Im Saarland stockt der Ausbau der Windenergie, so wie in Restdeutschland. Der Grund: Den Kommunen fehlen oft Informationen, sagen die Windkraftbetreiber. Unabhängige Experten aber gibt es nicht mehr, behaupten die Gegner.
Die Freien Wähler sind strikt dagegen. Die SPD war es zuerst auch, macht aber jetzt zähneknirschend doch mit. Die CDU unterstützt das Projekt, weil es nur noch um drei der geplanten vier Anlagen geht. Damit ist die Sache klar: Enovos plant in Saarwellingen, genauer in der Nähe des Hoxbergs, drei neue Windräder. Um die Bevölkerung mitzunehmen, wie es so schön heißt, hat Bürgermeister Manfred Schwinn zuvor Informationsveranstaltungen abgehalten. Ja, Widerstände gebe es, heißt es vorsichtig aus dem Saarwellinger Rathaus, aber auch viele Befürworter. Insgesamt halte sich aber das Interesse, gemessen an der Anzahl der Besucher jener Veranstaltungen, in Grenzen. Ob sich dies noch ändert, wird sich zeigen, sobald die Baugenehmigung vorliegt.
In Hülzweiler ist man noch nicht ganz so weit. Dort gab es Anfang Januar die erste Informationsveranstaltung zu einem möglichen Bau von Windrädern, gut besucht, mit vielen Diskussionen und wenig Emotionen. Dort gibt es nun ein anderes Problem, mittlerweile haben sich vier Projektierer gemeldet, die dort bauen möchten – welchem gibt man nun den Zuschlag? Ein Interessenbekundungsverfahren könnte Abhilfe schaffen, allerdings auch dazu führen, dass ein solventer Investor von außerhalb der Region im Bieterverfahren die Pacht solange hochtreibt, bis die lokalen Interessenten, Bürger oder Stadtwerke, aussteigen.
Der Ausbau der Windenergie stockt in Deutschland, vor allem wegen zu schwieriger Genehmigungs- und Widerspruchsverfahren – aber auch wegen vielerlei Unsicherheiten genau dort, wo gebaut wird, in den Kommunen. So auch im Saarland.
Hierzulande wurden 2019 zwei Windräder gebaut. Die Aussichten für 2020 sind allerdings etwas besser, sagt Christian Sträßer. Er baut seit Jahren Windräder. Für den Projektleiter des Energiekonzerns EnBW im Saarland fehlt es hier vor allem an Unterstützung aus der Bundespolitik – nicht für den Konzern, sondern für die kommunalen Vertreter vor Ort. „Wir legen heute ganze Ordner vor mit Gutachten zu Arten- und Naturschutz, wenn wir ein neues Projekt planen, wir beachten die Gesetze. Das nutzt uns aber alles nichts, wenn Bürger auf lokaler Ebene so radikal dagegen sind, dass ihre gewählten Vertreter sich ihnen notgedrungen anschließen", oder anders formuliert, einknicken. Schmelz, Beckingen und Nalbach hatten gemeinsam Interesse daran gehabt, einen Windpark zu betreiben. Man habe einen Flächennutzungsplan erstellt, eine Bürgerenergiegenossenschaft hätte Geld in die Gemeindekassen gespült. Acht Anlagen waren von EnBW geplant worden. Eine Bürgerinitiative aber habe Widerstand geleistet; Beckingen und Nalbach sprangen ab, Schmelz baut nun im Alleingang zwei Windräder. „Die Bundespolitik hat die Probleme des Windenergieausbaus auf die Kommune abgewälzt", findet Sträßer. Er fordert eine neutrale Fachagentur, die Experten aus der Windenergiebranche, Forscher und Bürger an einen Tisch bringt und für neutrale Aufklärung sorgt. „Das wäre ein echter Fortschritt. Denn uns alleine glaubt man nicht."
„Auf die Kommunen abgewälzt"
Sträßers Job scheint sicher, doch die Branche bangt um Jobs. Die Marktvergütung für das Einspeisen von Windstrom ins deutsche Netz sinkt, die Margen der Windparkbetreiber gleich mit. Und das hochgesteckte Ziel der Bundesregierung, die CO2-Emissionen bis 2030 zu halbieren, werde man verfehlen, davon ist Christian Sträßer überzeugt.
Henry Selzer ist Chef einer Bürgergenossenschaft, die Windräder im Nordsaarland betreibt, und gleichzeitig Chef des Bundesverbandes Windenergie im Saarland. Er hält einen runden Tisch, eine Fachagentur wie die Thüringer Landesenergieagentur, für enorm wichtig. Die Kommunen wüssten vielerorts nicht wirklich, wie sie mit einem solchen Projekt umgehen sollen, und haben wenig Unterstützung sogar im eigenen Land. „Seit zwei Jahren fordern wir eine Fachagentur im Saarland, damit sich alle über Windkraft und die Projekte vor Ort informieren können." Dabei gibt es schon eine solche Agentur: die Fachagentur Wind, ein Verein. Mitglieder sind hier der Bund, die Länder, die kommunalen Spitzenverbände, Wirtschafts- und Naturschutzverbände sowie Unternehmen. Sie soll den betroffenen Kommunen helfen, wenn es um Fragen der Windenergie auch auf lokaler Ebene geht.
