Wenige Stunden nach dem angekündigten Rückzug Kramp-Karrenbauers von der Parteispitze hat die Debatte um die Nachfolge begonnen. Ein Generationswechsel mit Jens Spahn könnte neue Perspektiven eröffnen.
Es waren vor allem Art und Zeitpunkt des angekündigten Rückzugs, die schonungslos gezeigt, vor welchen Herausforderungen, inhaltlich und strukturell, sich ein neuer Parteichef oder eine neue Parteichefin sehen würde.
Dass in ersten Reaktionen natürlich der Name von AKKs Gegenspieler Friedrich Merz (64) sofort fällt, überrascht nicht. Dass aber ausgerechnet Merz mit seiner Biografie und seinen (früheren) Positionierungen insbesondere in der Wirtschafts- und Sozialpolitik als großer Integrator einer zerfaserten Partei Halt geben könnte, ist fraglich. Zumal derzeit die Mehrheit der Parteibasis ganz andere Fragen bewegen als die klassischen Merz-Themen. Als Wahlkämpfer schien vielen Merz vorstellbar, als Parteichef in dieser Lage überwiegt die Befürchtung, dass sich wichtige Teile der Partei nicht mehr wiederfinden könnten.
Armin Laschet (58) gehört praktisch qua Amt zum Kreis möglicher Kandidaten, erstens als Chef des größten Landesverbandes und zweitens natürlich wegen des Wahlerfolgs 2017. Laschets eher ruhige Art ist sicher kein Nachteil, was ihm aber fehlt sind die Erfahrungen im Berliner „Haifischbecken“. Laschet hat zwar vier Jahre Bundestagserfahrung, die liegen aber bereits geraume Zeit zurück (1994–1998). Auch Annegret Kramp-Karrenbauer, die bereits als Ministerpräsidentin ihre Erfahrungen in komplexen Verhandlungen (Länderfinanzausgleich) und beste Beziehungen in Berlin hatte, musste erfahren, dass Politik in der Hauptstadt eigenen Gesetzen folgt.
Berliner Politbühne hat eigene Gesetze
Jens Spahn hat seine Spuren bereits im Dreikampf mit Kramp-Karrenbauer und Merz gelegt. Dass es damals am Ende auf den Zweikampf hinauslaufen würde, war ihm klar. Seine Kandidatur war deshalb als Ausrufezeichen der nächsten Generation gewertet worden. Spahn wird im Mai seinen 40. Geburtstag feiern. Politisch steht er für einem gemäßigt-konservativen Kurs, er selbst bezeichnete sich als liberal-konservativ. Aus seiner Homosexualität hat Spahn keinen Hehl gemacht, vor zwei Jahren haben er und sein Lebenspartner geheiratet. Viel Zustimmung hat Spahn für konservative Positionierungen auch bei der jungen Generation. „Es geht nicht darum, es allen recht zu machen, es geht darum, das Richtige zu machen“, betonte er beim Deutschlandtag der Jungen Union, bei dem sich im vergangenen Herbst in Saarbrücken die CDU-Granden die Klinken in die Hand gaben.
Nach der Wahl Kramp-Karrenbauers zur Parteichefin hat sich Spahn auffällig zurückgehalten und ganz auf die Kabinettsaufgaben als Gesundheitsminister konzentriert. Ganz ähnlich die Situation im Juli letzten Jahres, als Spahn nach Abgang Ursula von der Leyens Richtung Brüssel das Verteidigungsressort vakant und Spahn für viele Kommentatoren bereits als gesetzter Nachfolger feststand. Es kam bekanntlich mit Kramp-Karrenbauer anders. Selbst der „Spiegel“ musste konstatieren: „Wie ein Verlierer wirkt er nicht“. In der Partei wird so etwas unter Loyalitätsgesichtspunkten aufmerksam registriert. Geschlossenheit nach außen war über lange Strecken eines der Erfolgsgeheimnisse der CDU. Gleichzeitig ist Spahn nicht dafür bekannt, Auseinandersetzungen zu scheuen, wenn er sie denn für notwendig erachtet.
Spahn gilt als überaus arbeitsam, wird schon mal als „fleißigster Minister im Kabinett“, „Tempomacher“ („Spiegel“), „Politischer Muskelmann“ („Focus“) bezeichnet, 18 Gesetze in 18 Monaten gelten als „rekordverdächtig“. Unter anderem hat er gemeinsam mit den SPD-Kollegen Hubertus Heil (Arbeit) und Franziska Giffey (Familie) die Konzertierte Aktion Pflege aufs Gleis gesetzt.
Sollte wie sich abzeichnet, die Entscheidung unter den dreien getroffen, wäre zumindest ein Geschlechterwechsel an der Spitze sicher. Ob der Mut zu einem Generationswechsel reicht, dürfte sich bereits in den nächsten Tagen abzeichnen. Eine Hängepartie bis zum geplanten Parteitag Ende des Jahres wird sich die CDU nicht leisten können – und wollen.