Im Zentrum der einzigartigen Fashion- und Beauty-Aufnahmen von Lynn Theisen (26) aus Luxemburg stehen meist asiatische Models, knallige Farben und besondere Schauplätze. Im Interview spricht die studierte Fotografin über ihre Fotos und aufwendigen Bildserien, Voraussetzungen für Beauty-Aufnahmen und gibt Tipps für Selfies.
Frau Theisen, wie sind Sie zur Fotografie gekommen?
Ich habe schon sehr früh angefangen mit einer Point-and-shoot Kamera zu fotografieren, die ich auf Reisen mitgenommen habe. Da ich halb Thailänderin bin, sind meine Eltern und ich jeden Sommer nach Thailand gereist, um unsere Familie zu besuchen. Das rurale Thailand der 90er-Jahre sowie das für mich damals sehr exotische und im Gegensatz zu Luxemburg sehr lebhafte Bangkok, stellten zwei komplett andere Welten für mich dar, die ich dokumentieren und in denen ich mich fotografisch austoben konnte. Die Leidenschaft für die Fotografie, die dort entstand, ist stets größer geworden, sodass ich 2012 zum Entschluss gekommen bin, nach Berlin zu ziehen, um dort Fotografie zu studieren.
Wie kam es dann, dass Sie sich auf die Bereiche Beauty und Fashion spezialisiert haben?
Als ich Luxemburg 2012 verlassen habe, war da schon eine gewisse Leidenschaft für die Peoplefotografie vorhanden. Jedoch konnte ich dort nicht wirklich Beauty oder Fashion praktizieren, da es damals in Luxemburg quasi unmöglich war, an Agenturmodels zu kommen. Auch die anderen Teammitglieder, die man für solche Shootings braucht, waren kaum anzutreffen. Folgendermaßen haben sich diese zwei Genres erst richtig ergeben, als ich zum Studium nach Berlin gezogen bin und mit zahlreichen professionellen Make-up-Artists, Stylisten und Designern arbeiten konnte.
Ich habe Fotografie an der Berliner Technischen Kunsthochschule studiert und anschließend ein Jahr lang assistiert. Darunter einem Foodfotografen und einer Modefotografin. Natürlich bilde ich mich immer noch stetig weiter, besuche Workshops und lege mir auch online Know-how an.
Entstehen die meisten Fotos bei Ihnen im Studio oder reisen Sie sehr viel und fotografieren auch in anderen Studios?
Beides. Ich reise, so oft ich kann, und versuche in den jeweiligen Ländern Shootings zu organisieren. Wenn ich in meiner Heimat Luxemburg bin, bin ich natürlich öfters in meinem Studio im 1535° Creative Hub in Differdange. Vor allem bin ich hier in den Wintermonaten anzutreffen, wenn Outdoorshootings weniger werden. Wenn ich im Ausland bin, kommt es dennoch manchmal vor, dass ich mich auch da in Fotostudios einmiete. Beispielsweise habe ich für meine Fotoserie „Cultural Fusion" auch in Berlin und Antwerpen im Studio fotografiert.
Mit welchen Aufträgen waren Sie in der letzten Zeit beschäftigt?
Ich habe praktisch das ganze letzte halbe Jahr an meiner Ausstellung „Cultural Fusion" gearbeitet. Januar und Februar sind dann in meiner Branche etwas ruhiger.
Wo finden Sie Ihre Models für die hochkarätigen Beauty-Aufnahmen? Dürfen Sie die Models immer selbst aussuchen?
Wenn ich Beauty-Aufnahmen mache, arbeite ich grundsätzlich immer mit Modelagenturen zusammen und suche die Models meistens alleine aus. Die Wahl des Models steht dann auch in den meisten Fällen schon, noch bevor die Shootingidee entwickelt wird.
Wie viel Zeit nimmt die Bearbeitung eines Beauty-Fotos ungefähr in Anspruch?
Die Bearbeitung kann durchaus manchmal ein bis zwei Stunden dauern. Sobald ich jedoch glaube, fertig zu sein, mache ich eine Pause und schaue mir die Fotos erst am nächsten Tag noch mal an.
Verändern Sie im Nachhinein noch viel an den Aufnahmen? Und was genau wird optimiert?
Bei Beauty-Aufnahmen nimmt vor allem die Hautretusche etwas Zeit in Anspruch. Bei Fashion verbringe ich jedoch viel mehr Zeit mit dem Gesamtlook eines Fotos. Hier ist mir der Farblook und die generelle Stimmung des Bildes sehr wichtig.
Welches Licht benötigt man für makellose Beauty-Aufnahmen?
Für meine Beautyaufnahmen bevorzuge ich ein sehr gerichtetes Beautydishlicht. Das ist aber Geschmackssache. Ich kenne viele Fotografen, die lieber zu einem weicherem Licht greifen, zum Beispiel einer Softbox.
Wie erhält man so einen tollen natürlichen Glow auf ungeschminkter Haut wie auf manchen Ihrer Fotos zu sehen ist?
