Ausnahmezustände wie die jetzigen erfordern für nicht wenige Menschen explizit stärkende Musik. Igor Levit spielt jeden Abend für uns Klavier und DJ-Sets werden via Internet in die Wohnzimmer gepustet. Zwischen Beruhigung und Aufputschen rankt also die Spannbreite dieses musikalischen Werks.
Zu beidem taugt die hochwillkommene Wiederveröffentlichung des 2003er-Meisterwerkes von Ibrahim Ferrer.
„Buenos Hermanos" war damals im Nachgang des „Buena Vista Social Club"-Siegeszuges auf begeisterte Resonanz gestoßen. Auch ein Grammy wurde für unfassbar frische, gleichsam entspannte Neuinterpretationen kubanischer Traditionals verliehen.
2005 verstarb Ferrer 78-jährig im Anschluss an eine gefeierte Tournee in Havana. Der Buena-Vista-Hype mag abgeebbt sein, der zeitlosen Qualität dieser Klänge tut das keinen Abbruch. Als hätte dieser Fakt noch bewiesen werden müssen, wurde also nun „Buenos Hermanos" – von Ry Cooder höchst persönlich neu abgemischt – mit absolut lohnenden Bonus-Tracks neu aufgelegt. Allein diese vier „Previously Unheard Tracks" lohnen den Erwerb selbst für all jene, die das Original-Album weiterhin in Ehren halten.
„Me Voy Pa Sibanicu" und „Ven Conmigo Guajira" sind köstlich rotierende, infizierend rollende, rumbaähnliche Sausen. Das Tanzbein zuckt vehement. Auf sehr sanfte Weise wiederum verführen „Ojos Malvados" und „Mujer", zwei elegante, zutiefst melancholische Boleros.
Doch egal ob Tempo oder Innehalten, Ibrahim Ferrer weiß mit seiner reifen, wahrhaftigen Stimme bekanntlich beides gleichermaßen zu veredeln. „Das sind Lieder, bei denen ich mich jünger fühle" gab er stets zu Protokoll…
„Wir müssen verrückt gewesen sein, das ursprünglich weggelassen zu haben", sagt wiederum Ry Cooder kopfschüttelnd über diese nun endlich geborgenen Perlen. Stimmt.
Ach ja: die Qualität der 13 verbleibenden Original-Songs bleibt unbestritten, exakte Analysen hinsichtlich Produktions-Upgrade sind müßig – schließlich blieben bereits damals keine Wünsche offen bezüglich Transparenz, Unbeschwertheit, Klasse…