Die ersten Lockerungen der Ausgangsbeschränkungen bringen vorsichtige Erleichterungen. Wie geht der Hausarzt mit der Krise um? Stephan Krewel, Facharzt für Allgemeinmedizin in St. Ingbert-Rohrbach, schätzt seine aktuelle Lage derzeit eher positiv ein.
Herr Dr. Krewel, wie schätzen Sie die Stimmung unter den Patienten ein? Eher ängstlich oder sorglos?
Die Patienten kann man nicht unter einen Hut fassen. Es gibt Ängstliche, dann gibt es Nachlässige und dann gibt es solche, die das sicherlich gut wegstecken. Die Patienten, die Angst haben, kann man ja auch mit Gesprächen fernmündlich gut betreuen. Aber da gibt es keine außergewöhnlichen Reaktionen. Ich habe den Eindruck, dass die Leute damit relativ gelassen umgehen.
Wie sieht es mit der Versorgung mit Schutzausrüstung aus? Das heißt mit Handschuhen, Mundschutz und Desinfektionsmittel?
Wir haben aktuell noch keine Engpässe und sind auch noch gut versorgt. Allerdings ist die zuletzt bestellte Ware bisher noch nicht da. Daran hängt es noch ein bisschen.
Haben Sie Vorbereitungen auf verstärkten Andrang getroffen?
Das Ziel ist, gefährdete Patienten aus der Praxis fernzuhalten. Da gibt es mittlerweile die Möglichkeit Krankmeldungen über sieben Tage auszustellen. Außerdem kann man Rezepte unkompliziert ausstellen, zu denen normalerweise der persönliche Kontakt notwendig wäre. Was den Andrang betrifft, warten wir ab, was kommt. Wir müssen natürlich schauen, dass wir mit Schutzkleidung versorgt sind. Für mich persönlich bedeutet das natürlich auch Hausbesuche zu machen, bei Patienten, bei denen noch keine eindeutige Situation besteht. Die Schutzkleidung ist dabei das A und O.
Wie ist derzeit die Versorgung mit Informationen?
Die Information ist optimal. Wir bekommen ständig neue Faxe von der Kassenärztlichen Vereinigung mit Updates. Da sind wir gut versorgt.
Was tun Sie denn, wenn sich Corona-Verdachtsfälle melden?
Auch hier klären wir telefonisch ab, wie die Lage ist, und empfehlen natürlich eine Testung. Diese Personen bekommen eine Überweisung ausgestellt, mit der sie dann zu einer Teststelle gehen können.
Wie viele Verdachtsfälle sind schon vorstellig geworden?
Ich habe bei circa 25 Leuten Tests veranlasst, von denen vier positive Befunde hatten.
Sie machen auch weiter Hausbesuche. Wie gehen Sie hier vor?
Im Moment ist das absolut im Rahmen. Aber wie sich das entwickelt, weiß man natürlich nicht. Ich bin gut vorbereitet und habe ausreichend Schutzkleidung. Ich muss damit rechnen, dass ich in Altenheime komme, wo die Situation gerade mehr und mehr eskaliert. Aber wo ich hin muss, muss ich hin – aus medizinischen Gründen. Was die Situation hier aber mit Sicherheit erleichtert, ist die Tatsache, dass das Kreiskrankenhaus seit letzter oder vorletzter Woche ein sogenanntes Covid-Zentrum ist. Das bedeutet, sie behandeln dort stationär nur solche Patienten, die unter Covid-Verdacht stehen. Also wir sind hier schon gut aufgestellt.
Und wie sehen Sie es bei den jüngeren Leuten?
Ich beobachte zum Teil junge Leute, die sich nicht an die Vorgaben halten. Gerade letzten Freitag liefen an der Praxis drei jungen Damen Arm in Arm vorbei. Ich habe schon den Eindruck, dass junge Leute – vielleicht auch aus fehlendem Wissen heraus – die Situation unterschätzen und sich nicht an die Einschränkungen halten. Jugendlicher Leichtsinn eben. Aber konkret habe ich damit hier in der Praxis noch keine Probleme gehabt. Unsere Patienten sind sowieso eher älter und vielfach krank. Denen empfehlen wir ohnehin, zu Hause zu bleiben.
Wie gehen Sie in diesen Fällen vor?
Wir telefonieren mit den Patienten und schätzen ab, ob sie ein Fall fürs Zuhausebleiben sind. Wenn sie nicht erkältet sind, können sie natürlich kommen. Ansonsten empfehlen wir, zu Hause zu bleiben, gegebenenfalls mit Krankmeldung. Dann sollen sie sich natürlich melden, wenn etwas ist, damit ich zum Hausbesuch vorbeikomme.
Müssen dann andere Patienten mit geläufigen Erkrankungen wie Magen-Darm, Routineuntersuchungen oder Ähnlichem zurückstecken, wenn ein Corona-Fall auftaucht?
Gerade älteren Leuten wird grundsätzlich gesagt, dass sie eine Behandlung, wenn es irgendwie geht, zurückstellen sollten. Wenn jemand wegen etwas anderem Akutem kommt, beispielsweise ein Herzinfarkt, wird er natürlich sofort behandelt.
Was halten Sie von der App, die Infizierte aufspüren soll, wie die Nationale Akademie für Wissenschaften Leopoldina berichtet?
Im Prinzip ist alles sinnvoll, was dazu beiträgt, dass eine Pandemie nach Möglichkeit für uns nicht so schwer verläuft. Und wenn so eine App dazu beiträgt: Warum nicht? Sowas ist ja auch immer zum eigenen Schutz. Allerdings bin ich nicht so technikaffin, dass ich über solche Sachen genau Bescheid weiß.
Wie gehen Sie persönlich mit der „Quarantäne" um, abends, nach Praxisschluss – was machen sie zu Hause?
Ich bin ein strukturierter Mensch, und ich versuche mich natürlich nach der Arbeit zu entspannen. Mein Hobby ist das Laufen. Und da gibt es ja Gott sei Dank –
solange man alleine läuft – noch keine Einschränkungen. Von daher kann ich die momentane Situation noch ganz gut aushalten. Aber ich kann mir schon vorstellen, dass die Situation für jemanden, der mit zwei bis drei Kindern in einer Wohnung in der Stadt ohne Auslauf festsitzt, wirklich problematisch ist.
Was Sport angeht, hat Corona also vielleicht auch gute Seiten?
Das würde ich nicht unbedingt sagen. Die Gefahr, dass man erkrankt, ist immer noch viel größer als die Wahrscheinlichkeit, dass man wegen Corona jetzt etwas Gesundes tut. Also das muss man schon ein bisschen relativieren. Gerade auch weil das Virus – nicht nur zeitlich – überhaupt nicht fassbar ist.