Vor allem, wenn es darum geht, wie eine Kommune von einem Windrad profitieren kann, gebe es Beratungsbedarf, so Selzer. „Gesetzt den Fall, dass das Windrad auf Gemeindeflächen steht, könnte man in einer GmbH eine Bürgergenossenschaft einbinden, die Stadtwerke, sofern vorhanden. Ein Vorbild dafür sind die Betreiber in Merzig oder Freisen." In Merzig sind beispielsweise die Stadtwerke Merzig (49,2 Prozent), die Bürgerenergiegenossenschaft Hochwald (24,6 Prozent), die VSE (20 Prozent) und die Bürgerkraftwerke Ökostrom Saar (sechs Prozent) beteiligt. „So bleibt das Geld vor Ort, in der Region, idealerweise im Ort, und fließt nicht an irgendwelche Investoren", so Selzer. Also nicht wie in Schwalbach – dort hatte man eine „GmbH & Co. KG" gegründet und vier Windräder errichtet. Nach dem Bau verkaufte der Projektierer DunoAir die Anlagen an einen Hamburger Investor. Denn Windräder sind beliebt als Geldanlagen, in Zeiten tiefer Zinsen versprechen diese immer noch eine Rendite von geschätzt drei bis vier Prozent auf 20 Jahre. Sicheres Geld für Investoren, aber auch für Bürger, die von der Energiewende profitieren wollen.
„Kaum unabhängige Gutachter"
Genau dies ist das Argument der saarländischen Windkraftgegner, die befürchten, dass vor allem Geld den Windkraftausbau treibt. Daher seien unabhängige Experten, auch für eine regionale Fachagentur, rar, so Jacob Fuhrmann, Sprecher des saarländischen Anti-Windkraft-Bündnisses Gegenwind: „Man findet schon im Rahmen eines Genehmigungsverfahrens kaum unabhängige Gutachter, sei es für das Thema Vogel-, Landschafts- oder Trinkwasserschutz, Infraschall und so weiter." „Gegenwind" möchte vor allem über die Schattenseiten der Windkraft aufklären und hält eine 100-Prozent-Strategie erneuerbarer Energien aus Sonne und Wind für Unsinn, weil ineffizient im Gegensatz zu herkömmlichen Kraftwerken. Gehör in der Politik findet Gegenwind dennoch laut eigener Aussage mit seinen Anliegen, auch ohne Runden Tisch. „Nicht bei jeder Partei im gleichen Maße. Wir müssen aber auch feststellen, dass Ereignisse wie Greta, Fridays for Future und das Trommelfeuer der Windkraftlobby-Organisationen zum Erhalt ihrer Goldminen es der Politik schwer macht, Vernunft und Augenmaß walten zu lassen", so Fuhrmann. Dass der Bund nun eine 1.000-Meter-Abstandsregelung befürwortet, ist für die Gegner der Windkraftanlagen wie Gegenwind oder Vernunftkraft ein Schritt in die richtige Richtung. Lieber wäre ihnen eine 10H-Abstandsregel, wie sie in Bayern herrscht – sprich die zehnfache Höhe einer Anlage. Diese könnte zudem den weiteren Zubau von Windkraft, wie in Bayern geschehen, faktisch zum Erliegen bringen.
Der Naturschutzbund Saarland (Nabu) indessen mahnt, „Energiewende sowie Natur- und Artenschutz miteinander vereinbar zu machen", sagt die frisch gebackene Landeschefin Dr. Julia Michely. Die Planung für Windkraftanlagen seitens des Landes sei sehr sorgfältig, so der stellvertretende Vorsitzende Rudi Reiter, unter Berücksichtigung der dichten Besiedlung des Saarlandes und unter enger Abstimmung mit dem Landesumweltamt. Der wahre Grund für den verlangsamten Ausbau sieht der Nabu in der geringeren Ertragslage für die Betreiber. Erschwerend komme hinzu, dass das Land kein optimaler Windstandort sei. Doch gehe es hier nicht nur um Windkraft. Besonders großes ungenutztes Potenzial sieht Michely in der Photovoltaik und in Energieeinsparungen: „Ohne dass wir sparen ist die Energiewende auch mit noch so vielen Windrädern nicht zu schaffen. Und wir haben 700.000 ungenutzte Dachflächen, auf denen wir die Sonnenenergie-Nutzung von derzeit sechs auf 25 Prozent hochschrauben könnten." Die Energiewende wird eben nicht nur am Rotor in den Kommunen, sondern auch an der Solarzelle auf dem eigenen Dach entschieden.