Bei Shootings verwenden wir oft Highlighter für den Glow. Manchmal reicht auch schon eine normale Creme oder Vaseline, die das Licht reflektiert. Dass die Models ungeschminkt aussehen, heißt in Wirklichkeit nicht unbedingt, dass sie es auch sind. Die wenigsten Models sind bei einem Fotoshooting tatsächlich ungeschminkt. Der No-Make-up-Look muss auch geübt sein. Deshalb habe ich bei jedem Shooting einen Make-up-Artisten dabei.
Wie muss ein Bild sein, damit Sie zufrieden sind?
Tatsächlich mit einem Bild zufrieden zu sein, fällt mir sehr schwer, da ich mir gegenüber sehr kritisch bin. Ich bin vielleicht mit zehn Fotos in meinem Portfolio wirklich zufrieden.
Haben Sie ein Faible für spezielle Model-Typen, Farben oder Details?
Ich arbeite am liebsten mit Asiatinnen zusammen und liebe knallige Farben, vor allem Rot!
Welche waren Ihre aufwendigsten Shootings?
Meine Fashionshootings in Asien sind sehr aufwendig, da sie von der Konzeption bis zur Retusche viel Zeit in Anspruch nehmen. Außerdem habe ich nun ein halbes Jahr an einer kompletten Ausstellung gearbeitet. Somit wäre mein letzte Fotoserie „Cultural Fusion" wohl die bis dato aufwendigste Arbeit, die ich gemacht habe.
Dank Smartphone entstehen heute auch zu Hause hin und wieder tolle Fotos. Haben Sie ein paar Tipps für schöne Beauty-Selfies?
Ich selbst mag es nicht besonders, Fotos mit dem Handy zu machen, und Selfies mache ich praktisch auch gar keine. In puncto Licht würde ich jedoch vorschlagen – wenn man gerade drinnen ist – sich einfach vor ein großes Fenster mit indirekter Sonneneinstrahlung zu stellen. So hat man ein großes, diffuses und helles Licht, das von vorne kommt. Quasi wie bei einem großen Schminkspiegel. Ganz am Anfang meiner Peoplefotografie, als ich noch kein Blitzequipment hatte, habe ich die Models auch neben große Fenster platziert, um ein ebenmäßiges Licht zu kreieren.
Haben Sie Lieblingsfotos von sich?
Ich mag am liebsten meine Fotoserie „Heading South-East", die ich 2016 in Thailand fotografiert habe. Die Fotoserie besteht aus inszenierten Modefotografien, die ich in Zusammenarbeit mit thailändischen Models, Make-up-Artisten und Stylisten realisiert habe. Dieses Projekt ist als eine europäische Sichtweise auf die thailändische Modefotografie zu verstehen – eine Art Auseinandersetzung mit dem Fremden. Vor allem thematisiert die Serie unterschiedliche thailändische Frauentypen, die aufgrund ihres Äußeren auffallen: entweder weil sie der Schönheitsnorm entsprechend aussehen oder gerade weil sie es nicht tun.
Gibt es ein Wunschmodel oder eine/n bestimmten MusikerIn/SchauspielerIn, die/den Sie gern einmal fotografieren möchten?
2016 ist ein Traum in Erfüllung gegangen, als ich das thailändische Topmodel Jan Baiboon für meine Fotoserie „Heading South-East" in den Straßen Bangkoks fotografiert habe. Für meine Fotos arbeite ich am liebsten mit Asiatinnen zusammen. Wunschmodels sind deshalb beispielsweise Liu Wen und Fei Sun. Beides sind chinesische Topmodels.
Gefallen Sie sich selbst auf Fotos?
Nein, gar nicht. Ich bin, so wie fast jeder Fotograf, lieber hinter der Kamera.
Von wem lassen Sie sich am liebsten fotografieren?
Wenn ich professionelle Fotos von mir selbst brauche, habe ich das Glück, einige sehr talentierte Fotografinnen hier in Luxemburg zu haben. Meine letzten Porträts sind beispielsweise von Véronique Kolber.
Was hat sich mit der Corona-Krise in Deinem Leben als Fotografin geändert?
Das Ausüben jeglicher Peoplefotografie wie Fashion und Beauty ist momentan leider nicht mehr möglich, da der Job logischerweise Kundenkontakt voraussetzt. In diesem Sinne gilt es jetzt, neue Wege zu finden, um als Fotograf(in) weiter arbeiten zu können – den Arbeitsbereich etwas auszuweiten und so beispielsweise auf Product Shots oder sonstige Studioarbeiten ohne Menschen zurückzugreifen.
Wie entgehe ich einer Verwahrlosung im Homeoffice – was ziehe ich an, um motiviert arbeiten zu können? Und muss ich mich überhaupt vernünftig stylen?
Nein absolut nicht, das wäre ein sehr oberflächiger Gedanke. Ich finde nicht, dass man sich zu Hause „vernünftig stylen" soll, wenn man alleine am Schreibtisch sitzt. Hauptsache, man fühlt sich wohl. Ich selbst zum Beispiel style mich nicht für das Homeoffice.