. Das bedeutet, dass die Salzkonzentration der Streusole hoch genug sein muss, damit das tauende Eis dessen Schmelzwirkung nicht zu früh neutralisiert. Aber auch trockenes Salz kommt auf deutschen Straßen als Taumittel zum Einsatz. "Dieses Salz ist in der Regel besonders grobkörnig, damit es besser auf den Straßen bleibt", sagt Julian Heiermann, Referent für Umwelt-informationen vom Naturschutzbund Deutschland.
Studien belegen, dass Streusalz die Anzahl der glättebedingten Unfälle deutlich verringert. Streusalz hat aber trotzdem einen riesen Haken. So segenreich es auch für Autofahrer und Fußgänger ist, genauso schädlich ist das Taumittel aber auch für die Umwelt. "Streusalz wirkt ätzend, belastet die Gewässer und Böden und zerstört Baumwurzeln, sodass die Bäume sogar absterben können. Manche erholen sich wieder von einer Salzüberdosis, manche eben nicht", macht Nabu-Experte Julian Heiermann deutlich.
Der Naturschutzbund Deutschland warnt vor den negativen Auswirkungen von Streusalz. Es verändere den Nährstoffhaushalt vieler Pflanzen, was dazu führt, dass viele Bäume und Pflanzen austrocknen. Denn das Salz gelangt mit dem geschmolzenen Wasser in den Boden. Dort verändert es nicht nur die Bodenstruktur, sodass es zu Verschlämmung und Verdichtung kommen kann, sondern kann eben auch die Wurzeln von Bäumen angreifen. Das Salz verhindert, dass die Bäume trotz reichlich vorhandenem Wasser im Boden genug Flüssigkeit aufnehmen können. Das salzreiche Tauwasser schädigt die Zellen im Inneren der Bäume so, dass der Wasser- und Nährstofftransport behindert oder ganz zum Erliegen kommt. Oft sind die Wurzeln von Bäumen am Wegesrand bereits stark angegriffen. Auch werden durch Streusalz viele für die Bäume lebensnotwendige Pilze und Kleinstlebewesen geschädigt. Die dadurch absterbenden, braunen Baumblätter verbreiten dann an so manchem Straßenrand schon im Frühling echte Herbstatmosphäre.
Aufgrund der umweltschädlichen Wirkung von Streusalz verzichten bereits viele Kommunen und Privathaushalte auf dessen Einsatz. Der Nabu empfiehlt, in sämtlichen Kommunen auf den Einsatz von Streusalz zu verzichten. In manchen Kommunen ist die Verwendung sogar verboten. Wer sich nicht an das Streuverbot hält, den erwartet eine saftige Geldstrafe. Doch das ist längst nicht überall so.
Umweltsiegel
"Blauer Engel"
Aber was nehmen, wenn Streusalz so schädlich ist? Die Gesundheit der Bäume in allen Ehren: Eine höhere Zahl von Verkehrstoten zugunsten der Baumgesundheit ist sicherlich auch keine Alternative. Heiermann empfiehlt, statt Salz Sand, Kies, Granulate oder Splitt zu verwenden. Das bringe das Eis oder den Schnee zwar nicht zum Schmelzen, aber damit könne man die Eisglätte zumindest deutlich mindern. Ganz allgemein salzfreie, abstumpfende Streumittel sind laut Nabu empfehlenswert. Im Handel gäbe es genügend Produkte, die vom Umweltbundesamt (UBA) auf ihre Effizienz hin getestet wurden. Diejenigen getesteten Anti-Rutsch-Produkte, die alle ökologischen Anforderungen erfüllen, erhalten ein Umweltsiegel, den "Blauen Engel". Sämtliches als umweltfreundlich eingestuftes Streugut ist aufgelistet auf www.blauer-engel.de. Mit vielen dieser Produkte kann man nicht nur die Umwelt schonen, sondern auch den Geldbeutel. Denn wer zum Beispiel Kieselsteine ausstreut, könne diese nach erfolgreichem Antirutscheinsatz wieder zusammenkehren und im nächsten Jahr wiederverwenden. Laut Julian Heinemann solle man nur in äußersten Notfällen zum Streusalz greifen. Zum Beispiel bei Extremsituationen wie der Bildung von Blitz-Eis, wenn durch dieses bestimmte Bereiche im Straßenverkehr besonders gefährdet sind oder Alternativen nicht mehr wirken. Streusalz immer nur im Notfall, mahnt der Nabu.
Pflanzen sind nicht die einzigen Salz-Leidtragenden. Auch viele Tiere bekommen Streusalz im wahrsten Sinne des Wortes negativ zu spüren. So können sich beispielsweise auch die Pfoten beziehungsweise die besonders empfindliche Haut zwischen den Zehenzwischenräumen von Katzen und Hunden entzünden, wenn sie zu oft über salzgetränkten Böden laufen. Noch schlimmer kann es kommen, wenn Tiere in den versalzten Schnee beißen oder aus stark salzhaltigen Pfützen trinken: Vergiftungen sind die Folge.
Auch Unbelebtes kann durch Salz in Mitleidenschaft gezogen werden und sogar die öffentlichen Kassen belasten. So verursacht Streusalz auch wirtschaftlichen Schaden wie die Korrosion an Brücken, Stahlträgern, Betonbauteilen und Kraftfahrzeugen. Denn Salz fördert unter anderem die Rostbildung.
Salz kann tatsächlich viel mehr anrichten, als man so denkt. Auch für Flüsse und Seen kann ein achtloser Einsatz von Streusalz schwere Konsequenzen haben. Denn wenn das Salz mit dem Schmelzwasser in Seen gelangt, kann es dort die Dichte des Wassers dermaßen verändern, dass die natürliche Wasserzirkulation zum Erliegen kommt. Folglich durchmischen sich vor allem stehende Gewässer nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff, ohne den Fische und andere Süßwassertiere nicht überleben können.
Viele Winterdienste reagieren auf die Salzgefahr, indem sie Streusalz mittels verbesserter Technik besonders sparsam einsetzen. Jedes Gramm Salz, das nicht in der Umwelt landet, spart Geld und schont die Umwelt. So gibt es moderne Streufahrzeuge, die den Straßenboden mit Hilfe von Wärmebildkameras scannen und so abweichende Straßentemperaturen ermitteln können. Dadurch können die Salzstreuer an den Fahrzeugen die mitgeführte Salzmenge viel besser dosieren.
Wem als Privatperson der Umweltschutz besonders am Herzen liegt, dem bleibt aber wohl oder übel nichts anders übrig, als auf Salz zu verzichten und zur Schneeschaufel zu greifen.
Markus Trennheuser